Slowakei mit Volldampf in die EU
21. Mai 2003Köln, 20.5.2003, DW-radio, Nina Werkhäuser
Die Bürger der Slowakei haben sich in einer zweitägigen Volksabstimmung (16./17.5.) mit überwältigender Mehrheit für einen Beitritt zur EU ausgesprochen. Die Zustimmung habe bei knapp 92,5 Prozent gelegen, teilte die Wahlkommission mit. Die laut Verfassung für die Gültigkeit des Referendums erforderliche 50-Prozent- Wahlbeteiligung wurde um 2,15 Prozent übertroffen. Allerdings hätte die Slowakei der EU auch dann durch einen Parlaments-Beschluss beitreten können, wenn die Mindestwahlbeteiligung nicht erreicht worden wäre. Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Beitritt von besonderem Interesse, denn Deutschland ist der größte Handelspartner der Slowakei und hat Tschechien von diesem Platz verdrängt.
Wenn es nach dem Chef der Computerfirma ESET in Bratislava ginge, dann könnte die Slowakei schon morgen der EU beitreten. ESET hat ein Anti-Virus-Programm entwickelt und verkauft es erfolgreich in Europa und den USA. Vom EU-Beitritt im kommenden Jahr erhofft sich Geschäftsführer Anton Zajac weitere Vorteile.
"Unser Produkt ist so gut, dass wir auf dem EU-Markt bestehen können", meint Zajac. Sein Selbstbewusstsein ist typisch für viele slowakische Unternehmer. Sie sind gut ausgebildet, sprechen Fremdsprachen und haben die EU schon lange genau im Blick - nach Wien sind es von der Hauptstadt Bratislava schließlich kaum mehr als 50 Kilometer. Die Gehälter in der Slowakei sind niedrig, ein Wettbewerbsvorteil. Eine Abwanderung seiner hochqualifizierten Informatiker in EU-Länder befürchtet Zajac trotzdem nicht.
"Nein, ich glaube nicht, dass wir Mitarbeiter verlieren werden. Das verhindern auch die attraktiven Zusatzleistungen, die wir unseren 25 Angestellten bieten, zum Beispiel flexible Arbeitszeiten, kostenloses Essen und betriebseigene Wohnungen."
Erst nach dem EU-Beitritt wird sich zeigen, ob diese Rechnung aufgeht, denn viele junge Slowaken zieht es ins Ausland. Gleichzeitig hofft die slowakische Regierung, ausländische Investoren anzuziehen, da Löhne und Preise niedrig sind. Volkswagen und die amerikanische Stahlfirma US Steel haben schon Tausende Arbeitsplätze geschaffen, und der französische Autobauer Peugeot plant ein Werk in der Nähe von
Bratislava. Der slowakische Finanzminister Ivan Miklos erwartet nach dem EU-Beitritt weitere Investitionen aus westeuropäischen Ländern.
"Wenn wir außerdem noch günstige Steuersätze anbieten, ein gutes Wirtschaftsumfeld schaffen und einen flexiblen Arbeitsmarkt, dann wird das den Wettbewerb verschärfen. Es wird das Wirtschaftswachstum in der EU insgesamt befördern und Reformen in den alten Mitgliedsländern beschleunigen."
Zuerst muss die Slowakei aber selbst Reformen umsetzen - die Steuern senken, das Renten- und Gesundheitssystem modernisieren, die Infrastruktur ausbauen. Die Regierung setzt dabei auch auf Gelder aus den Fördertöpfen der EU. Denn trotz des stetigen Wirtschaftswachstums ist der Osten des Landes immer noch schwach entwickelt und die Arbeitslosigkeit insgesamt relativ hoch. Für Unternehmer wie Anton Zajac ist die EU-Mitgliedschaft auch ein Garant dafür, dass sein Land innenpolitisch stabil bleibt und nicht wie unter dem früheren Ministerpräsidenten Meciar wieder in eine Phase der Stagnation und Isolation gerät.
"Die Slowakei wird sich an die Standards der EU anpassen, wirtschaftlich, politisch und beim Rechtssystem. Dadurch wird die Slowakei stabiler, und das wird uns helfen, unsere Produkte in der EU zu vermarkten."
Die Slowakei hat erst zwei Jahre nach den Nachbarländern Polen und Tschechien mit den Beitrittsverhandlungen begonnen und ist trotzdem jetzt auf einem vergleichbaren Stand. Auch wirtschaftlich hat das Land enorm aufgeholt, die Wachstumsrate betrug im letzten Jahr über vier Prozent - eine Zahl, von der die meisten EU-Länder nur träumen können. (fp)