Shaun White: sein letztes Rennen
9. Februar 2022Er hat es mal wieder spannend gemacht - diesmal allerdings besonders spannend: Nachdem er sich nach einer COVID-Erkrankung überhaupt erst im letzten Wettbewerb im Januar die Olympia-Qualifikation gesichert hatte, musste Snowboard-Superstar Shaun White auch in der Halfpipe von Peking aufs Ganze gehen. Weil er im ersten Qualifikationslauf gestürzt war, hing alles vom zweiten Lauf ab. Der Druck war riesig, die Gefahr zu scheitern auch. Aber wie es sich für eine Legende gehört, lieferte White ab und steht nun im Finale der besten Vier.
"Ich muss meine Mutter anrufen. Sie wird sagen: 'Du machst das jedes Mal.'", sagte der 35-jährige US-Amerikaner danach lachend und atmete erstmal durch. "Ich bin wirklich erleichtert, dass ich die Chance auf meinen großen Moment im großen Finale bekomme." Am vergangenen Wochenende hatte der dreimalige Olympiasieger angekündigt, dass die Winterspiele in Peking sein letzter Wettkampf sein würden. Da hatte er wohl nicht damit gerechnet, dass es auf dem Weg ins Finale so dramatisch werden würde. "Shaun ist der Typ für die knappen Momente", sagte Whites US-Teamkollege Taylor Gold, der ebenfalls im Finale steht. "Ich habe nie daran gezweifelt, dass er es schafft."
Für White, der die Grenzen seines Sports verschoben und neue Maßstäbe gesetzt hat, war es ein harter Weg in sein fünftes und letztes olympisches Finale. "Jede Olympiade hat ihren eigenen Weg und ist eine eigene Reise", sagte White der DW. "Manchmal ist es einfacher als bei anderen und manchmal ist es schwieriger, und dieses Mal war es definitiv eine größere Herausforderung."
Reise zu den Olympischen Spielen
Nachdem er sich bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang seine dritte Goldmedaille in der Halfpipe gesichert hatte, versuchte White, einen anderen olympischen Traum zu leben. Er legte das Snowboard beiseite und versuchte, sich im Skateboarden für die Sommerspiele 2020 in Tokio zu qualifizieren.
"Ich war voll dabei, ich habe mein Ding gemacht, Wettkämpfe bestritten", sagte White der DW vor den Spielen in Peking. "Aber irgendwann wurde mir klar, dass es viel schwieriger werden würde als ich dachte. An diesem Punkt war die Entscheidung nicht mehr, ob ich mit dem Skaten weitermachen sollte, sondern ob ich bereit war, das Snowboarden aufzugeben."
Also stellte White das Skateboard wieder in die Ecke und kehrte in den Schnee zurück. Allerdings absolvierte er seinen ersten Wettkampf wegen "COVID und Verrücktheit" erst im März 2021, drei Jahre nach seiner Goldmedaille in Pyeongchang. Der erste Versuch zur Olympiaqualifikation scheiterte in Aspen. White gab anschließend zu, er sei "nervös" gewesen und, so dass er "irgendwie zusammenbrach".
Nachdem er zwischenzeitlich an COVID-19 erkrankt gewesen war, schied der 35-Jährige auch noch mit einer Knöchelverletzung aus dem Finale eines Snowboard-Events in Kalifornien aus. Und da er in der Weltcupsaison nicht genug Punkte für die Mannschaft gesammelt hatte, war fraglich, ob White überhaupt ein letztes Mal auf der olympischen Bühne stehen würde.
Doch dann bewahrheitete sich sein Ruf als der "Typ für die knappen Momente ". Bei seiner letzten Chance, sich in der Schweiz zu qualifizieren, legte White einen blitzsauberen Lauf hin und feierte direkt danach mit den Fans so, als wüsste er bereits, dass dies sein Ticket für Peking ist. Tatsächlich war sein Ergebnis gut genug fürs Podium und brachte ihn in die Olympia-Mannschaft. "Hierher zu kommen und mit den anderen Jungs auf dem Podium zu stehen ist wirklich großartig", sagte der Snowboard-Veteran der DW.
Letzter olympischer Moment
Aber der Prozess, den er durchlaufen hatte, machte ihm auch klar, dass das Ende seiner außergewöhnlichen Karriere naht. "Ich war zwischendurch entmutigt und habe gedacht: 'Kann ich es schaffen? Wird es klappen?' Ich habe mich sehr unter Druck gesetzt und dann beschlossen, dass dies mein letzter Versuch ist", sagte White am Mittwoch vor Reportern in Peking. White kann ohne Druck ins olympische Finale gehen, er muss sich nicht mehr um die Qualifikation sorgen, er muss nicht mehr in die nächste Runde kommen. Er habe "den Druck in etwas anderes, in eine Art Abschiedstournee, verwandelt", sagt der 35-Jährige.
"Das Finale besteht aus drei Läufen, also geht es ein bisschen entspannter zu und man kann irgendwie damit spielen", erklärte White vor seinem großen Finale für das er versprochen hat, sich "nicht zurückhalten" zu wollen. Die Konkurrenz ist groß, neben Taylor Gold stehen mit dem Japaner Ayumu Hirano und dem Australier Scott James, die in Pyeongchang hinter White Silber und Bronze gewannen, Konkurrenten in Topform im Finale. Hirano führt die Weltcup-Wertung an, James gewann im Januar Gold bei den X-Games. Allerdings: Der Typ für die wirklich knappen Momente ist immer noch Shaun White.