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Der große Blick nach vorne

Frank Sieren15. Juni 2015

China hofierte die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi bei ihrem ersten Chinabesuch. Myanmar ist strategisch so wichtig, dass ideologische Differenzen in den Hintergrund rückten, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Myanmars Aung San Suu Kyi bei Chinas Xi Jinping (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP

Die Bilder der China-Reise der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi sprechen für sich. Mit viel Ehren ist sie in Peking hofiert worden - und das, obwohl die Zentralregierung Themen wie Opposition, Friedensnobelpreis und Demokratie nicht gerne in China diskutiert haben möchte. Warum also nun die Charmeoffensive?

Peking zeigte sich vor allem deshalb so pragmatisch, weil das kleine Nachbarland strategisch ein wichtiger Partner für die Außenpolitik ist. Auch wegen der Aussicht, dass Suu Kyis Einfluss im November nach den Wahlen in Myanmar steigen könnte, wollte sich Xi ihr Wohlwollen nun schon frühzeitig sichern.

China ist der größte Investor in Myanmar. Rangun hat sich in der Vergangenheit von den Chinesen nicht nur das Militär, sondern auch die Infrastruktur des Landes mit neuen Straßen, Brücken und Ölpipelines ausbauen lassen. Peking will sich nun vor allem eine Abkürzung zum Indischen Ozean sichern.

China will eine Alternative zur Straße von Malakka. Der Seeweg über den Pazifik ist nicht nur 30 Prozent länger, er bietet in geopolitisch heiklen Phasen einen Angriffspunkt. Und besonders, solange die Territorialfragen im Südchinesischen Meer nicht geklärt sind, möchte China den USA keinen wunden Angriffspunkt bieten. Die könnten die Straße von Malakka mit ihrer siebten Flotte nämlich in kürzester Zeit blockieren.

Frank Sieren ist Kolumnist in China (Foto: Sieren)
Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Rebellengruppe destabilisiert Norden Myanmars

Um das zu vermeiden, hat Peking bereits eine 20 Milliarden US-Dollar teure Bahnstrecke durch Myanmar geplant. Damit das frühere Birma jedoch einen sicheren Transit auf Schienen gewähren kann, ist zunächst eine Stabilisierung der nördlichen Regionen nötig. Dort ist seit einigen Monaten die chinesischstämmige Rebellengruppe Myanmar National Democratic Alliance Army, kurz MNDAA, aktiv. Sie setzt sich für mehr Autonomie in der mehrheitlich von ethnischen Chinesen bewohnten Region ein.

Seit im März auf der chinesischen Seite der Grenze fünf chinesische Staatsbürger durch eine Bombe getötet wurden, lässt Peking Kampfjets über der Region patrouillieren. Und in diesem Monat wurden sogar Militärübungen mit scharfer Munition nahe der Grenze durchgeführt.

Auch in diesem Konflikt soll Suu Kyi nun helfen. Nach Peking und Shanghai ist sie auch nach Yunnan gefahren, wohin über 30.000 Menschen aus der Krisenregion an der Grenze geflüchtet sind. Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi ist ihrer Auszeichnung in den vergangenen fünf Tagen mehr als gerecht geworden. Mit ihrem Staatsbesuch in Peking hat sie wahrscheinlich dazu beigetragen, die Wogen an der chinesisch-myanmarischen Grenze zu glätten.

Für die Rebellen heißt es so viel wie: Schaut, sogar Chinas Präsident akzeptiert sie, vielleicht stoßen wir nach einem Führungswechsel in unserem Land bei ihr auf offene Ohren. Für China ist das Treffen Suu Kyis mit Xi Jinping nichts weniger als eine Investition in die Zukunft - in ein stabileres, konfliktfreieres Myanmar, das es unter Suu Kyi werden könnte.

Suu Kyi verlässlicher Partner für Peking

Nun hat Xi also den Ball an Suu Kyi gespielt. Er hat sie vor allem eingeladen, weil er bei ihr darauf vertrauen kann, dass sie weitsichtige und pragmatische Entscheidungen zum Wohle ihres Landes treffen wird. Damit wäre sie ein verlässlicherer Partner als der derzeitige Präsident Myanmars Thein Sein.

Aung San Suu Kyi ist keine nachtragende Frau, die der chinesischen Regierung grollt, dass sie jahrzehntelang ausgerechnet die Militärjunta finanziell unterstützt hat, die sie für 15 Jahre unter Hausarrest stellte. Man kann daher auch sagen, dass Suu Kyi die Weitsichtigere war, als sie die Einladung nach China annahm.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.