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Skateboarden boomt - auch ohne Olympia

4. August 2021

Sehr junge Sportlerinnen drückten den erstmals olympischen Skateboard-Wettbewerben in Tokio ihren Stempel auf. In Deutschland boomt die Sportart ohnehin. Ein Olympia-Effekt auf die Szene wird nicht erwartet.

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Tokio Olympia 2020 | Skateboarding | Sky Brown
Die in Japan geborene 13-Jährige Sky Brown gewann in Tokio BronzeBild: Ben Curtis/AP/picture alliance

Sky Brown ist ein Millionenmädchen. Das Vermögen der Britin wird auf mehr als eine Million Dollar geschätzt, auf Instagram folgen ihr mehr als eine Million Menschen. Viel hat nicht gefehlt und die Tochter einer Japanerin und eines Briten, die in Tokio als Favoritin an den Start gegangen war, wäre auch noch die jüngste Olympiasiegerin aller Zeiten geworden: Bei der Olympia-Premiere im Skateboarden gewann Brown dann aber "nur" die Bronzemedaille in der Disziplin "Park" - knapp einen Monat nach ihrem 13. Geburtstag. Das Park-Skaten wird in einer Art "Swimmingpool mit Hindernissen" gefahren und besteht aus vielen spektakulären Flugelementen. 

Noch näher dran am Altersrekord - den hält weiter die Südkoreanerin Kim Yoon-mi, 1994 in Lillehammer mit 13 Jahren und 83 Tagen Goldmedaillen-Gewinnerin mit der Shorttrack-Staffel - war die zwölfjährige Kokona Hiraki. Die junge Japanerin holte Silber hinter ihrer Landsfrau Sakura Yosozumi, 19 Jahre alt. Olympia als Fest der Jugendlichen. 

Wenige im Verein organisiert

Das dürfte ganz im Sinne des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) sein. Das IOC hatte versucht, die Spiele für jüngere Menschen attraktiver zu machen, indem es beliebte "junge" Sportarten ins olympische Programm von Tokio aufnahm: Surfen, Sportklettern oder eben Skateboarden. So ganz neu ist diese Sportart allerdings nicht.

Mitte der 1970er Jahre schwappte die Skateboard-Welle aus den USA auch nach Deutschland über. In den 80er Jahren wurde Skateboarden zum Trend - wenn auch eher als jugendliche Subkultur denn als Leistungssport. Heute sind in Deutschland knapp 3000 Skateboarderinnen und Skateboarder in Vereinen organisiert. Das ist allerdings nur ein Bruchteil der Hunderttausenden, die auf ihren Brettern überall im Land mit dem Rollbrett Sprünge und Tricks ausprobieren.

"Dieser Sport braucht nicht zwingend irgendwelche Sportanlagen", sagt Hans-Jürgen Kuhn der DW. "Man kann ihn auf der Straße ausüben, auf jedem Parkplatz oder auch auf Treppengeländern. Man geht auch gerne in Skate Parks. Skateboarder sind einfach immer unterwegs und haben mit dem ganzen Vereinswesen relativ wenig am Hut." Der 68-Jährige vertritt das unabhängige Bündnis "Skateboard Deutschland". Kuhn ist ein deutscher Skateboarder "der ersten Stunde". Vor über 40 Jahren gründete er den ersten Berliner Verein der Artistinnen und Artisten auf dem Rollbrett.

Individualsport in Zeiten von Corona

In diesem Verein ist auch Lilly Stoephasius Mitglied, die jüngste deutsche Olympiastarterin in Tokio. Die 14-Jährige verpasste nur knapp das Finale der besten Acht, als gute Neunte. "Super cool" findet Skateboard-Oldie Kuhn ihre Leistung, glaubt aber nicht an einen neuen Boom in Deutschland durch Olympia. "Das interessiert doch kaum jemanden. Außer einem kleinen Kreis von Kaderathleten und Verbandsfunktionären." Der Skateboard-Boom sei übrigens schon längst da. "Den haben wir durch die Pandemie. Viele machen jetzt Skateboarden als individuelle Sportart, weil ihre anderen Aktivitäten nicht mehr möglich waren."

Tokio Olympia 2020 | Skateboarding | Lilly Stoephasius
Der neunte Platz bei Olympia sei "mehr, als ich mir jemals erträumt hätte", sagt Lilly StoephasiusBild: Marijan Murat/dpa/picture alliance

Anders als in den USA oder Großbritannien kann man in Deutschland mit Skateboarden nicht reich werden. "Das ist hier völlig unterentwickelt", sagt Kuhn. Bei den Männern gebe es eine Handvoll Profis, die von ihren Sponsoren für das Skateboarden ein bisschen Geld erhielten, "aber häufig nicht viel mehr als ihre Reisekosten".

Olympia-Starterin Lilly Stoephasius bekomme nur ihr Material gestellt und ein wenig finanzielle Unterstützung durch die deutsche Sporthilfe. Sie gehe ganz normal zur Schule - im Gegensatz zu Bronzemedaillen-Gewinnerin Sky Brown, die zu Hause unterrichtet werde, damit sie sich voll und ganz auf Skateboarden, Surfen und Tanzen und alle ihre Wettkämpfe konzentrieren könne. "Dieses Mädchen wird, seitdem es drei oder vier Jahre alt war, von seinen Eltern hemmungslos vermarktet", sagt Kuhn, "in einer Maschinerie, die reibungslos funktioniert. Ich glaube nicht, dass es ihr gut tut. Sie hat doch gar keine Kindheit."

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter