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Kampf um Schaltkreise

Frank Sieren
9. September 2020

Washington will den größten chinesischen Chip-Hersteller SMIC mit einem Embargo belegen. Ein Bann könnte die Halbleiter-Entwicklung in China zwar vorübergehend hemmen, jedoch nicht verhindern, meint Frank Sieren.

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China Präsentation Chip Kunpeng 920
Bild: picture-alliance/AP Photo/V. Yu

Noch ist es nur eine Drohung - aber eine, die es in sich hat: Nachdem Huawei und über 270 andere chinesische Firmen keine Technik von US-Zulieferern mehr verwenden dürfen, erwägt die Trump-Regierung nun auch, den größten chinesischen Halbleiterhersteller SMIC (Semiconductor Manufacturing International) auf die schwarze Liste zu setzen.

Der offizielle Grund: eine zu enge Zusammenarbeit mit dem chinesischen Militär. US-Zulieferer von SMIC müssen sich nun um eine Lizenz bewerben, um weiter Geschäfte mit dem Unternehmen treiben zu dürfen. Ob überhaupt und wie leicht die zu bekommen ist, entscheidet mehr oder weniger Washington. SMIC nennt die Ankündigung einen "Schock". Die chinesische Regierung spricht von "unverhohlenem Mobbing".

Schlüsselunternehmen einer Schlüsselbranche

Halbleiter sind für praktisch jede der vielen technologischen Ambitionen Chinas von grundlegender Bedeutung. Und sie sind, etwa als Teil der Mobilfunknetze, entscheidende Faktoren für die nationale Sicherheit. Es ist also kein Wunder, dass die USA verhindern wollen, dass die chinesische Halbleiterindustrie allzu bald globale Standards setzt. Das im Jahr 2000 mit Unterstützung der Regierung gegründete Unternehmen SMIC hat für Peking eine Schlüsselstellung. Investiert haben in SMIC unter anderem die staatliche Datang Telecom Technology & Industry und der China National Integrated Circuit Industry Fonds, der 2014 von Peking als Investmentfonds für die Weiterentwicklung einheimischer Technologien gegründet wurde.

Frank Sieren *PROVISORISCH*
DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

SMIC ist von großer Bedeutung für Pekings Ziel, eine wettbewerbsfähige chinesische Halbleiterindustrie aufzubauen. Unter dem Motto "Made in China 2025" will China bis in fünf Jahren 70 Prozent seiner benötigten Chips selbst produzieren. SMIC deckt momentan rund 18 Prozent chinesischen Bedarfs ab. Kein anderes Unternehmen trägt mehr bei zu den ambitionierten Vorgaben Pekings.

Trotzdem hinkt SMIC den meisten internationalen Branchenführern hinterher, sei es was das technologische Niveau, sei es was das Produktionsvolumen angeht. Der taiwanesische Weltmarktführer TSMC etwa ist SMIC laut Expertenschätzungen bei der Entwicklung und Produktion um ein bis zwei Jahre voraus. Auch ist SMIC stark auf Produktions-Maschinen von US-Herstellern wie LAM Research, Applied Materials oder KLA-Tencor angewiesen. Durch die China-Sanktionen der Trump-Regierung gegen andere chinesische Unternehmen ist der Umsatz von SMIC 2019 bereits um sieben Prozent auf 3,1 Milliarden Dollar gefallen.

China muss autonom werden

Wann und ob der Bann gegen SMIC in Kraft tritt, ist noch offen. Das US-Pentagon erklärt, dass das Verteidigungsministerium zunächst mit weiteren staatlichen Stellen beraten müsse, um eine endgültige Entscheidung zu fällen. Eines ist aber klar: Für Peking ist alleine die Drohung ein weiterer Weckruf, die heimische Chip-Industrie so schnell wie möglich autonom zu machen.

China Ji'nan | Huawei Chip
Bild: picture-alliance/dpa/Imaginechina/D. Qing

Chinas Anteil an der globalen Halbleiterproduktion liegt momentan bei gerade mal fünf Prozent. Deswegen muss China gegenwärtig noch mehr Geld für den Import von Chips als für Rohöl aufwenden. US-Konzerne machen gut die Hälfte des weltweiten Geschäfts, das sich im vergangenen Jahr auf gut 412 Milliarden Dollar belief. 2019 stammten sechs der zehn größten Chipproduzenten aus den USA.

