Aborigines kämpfen gegen Kohle und Klimawandel
20. Juni 2017Als Murrawah Johnson kürzlich nach Townsville fuhr, traute sie ihren Augen nicht. Vor den Toren des Great Barrier Reef in Australien waren zwei riesige Werbetafeln errichtet worden, die "Adani" anpriesen, einen indischen Bergbaugiganten. Ganz in der Nähe will der eine Kohlegrube anlegen, die ebenfalls gigantisch ist: 450 Quadratkilometer.
Johnson war auf dem Weg nach Townsville, um eine Grundsatzrede bei der größten Konferenz für sogenannte "Native Title" zu halten. Darunter versteht man die Rechtsgrundlage, nach der Ureinwohner Gebiete beanspruchen können, auf denen ihre Vorfahren lebten. Im Falle der Aborigines geht es um Landstriche, in denen sie bereits seit über 60.000 Jahren leben. Johnson hat hierzu eine besondere Bindung. Sie ist Mitglied des "Wangan and Jagalingou (W&J) Traditional Owners Council", eines Rats, der genau auf das Land Besitzansprüche erhebt, auf dem "Adani" Kohle fördern will.
Johnson ist in der Küstenstadt Townsville, im Norden des Bundesstaates Queensland, zur Schule gegangen. Trotzdem kommt die 22-Jährige heute als "Saboteurin" im übertragenen Sinne zurück. "Mein Name ist ein Synonym für ein Nein zu Adani," erklärt sie. Die Stadt ist das Epizentrum der Bemühungen um die Ausbeutung des Galilee-Beckens. 21 Milliarden Australische Dollar (14,1 Milliarden Euro) sollen fließen, um die Carmichael-Kohlegrube zu erschließen.
Das Hauptargument lautet: Es werden viele Jobs geschaffen. Die Kehrseite der Medaille ist der zu erwartende CO2-Ausstoß. Würde Queensland seine Kohle-Exporte verdoppeln, würden gleichzeitig 120 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich in die Atmosphäre geblasen und damit den Klimawandel vorantreiben. Vor der Haustür liegt auch das Great Barrier Reef, ein ohnehin vom Klimawandel gebeuteltes Areal, das ebenfalls weiter in Mitleidenschaft gezogen werden würde. Ganz abgesehen von den Touristen, die wegen des Naturwunders kommen und wegbleiben würden, wenn hier eine riesige Kohlegrube entsteht. Tourismus ist der wichtigste Arbeitgeber in der Region, sagen Umweltschützer wie Bob Brown, ein ehemaliger Abgeordneter der Grünen im australischen Parlament.
In Townsville selbst wird kaum darüber gesprochen, ob die Jobversprechen realistisch sind oder nicht. Die Stadt leidet unter hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalität. "Adani" behauptet, mittelbar und unmittelbar 10.000 neue Jobs zu schaffen. Experten zweifeln diese Zahl allerdings an und gehen von nur rund 1400 neuen Arbeitsplätzen aus, die durch die neue Grube entstehen würden.
Standhaft gegen Kohleförderung
Der Konflikt zwischen W&J und "Adani" schwelt schon seit 2012. Damals hatte die Firma erstmals beantragt, auf Wangan- und Jagalingou-Land sechs Tagebaue und fünf Untertagebaue anzulegen. Mitglieder des Klans haben sich allerdings auch damals schon geweigert, die notwendige Zustimmung zu erteilen - selbst gegen den Druck der Regierungen von Queensland und Australien.
"Wir haben nicht zugestimmt. Wir werden nicht zustimmen. Und wir werden bis zum Ende dagegen kämpfen", sagte Johnson 2015 auf der Wall Street in New York. Sie war damals weltweit unterwegs, um die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren und Banken zu bewegen, das Bergbauprojekt nicht zu finanzieren. Viele internationale Banken haben seitdem versprochen, keine finanzielle Unterstützung zu leisten.
In der Zwischenzeit sammelte "Adani" Unterstützer für die Mine bei den Aborigines. Ebenfalls erfolgreich, denn so wurde das "Indigenous Land Use Agreement" (ILUA) geschaffen, ein Abkommen, dass es "Adani" erlauben würde, das Land der Aborigines zu nutzen.
Nachdem W&J-Mitglieder das Abkommen angefochten hatten, erklärte ein australisches Gericht das ILUA im Februar für ungültig, weil es nicht von allen ursprünglichen Besitzern unterzeichnet worden war. Das Abkommen sei durch einen "betrügerischen Prozess" zustande gekommen, hieß es. Außerdem sei es teilweise durch finanzielle Anreize erreicht worden.
