Sexuelle Übergriffe im US-Kongress
15. November 2017Bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus in Washington sagte die Abgeordnete Jackie Speier (Artikelbild), nach ihren Informationen hätten sich mindestens zwei derzeitige Parlamentarier "sexueller Belästigung" schuldig gemacht. Namen wollte die Demokratin nicht nennen. Einer der beiden gehöre ihrer eigenen Partei an, der andere sei Republikaner.
Speier hatte Ende Oktober berichtet, dass ihr selber einst als Kongressmitarbeiterin von einem Vorgesetzten ein Kuss aufgezwungen worden sei. Unter dem Stichwort "#MeTooCongress" forderte sie frühere und aktuelle Kongressmitarbeiter auf, ebenfalls derartige Vorfälle publik zu machen.
Training gegen Belästigung
In der Ausschussanhörung ging es um Reformen im Repräsentantenhaus, mit denen es den Opfern erleichtert werden soll, sexuelle Übergriffe zu melden. Auch die Einführung von obligatorischen Seminaren für Abgeordnete, Mitarbeiter und Praktikanten zur Vermeidung solcher Übergriffe wird geprüft. Der Senat hatte ein solches Vorgehen bereits in der vorigen Woche beschlossen.
"Unser Ziel ist nicht nur, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, sondern auch eindeutig klar zu machen, dass Belästigung jeglicher Art keinen Platz in dieser Institution hat, erklärte der Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner Paul Ryan.
Ex-Richter auf der Anklagebank
Die Debatte um diese Reformen gewinnt zu einem Zeitpunkt an Fahrt, zu dem ein prominenter Kandidat für den US-Senat mit Vorwürfen der Belästigung und des Missbrauchs von Minderjährigen konfrontiert ist. Der ultrakonservative Ex-Richter Roy Moore wird von fünf Frauen beschuldigt, in den 1970er-Jahren gegen sie übergriffig geworden zu sein oder ihnen nachgestellt zu haben, als sie noch Teenager waren.
Trotz der Aufforderung des Republikaner-Chefs im Senat, Mitch McConnell, weigert sich der Rechtsaußen-Politiker jedoch, seine Kandidatur bei einer Nachwahl im Dezember zurückzuziehen. Er bezeichnete die Anschuldigungen kategorisch als falsch.
Parteiintern gerät Moore jedoch immer weiter unter Druck. Auch der Repräsentantenhaus-Vorsitzende Ryan bezeichnete die Anschuldigungen gegen den 70-Jährigen als glaubhaft. Dieser müsse sich aus dem Rennen zurückziehen. Bei der Abstimmung im Dezember geht es um die Nachbesetzung des Sitzes, den Jeff Sessions durch seine Ernennung zum US-Justizminister freigemacht hat.
Republikaner zwischen Macht und Moral
Der Wirbel um Moore stürzt viele Republikaner in einen tiefen Konflikt: Da sie im Senat nur einen Zwei-Stimmen-Vorsprung vor den Demokraten haben, wäre eine Niederlage ein herber Rückschlag.
Andererseits geht Moore dem republikanischen Establishment mit seinen extremen Positionen stark gegen den Strich. Er ist gegen Muslime und Homosexuelle, tritt für uneingeschränkte Waffenrechte ein und spricht sich dafür aus, "Gottes Gesetz" über die Verfassung zu stellen.
In den vergangenen Wochen sind in den USA mehrere Fälle von sexueller Belästigung durch Prominente öffentlich geworden. Ausgangspunkt waren die Vorwürfe mehrerer Frauen gegen den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein. Inzwischen beschuldigen ihn mehr als 100 Frauen, sie belästigt und vergewaltigt zu haben. Auch im Europaparlament werden Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Abgeordnete erhoben.
mak/jm (dpa, afp)