1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Serbien will ICTY Akteneinsicht in Staatsarchive gewähren

9. Februar 2006

Chefanklägerin Carla del Ponte hat Serbien erneut aufgefordert, die Fahndung nach flüchtigen Kriegsverbrechern zu verschärfen. Belgrad kündigte zusätzliche Anstrengungen an – die Annäherung an die EU steht auf dem Spiel.

https://p.dw.com/p/7xk0
Wann erscheint Ratko Mladic endlich in Den Haag?Bild: AP

Bei einem Besuch in Belgrad zu Beginn der Woche hatte Frau del Ponte erklärt, die Festnahme des wegen Kriegsverbrechen gesuchten ehemaligen Militärchefs der bosnischen Serben, Ratko Mladic, sei die wichtigste Aufgabe der serbischen Behörden. Zugleich bemängelte die Chefanklägerin des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, dass seit April 2005 kein mutmaßlicher Kriegsverbrecher verhaftet oder ausgeliefert worden sei. Auf der Liste stehen jedoch noch sechs angeklagten serbischen Kriegsverbrecher. Die Zusammenarbeit mit dem ICTY gilt als wichtiges Kriterium für die Fortsetzung der Verhandlungen über die Annäherung Serbien-Montenegros an die EU.

Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendiensten geplant

Dennoch musste Frau del Ponte Belgrad nicht unzufrieden verlassen. Zum einen sicherte man ihr Zugang zu den bislang geheim gehaltenen Armeedokumenten über die Kriege im ehemaligen Jugoslawien zu. Zum anderen wurde während ihres Besuches über eine Zusammenarbeit zwischen westlichen und serbischen Nachrichtendiensten gesprochen. Demnach soll ein gemeinsames Team gebildet werden, dessen Angehörige gleiche Befugnisse erhalten - bis auf Verhaftungen, die in die Zuständigkeit der serbischen Behörden falle.

Kritik von serbischen Analysten

Der serbische Militäranalyst Zoran Dragisic meint, dass die serbischen Behörden mit diesen Maßnahmen nur Zeit gewinnen wollen: "Wenn der flüchtige ICTY-Angeklagte Ratko Mladic nicht bis März vor dem ICTY erscheint, wird del Ponte den Abbruch der Verhandlungen mit der EU für das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen fordern." Dragisic zufolge sei ein gemeinsames Team nachrichtendienstlicher Mitarbeiter für Serbien nicht gut. "Ich bin nicht gegen die Zusammenarbeit von Nachrichten- und Sicherheitsdiensten. Ich denke vielmehr, sie ist erforderlich für den Erfolg im Kampf gegen Terrorismus und organisiertes Verbrechen. Wenn Sie jedoch einen Angeklagten auf ihrem Territorium verhaften sollen und dafür die Hilfe ausländischer Nachrichtendienste anfordern, stellt sich generell die Frage, wie es überhaupt um unsere Fähigkeit bestellt ist, sich dem internationalen Kampf gegen den Terrorismus anzuschließen – vor allem, wenn wir es nicht geschafft haben, einen Mann wie Mladic zu verhaften, der sich bis 2002 in Militärobjekten versteckte. Dann stellt sich doch die Frage, was wir im internationalen Austausch anbieten können und ob die Regierung in Serbien dadurch nicht ihre Machtlosigkeit eingesteht", so Dragisic.

Verpasste Gelegenheiten

Auch Aleksandar Radic, ebenfalls Militäranalyst, meint, dass Belgrad Zeit gewinnen will. "Es wird aber sehr bald erneut Druck ausgeübt, weil immer noch nicht mit Gewissheit gesagt werden kann, ob sich Mladic bald in Den Haag einfinden wird. Es sind Jahre vergangen, in denen sehr wenig getan wurde, bei jedem Schritt von Belgrad gab es Zugeständnisse aus Brüssel, und so wird die EU weiterverfahren." Seit 2002 behaupteten die Behörden in Serbien, nicht feststellen zu können, wo sich Mladic befinde. "Dass Belgrad Zeit gewinnen will, ist nicht etwa ein Zeichen dafür, dass Informationen zusammengetragen werden müssen, sondern eine politische Einstellung noch aus der Vergangenheit, nach der es gar nicht erst zu Auslieferungen kommen soll", meint Radic. Ihm zufolge hätten die zuständigen Behörden vor 2002 zwar die Gelegenheit gehabt, "das Problem Mladic zu lösen. Dass diese Gelegenheit verpasst wurde, bedeutet nur: einen Teil der Verantwortung tragen die Menschen an der Spitze der Regierung Serbiens."

Nebojsa Jakovljevic
DW-RADIO/Serbisch, 7.2.2006, Fokus Ost-Südost