Heute ist der Konflikt ein Wechselspiel. Erst kürzlich hat die australische Regierung erfolgreich den "Native Title Act" geändert und spielt nun "Adani" in die Hände. Das Unternehmen kann in Zukunft Landnutzungsabkommen auch ohne einstimmige Zustimmung aller Parteien, die einen Native-Title-Anspruch haben, abschließen.
Dagegen hat sich W&J wiederum zur Wehr gesetzt. Nun kann die Mine nicht vorangetrieben werden, bis der Fall vor einem Bundesgericht gehört wurde. Das wird aber erst im März 2018 geschehen.
"Wir sagen, hier ist Schluss. Wir erklären unser Recht auf unser Land. Wir werden nicht aufgeben. Es gibt keine Einigung über eine Nutzung des Landes", sagt der W&J-Stammesälteste Adrian Burragubba. Daraufhin zog Craig Dallen, ebenfalls ein Vertreter der Wangan und Jagalingou, seine Unterstützung für die ILUA zurück. Das Abkommen entschädige nicht angemessen für "die Zerstörung, die das Projekt an der traditionellen Kultur und dem Land unseres Volkes anrichten wird", sagt er.
"Adani" schreckt das nicht. Das Unternehmen hat selbst angesichts der bestehenden Unsicherheiten in Townsville ein Büro eröffnet. Es soll ein Symbol dafür sein, dass es mit der Mine vorangeht. Einen Tag nach Eröffnung bestätigt "Adani" in einer Stellungnahme einmal mehr, dass es an der Durchführung des Projekts festhält.
Wer profitiert wirklich?
Murrawah Johnson wuchs in der Bowenbecken-Region auf, die landeinwärts von Townsville liegt. In dem Gebiet liegen die größte Kohlereserven Australiens. Der Kontinent ist der drittgrößten Kohlelieferant der Welt. So wie Johnsons Mutter leben viele Aborigines zwischen den vielen riesigen Tagebauen in der Region. Sie sind Zeugen der "gewaltsamen Ausbeutung, die andere Menschen nie sehen müssen", sagt Johnson.
Zwar verspricht "Adani", sich an Umweltauflagen zu halten und die natürlichen Ressourcen zu schützen. Aber Umweltschützer und W&J fürchten um die Sicherheit der Doongmabulla-Quellen und des Carmichael-Flusses. Die Gewässer hängen mit dem Großen Artesischen Becken zusammen, Australiens größtem unterirdischen Wasserreservoir. Die Kritiker verweisen auf "Adanis" Geschichte in Indien. Hier habe das Unternehmen beim Umweltschutz keine gute Figur gemacht.
"Die Mine wird Milliarden Liter Grundwasser verbrauchen und verschmutzen. Sie wird wichtige Quellensysteme zerstören", sagte der W&J-Stammesälteste Burragubba bereits 2015. "Sie wird buchstäblich ein riesiges schwarzes Loch von monumentalen Ausmaßen in unserer Heimat hinterlassen. Diese Effekte sind unumkehrbar. Sie werden unser Land verschwinden lassen."
"Adani" und australische Parlamentarier versprechen Milliardeneinnahmen für die australische Wirtschaft, die dann in Infrastruktur, Schulen und Krankenhäuser fließen würden. Aber nach jahrzehntelangem Bergbau in der Region hätten die Aborigines nicht so profitiert, wie es Firmen wie "Adani" versprochen hätten, sagt Johnson. Deren Gemeinden leben noch immer in tiefer Armut, hier gibt es die weltweit höchste Selbstmordrate unter jungen Männern, und auch die Lebenserwartung ist niedrig.
"Ich kenne kein Beispiel, bei dem Bergbau dafür gesorgt hat, dass es einer Gemeinde sozial, wirtschaftlich oder politisch besser geht", sagt Johnson. "Das gibt es nicht."
Die Argumente für die Mine konzentrieren sich weiterhin auf das Versprechen von Jobs und ignorieren die Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel. Für Johnson ist es die Aufgabe von W&J, für ihr Land zu sprechen und die "größte Geschichte von Nachhaltigkeit auf der Welt" weiterzuführen.
"Wir sprechen über unsere Totems", sagt Johnson, "über Wasser und Land, weil sie nicht für sich selbst sprechen können."