Senegal: Prozessauftakt gegen Habré
17. Juli 2015Es ist eine Revolution: Erstmals steht ein Ex-Staatschef aus Subsahara-Afrika vor einem Gericht in Afrika. Ab Montag muss sich Tschads Ex-Diktator Hissène Habré vor einem Sondergericht in Senegals Hauptstadt Dakar verantworten. Dem 72-Jährigen werden Kriegsverbrechen, Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Der Prozess gilt als Präzedenzfall für die Justiz in Afrika: Bislang wurden alle ähnlichen Fälle an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überwiesen. Für Habré ist der aber nicht zuständig, weil er laut Statut nur über Straftaten verhandeln kann, die nach 2002 begangen wurden.
Seine Opfer hoffen jetzt endlich auf Gerechtigkeit. "Ich wurde 1985 verhaftet", berichtet Nadjingaye Toura Ngaba. Er lebt in Tschads Hauptstadt N'Djamena. Mehr als zwei Jahre lang habe er im Gefängnis gelitten. "Jeden Tag haben sie mich gefoltert - mit Schlägen oder Elektroschocks, die Narben habe ich immer noch." Zum Prozess kann Ngaba zwar nicht: Dakar ist mehr als 4000 Kilometer entfernt. "Aber meine Freunde sind dort und das macht mich glücklich - es ist, als wäre ich selbst dabei."
Hissène Habré war von 1982 bis 1990 Präsident des Tschad. Er gründete die berüchtigten Polizeikräfte DDS (Direction de la Documentation et de la Sécurité), die die Bevölkerung terrorisierten. Menschenrechtorganisationen sprechen von Verhaftungen, Folter - und von 40.000 Toten. Das brachte Habré den Beinamen "Pinochet von Afrika" ein.
Gegen den Ex-Diktator werden von Montag an etwa 2500 Zeugen aussagen. Dem Gericht sitzt Gberdao Gustave Kam aus Burkina Faso vor. Die beiden anderen Richter stammen aus dem Senegal. Habré selbst, der in Dakar in Haft sitzt, erkennt das Gericht nicht an und hat angekündigt, den Verhandlungen fern zu bleiben.
Hohe Erwartungen an den Prozess
Souleymane Guengueng ist trotzdem nach Dakar gekommen. Auch er wurde einst von Habrés Schergen gefoltert. Nach dem Sturz des Diktators schloss er sich mit anderen Betroffenen zusammen. Gemeinsam sicherten sie Beweise, befragten Angehörige von Ermordeten und sammelten Zeugenaussagen. 25 Jahre lang habe er für diesen Prozess gekämpft, sagt er. "Jetzt ist der Moment gekommen, an dem die ganze Welt erfahren wird, was Habré und seine Polizei dem tschadischen Volk angetan haben." Er wolle keine Rache - sondern Gerechtigkeit.
Habrés Herrschaft hat ein traumatisiertes Volk zurück gelassen, das noch immer unter der Gewalterfahrung leidet. "Es geht hier auch um uns, die Söhne und Töchter dieses Landes", sagt Palpal Galilé. Er studiert an der Universität von Tschads Hauptstadt N'Djamena Politik und Jura. "Indirekt sind auch wir Opfer geworden." Er hoffe, dass dieser Prozess ausgewogen und unparteilich verlaufe. Das sei nun sehr wichtig für die Demokratie im Tschad. Seine Freundin Gislaine pflichtet ihm bei. "Als kleines Mädchen habe ich damals mitbekommen, welche furchtbaren Dinge Habré den Menschen im Tschad angetan hat. Deshalb ist es richtig, dass er dafür bezahlt."
Senegal blockierte Jahre lang
Lange hat es gedauert, bis sich Senegal zu dem Prozess durchringen konnte: Das westafrikanische Land hatte Habré vor 22 Jahren aufgenommen, nachdem er vom jetzigen Präsidenten Tschads, Idriss Déby, aus dem Amt geputscht worden war. Im Senegal führte er ein angenehmes Leben, bewohnte ein eigenes großes Haus und genoss besonderen Schutz durch die Regierung. Sie weigerte sich, Habré an Belgien auszuliefern, das ihm 2005 den Prozess machen wollte. Verhaftet wurde er erst acht Jahre später - offenbar auf Druck der USA. Zwischenzeitlich hatte auch die Afrikanische Union beschlossen, dass Habré im Senegal der Prozess gemacht werden soll.
Die senegalesische Geschichtsprofessorin Penda Mbow erwartet dennoch, dass die Justiz ihres Landes der Aufgabe gewachsen ist. "Senegal ist besser für diesen Prozess geeignet als andere Länder", sagt sie im Gespräch mit der DW. "Wir hoffen auf einen ausgewogenen Prozess, der nicht nur das Image, sondern auch die Gerichtsbarkeit in Afrika stärkt."
Der Prozess werde Habrés Opfern Erleichterung bringen, sagt die senegalesische Soziologin Marie Angélique Savané. Und er habe auch starken Symbolwert, weil sich erstmals ein Ex-Diktator in Afrika selbst verantworten müsse. Trotzdem warnt sie vor zu viel Euphorie: "Der Prozess ändert nichts am diktatorischen Verhalten mancher Staatschefs, die glauben, dass sie bis an ihr Lebensende an der Macht bleiben und die auch nicht davor zurückschrecken, dafür die Verfassung zu ändern."
Mitarbeit: Babou Diallo und Abdoulrazak Garba