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Serbische Polizei kämpft gegen Menschenschmuggel in Richtung EU

28. Juli 2005

Die ungeklärten politischen Verhältnisse im UN-Protektorat Kosovo spiegeln sich im täglichen Leben wider. So auch an der provisorischen Grenze zu Serbien, wo zunehmend Menschenschmuggel betrieben wird.

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Serbische Patrouille an der Grenze zu KosovoBild: AP

Die Ibar-Bundesstraße, die Serbien mit dem Kosovo verbindet, ist eine der am meisten befahrenen in diesem Teil des Balkans. Vor allem Lastwagen und Busse quälen sich durch die staubigen Kurven entlang des Flusses Ibar. Die Menschen in den Fahrzeugen werden für die Strapazen der Reise durch den Blick auf die grünen Hügel und durch deftiges Essen in den Raststätten-Restaurants belohnt.

Die sieben Albaner, die wegen illegaler Einreise nach Serbien Anfang des Jahres vorübergehend festgenommen wurden, haben davon freilich nichts mitbekommen. Man habe den Lastwagen, in dem sie aus dem Kosovo geschmuggelt wurden, erst mal in das serbische Landesinnere weiterfahren lassen, erzählt der Chef der zuständigen Immigrationsabteilung der Polizei in Serbien, Bozidar Alurac. Dann habe man den Fahrer, einen Serben, angehalten. Alurac erinnert sich: „Während der Durchsuchung des Fahrzeugs wurden zwei eigens eingebaute Stauräume im Boden des Lastwagens entdeckt. In einem der Stauräume waren fünf und in anderem drei Staatsbürger der Republik Albanien. Wir glauben, dass der Täter so was schon mal gemacht hat, können es aber nicht beweisen."

Aussichtsloser Kampf

Seit nunmehr einem Jahr greift die serbische Polizei zunehmend illegale Immigranten auf. Mehr als 150, so Alurac, in diesem Zeitraum - nur in diesem Teil des Grenzgebietes zum Norden Kosovos. Staatsrechtlich gesehen ist das ja auch keine richtige Grenze. Das mehrheitlich albanische Kosovo steht seit dem Ende des Krieges vor sechs Jahren unter UNO-Verwaltung, ist offiziell eine serbische Provinz, eigentlich aber ein fast selbstständiger Staat.

Die UN-Mission im Kosovo hat in erster Linie die Aufgabe, den Frieden zu wahren, und nicht, Einreisebestimmungen für die Provinz zu erlassen, wie auch UNMIK-Sprecherin Marcia Poole bestätigt: „Gerade weil wir keinen gesetzlichen Rahmen für die Grenzkontrolle gehabt haben, konnte bis jetzt jeder in das Kosovo einreisen, der ein gültiges Reisedokument, einen Pass, hatte. Man konnte so lange bleiben wie man möchte - oder machen, was auch immer man wollte."

Ein Kommissar auf 50 km Grenze

Die serbische Polizei beklagt, sie habe immer mehr zu tun. Zudem sei die Ausrüstung schlecht. Das zuständige Amt im Städtchen Raska habe sogar kein eigenes Fahrzeug, so Ratko Mihajlovic. Mihajlovic ist der einzige Kommissar für Immigrationsdelikte in einem 50 Kilometer langen und fünf Kilometer breiten Grenzstreifen. Er berichtet: „Es gab Menschen aus Indien, aus Bangladesch, aus der Türkei, aber die meisten kommen aus Albanien. Problemlos kommen sie ohne Visum aus Albanien in das Kosovo rüber. Dort wenden sie sich an die Menschenschmuggler und bezahlen für deren Dienste viel Geld. Einige haben bis zu 1.000 Euro bezahlt, nur um über die Provinzgrenze zu gelangen. Pro Person kostet eine illegale Reise von Kosovo nach Kroatien zwischen 1.000 und 3.000 Euro. Es ist ein lukratives Geschäft geworden und es wird, so schätzen wir, weiter ausgebaut."