US-amerikanische Dominanz

Auch wird fast die Hälfte des 155 Milliarden Dollar großen Marktes für Halbleiter in China von US-Firmen dominiert. Auch was die Chipdesign-Tools, die Patente und die Fertigungstechnologien angeht, ist China vor allem auf US-Firmen angewiesen. In den vergangenen 30 Jahren haben es nur drei Länder außerhalb der westlichen Welt geschafft, eine nennenswerte Chipindustrie aufzubauen: Taiwan, Singapur und Südkorea.

Doch das soll sich ändern: Im Oktober legt die Kommunistische Partei ihren 14. Fünf-Jahres-Plan vor, der eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung der Halbleiter-Industrie beinhaltet, darunter Steuer- und Zollerleichterungen sowie Investitionsanreize. Angeblich soll Chinas Präsident Xi Jinping für technologische Innovationen bereits rund 1,4 Milliarden US-Dollar zugesagt haben. Langfristig plant Peking staatseigene Chipfabriken mit einem Investitionsvolumen von mehr als 100 Milliarden US-Dollar.

Größter Absatzmarkt China

Auch die Inlandsnachfrage für Halbleiter soll weiter angekurbelt werden. Für die internationale Halbleiterbranche ist China bereits der wichtigste Markt. Kein anderes Land importiert so viele Chips wie China, wo gut ein Drittel des weltweiten Umsatzes der Branche erzielt wird. Tendenz steigend. Auf gute Beziehungen zu China setzen also alle Chip-Produzenten.

China hat seine Abhängigkeit von importierten Vorprodukten in den vergangenen 25 Jahren dabei kontinuierlich reduziert. Jedoch erst 2015 startete das Land ein Entwicklungsprogramm, um die eigene Chipindustrie langfristig auszubauen. Weil China vergleichsweise spät einstieg, versucht es nun, in Innovationsbereichen einen Vorsprung zu erzielen. Dazu gehören Chips der sogenannten dritten Generation, die für fast alle etablierten Firmen der Branche noch Neuland sind.

Marktführerschaft für Halbleiter der dritten Generation?

Halbleiter der dritten Generation sind Chipsätze aus Materialien wie Siliziumkarbid und Galliumnitrid. Sie können mit höherer Leistung und Temperatur betrieben werden und kommen häufig in militärischen Radargeräten oder Elektrofahrzeugen zum Einsatz. Da derzeit kein Land die noch junge Technologie dominiert, hat China gute Chancen einen international führenden Chip-Champion an den Start zu bringen.

China Chip Produktion
Bild: picture-alliance/dpa/Imaginechina

Weltweit führende Unternehmen wie CREE Inc. mit Sitz in den USA und Sumitomo Electric Industries Ltd. aus Japan haben gerade erst begonnen, dieses Geschäft auszubauen. Chinesische Tech-Unternehmen wie Sanan Optoelectronics Co. Ltd. und die staatliche China Electronics Technology Group Corp. haben hingegen bereits signifikante Fortschritte erzielt. Und sind die chinesischen Hersteller erst einmal konkurrenzfähig, werden sie allein schon aufgrund ihres riesigen Heimatmarkts Standards setzen.

Staatliche Subventionen auch in den USA

Doch die USA schlafen nicht. Laut neuen Plänen könnten in den kommenden Jahren 25 Milliarden US-Dollar staatliche Subventionen an amerikanische Chiphersteller fließen. Doch das heißt noch nicht, dass die USA das Rennen um die schlagkräftigste Halbleiterindustrie gewonnen haben. Denn bei allen Sanktionen und bei allem Vorsprung haben es die USA in den vergangenen Jahren nicht geschafft, einen starken Newcomer ins Rennen zu schicken.

Der langjährige Platzhirsch Intel ist längst nicht mehr so innovativ wie einst. Und dass von dem US-Bann betroffene chinesische Giganten wie SMIC und Huawei nun ihr Knowhow zusammenwerfen, um ganz neue Chips zu entwickeln, ist durchaus wahrscheinlich.