Illegale auf Portugals Feldern
19. März 2018Alberto Matos hat Stress: Im viel zu kleinen Büro der Hilfsorganisation "Solidariedade Imigrante" (Solim) drängen sich Afrikaner und Inder. "Schicken Sie den Mann hierher, ich werde sehen, was ich machen kann", spricht der Mann Mitte 60 leicht gereizt ins Telefon. Danach macht er seinem Ärger Luft: Das Finanzamt wolle einem Afrikaner keine Steuernummer geben, weil er keinen Job habe. Dabei bekomme der nur legale Arbeit, wenn er eine Steuernummer vorweise. Und nur mit legaler Arbeit habe der Mann Aussicht auf eine Aufenthaltsgenehmigung. "Das ist ein Teufelskreis, der einzig und allein den Schleppern nutzt, die Illegale ins Land bringen. Den müssen wir durchbrechen!"
Doch das ist nicht leicht: Immer mehr Migranten kommen in das südportugiesische Kleinstädtchen Beja – zuletzt vor allem aus Afrika. "Wir haben hier schon viele Asiaten, aus Indien, Thailand, Pakistan und sogar aus Nepal", erklärt Matos. Jetzt kämen vor allem Afrikaner: "Sie arbeiten fast ausschließlich in der Landwirtschaft."
Unter unmenschlichen Bedingungen und oft für weniger als den staatlich garantierten Mindestlohn von 580 Euro im Monat werden sie zuerst bei der Olivenernte eingesetzt, pflücken Erdbeeren oder Orangen. Später im Jahr ernten sie Melonen und Weintrauben. Dabei ziehen ihnen die Zeitarbeitsfirmen, für die sie offiziell arbeiten, auch noch Verpflegung, Unterkunft und Reisekosten ab. In Monaten mit wenig Arbeit bleibt am Monatsende kaum Geld übrig.
Landwirtschaft braucht Arbeitskräfte
In der stark landwirtschaftlich geprägten Region Alentejo im Süden Portugals geht ohne die illegalen Gastarbeiter so gut wie gar nichts mehr. Einerseits wollen die Portugiesen die schlecht bezahlte, harte Arbeit auf den Plantagen nicht mehr machen. Andererseits schießen neue Betriebe fast wie Pilze aus dem Boden.
Rund um den Alqueva-Stausee haben finanzkräftige Spanier endlose Olivenpflanzungen angelegt. Die Arbeitskräfte, die auf ihnen arbeiten, sind oft Illegale. "Im Raum Beja handelt es sich dabei um mindestens 10.000 Menschen," rechnet Alberto Matos von der Menschenrechtsorganisation Solim vor, im gesamten Alentejo seien es noch viel mehr. Immer mehr von ihnen kämen aus Afrika.
Sherif Djo zum Beispiel, 35 Jahre alt, zwei Kinder und Frau daheim im Senegal, ist mit einem Touristenvisum zuerst nach Frankreich gekommen. Danach hat er zwei Jahre illegal in Spanien gearbeitet, jetzt lebt er seit sechs Monaten zusammen mit seinem Bruder und acht Freunden in einem alten Wohncontainer in einem Dorf bei Beja.
Von den 500 Euro, die er verdient, wenn er den gesamten Monat arbeitet, muss er 75 Euro Miete bezahlen. Dafür gibt es noch eine schlecht ausgerüstete Gemeinschaftsküche, schmutzige Toiletten und einen Wasserhahn auf dem Feld nebenan. Die kleinen Fenster haben Djo und seine Freunde mit Karton abgedichtet, wegen der Kälte. "Ich bin gekommen, damit meine Familie es besser hat", sagt er traurig. Immerhin: Sein Arbeitgeber hat ihn bei der Sozialversicherung angemeldet, Djo zahlt Steuern und Abgaben, kann darauf hoffen, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen.
Legalisierung dauert zu lange
Doch das kann dauern: Trotz einer Gesetzesänderung, die die Legalisierung dieser Arbeitskräfte erleichtern sollte, lasse die portugiesische Fremdenpolizei sich viel Zeit bei der Erteilung der Papiere, klagt Alberto Matos - zu viel Zeit. Oft dauere die Legalisierung ein halbes Jahr und länger. Doch während der Wartezeit seien die Illegalen den Schlepperorganisationen hilflos ausgeliefert, würden gnadenlos ausgebeutet. "So arbeitet der Staat letztendlich den kriminellen Banden in die Hände."
In der Tat: Das klassische Emigrationsland Portugal tut sich schwer damit, dass es inzwischen zum Einwanderungsland geworden ist. Und es braucht billige Arbeitskräfte, damit die Erdbeeren und Himbeeren, die sie pflücken, möglichst billig und damit konkurrenzfähig auch nach Deutschland exportiert werden können. Also drücken die Behörden - je nach Konjunkturlage - in Sachen illegale Einwanderer immer wieder mal ein Auge zu. Eine rechtsfreie Grauzone sei entstanden, in der es viel zu verdienen gebe, weiß Alberto Matos: "Vor allem zweifelhafte Arbeitsvermittlungsfirmen machen viel Geld, indem sie weder Steuern noch Sozialabgaben für ihre Arbeiter zahlen."
Traum vom besseren Leben
Foday Fathi - der Mann, dem das Finanzamt keine Steuernummer geben will - ist das alles egal. "Ich will nur Arbeit, um Geld zu verdienen. Irgendeine Arbeit", fleht der 32jährige. Eine gefährliche, lange Odyssee liegt hinter ihm: Zuerst hat Fathi sich vom westafrikanischen Gambia nach Libyen durchgeschlagen. Dann mit dem Boot nach Italien, von dort nach Portugal. Viele Afrikaner wollten nach Portugal, berichtet er. In Portugal gebe es gutes Geld für gute Arbeit, hätten sie ihm zuhause immer wieder erzählt.
Jetzt sitzt Fathi verstört und trotzdem voller Hoffnung im Büro der Hilfsorganisation Solim. Alberto Matos will ihm helfen, die heißersehnte Steuernummer zu bekommen. Erst dann kann Fathi seine Aufenthaltserlaubnis beantragen, mit viel Glück könnte das bis zum Jahresschluss klappen. Doch bis dahin wird er mit vielen Tausend anderen Illegalen für einen Hungerlohn Oliven ernten. Der Traum vom besseren Leben in Portugal lässt sich eben nur schwer erfüllen.