Fernziel Italien

Was die Schlepper verdienen, lässt sich leicht ausrechnen. Nur selten greifen sie zu so aufwendigen Schmuggelmethoden wie der verhaftete Lastwagenfahrer. Meistens werden die Kunden einfach in einen Bus nach dem südwestserbischen Novi Pazar gesetzt - zu einem Ticketpreis von umgerechnet fünf Euro. Wenn sie Glück haben, fallen sie Kommissar Ratko Mihajlovic und seinen Polizisten nicht auf und werden bei der Ankunft von Verbindungsmännern abgeholt. Und falls die Kontrolle doch kommt, haben sie einmal mehr Pech gehabt. Denn, so Mihajlovic: „Meistens sind das Menschen, die in Albanien keinen Job, kein Geld für ein normales Leben haben. Die meisten haben schon Verwandte oder Freunde in Italien und haben beim Verhör gesagt, dass ihr Endziel Italien sei. Am häufigsten wird der Weg von Kosovo über Novi Pazar, Raska, Belgrad, dann Kroatien und Slowenien nach Italien benutzt."

Bußgeld 20 Euro

Nicht nur die Hauptstraße, auch die verborgenen Wege durch die Wälder und über die Berge gehören zu Mihajlovics Revier. Und auch anderswo in Serbien werden immer wieder Gruppen von drei bis fünf Menschen entdeckt, die ohne Visum Richtung EU unterwegs sind. Das Bußgeld von 20 Euro, das die Polizisten oftmals widerwillig verhängen, können viele nicht bezahlen, weshalb sie zwei Tage im Gefängnis absitzen müssen.

Doch manche versuchen es immer wieder. Vier entschlossene Pakistaner wurden schon fünf Mal in Serbien aufgegriffen und zurück nach Kosovo geschickt. Jedes Mal seien sie aber weiter gekommen. Inzwischen seien sie vielleicht schon in Italien, schmunzelt ein Polizist. Denn die serbische Polizei darf die Illegalen nur den UN-Kollegen an der Kosovo-Grenze übergeben. Und die wiederum müssen die Menschen sofort freilassen.

Alte Autos und Flucht zu Fuß

Trotzdem loben Mihajlovic und sein Chef Bozidar Alurac die gute alltägliche Zusammenarbeit mit den UNO-Polizisten. Nur an der technischen Hilfe seitens der westlichen Länder mangele es noch, so Alurac. Der neue Computer in seinem alten Büro ist ein Geschenk des amerikanischen FBI, sein Auto ist aber 20 Jahre alt.

Die serbische Regierung hat sich wegen der potentiellen symbolischen Bedeutung lange geweigert, einen Grenzübergang zu der nach Unabhängigkeit strebenden Provinz einzurichten. Seit zwei Jahren stehen nun das Polizei- und das Zollhäuschen. Kilometerlang stauen sich an manchen Tage die Lastwagen der Spediteure auf beiden Seiten des rot-weißen Schlagbaums. Ein paar Kilometer weiter, am UNMIK-Kontrollposten, geht es ohne Pause weiter.

Der rege Handel macht den serbischen Beamten zu schaffen. Der zuständige Polizeichef in Raska, Goran Todorovic, betont: „Typisch für das Gebiet in letzter Zeit ist der Schmuggel von Zucker, Kaffe und Fleischwaren aus dem Kosovo nach Serbien. Aus Serbien ins Kosovo wird weniger geschmuggelt, meistens alkoholische Getränke. Die Preise sind im Kosovo niedriger, dort gibt es nämlich noch nicht so strenge Kontrollen, so dass Waren aus aller Welt ohne Abgaben eingeführt werden. Es kommt zu Veränderungen auf dem Markt und die Preise fallen. Dann wird bei uns, wo es teurer ist, verkauft."

Gegen die Einheimischen, die in alten Autos ein paar Zuckersäcke mitschleppen, gehe man normalerweise nicht vor, gibt ein Beamter am Grenzübergang Rudnica zu. Nur die Lastwagen würden überprüft. Und einmal, so bemerkt er stolz, habe er sich mit einem fliehenden Fahrer eine Jagd im Hollywood-Stil geliefert. Der habe kehrt gemacht Richtung Kosovo, dann vor dem UNMIK-Kontrollposten seinen LKW stehengelassen und sei zu Fuß in Richtung Berge entkommen. Aber den LKW hätten sie nach Serbien zurückgeholt, so der Grenzbeamte.

Filip Slavkovic

DW-RADIO/ Serbisch, 25.7.2005, Fokus Ost-Südost