Senegal: Die Schattenseiten des Goldrauschs
24. Januar 2024Schon am frühen Morgen beginnt der Goldrausch im Südosten Senegals. Die Hitze in der Region Kedougou ist noch erträglich und die Sonne mild. Nahe dem Dorf Samekouta parken Männer mit müden Gesichtern ihre Motorräder am Rande eines großen, felsigen Grundstücks, umgeben von Bäumen und hohem Gras. Auf ihrer Kleidung liegt rostfarbener Staub.
Die Mine besteht aus schmalen schwarzen Löchern, in denen die Bergleute mit einem schnellen Sprung verschwinden. Die Geräuschkulisse von Presslufthämmern und Stromgeneratoren überdeckt ihre spärlichen Unterhaltungen. Die Goldsucher kommen aus dem Senegal, Mali, Guinea oder Burkina Faso. In Kedougou, einer der ärmsten Regionen Senegals, treffen mehr als zwanzig Nationalitäten aufeinander.
Das meiste Gold verlässt den Senegal
Die Goldproduktion ist lukrativ: Laut einem Bericht der senegalesischen Statistikbehörde belief sie sich im Jahr 2020 auf 387,7 Milliarden CFA-Franken (590 Millionen Euro). Die Zahl wäre wohl höher, wenn der informelle Bergbau berücksichtigt würde. Schätzungen zufolge werden rund 90 Prozent des Goldes ins Ausland gebracht. Zu den offiziellen Importeuren von Senegals Bodenschätzen zählen die Vereinigten Arabischen Emirate, Puerto Rico und Australien.
Im Kleinbergbau sind die Wege andere. "Es sind meistens Malier und Guineer, die das Gold kaufen", sagt Aliou Cisse* der DW. In den Gebieten rund um sein Dorf Faranding, an den Ufern des Faleme-Flusses, hat er einst selbst Gold geschürft. Am anderen Flussufer beginnt Mali.
Der Goldbergbau in der Grenzregion zu Mali und Guinea hat eine lange Geschichte. Bauern und Dorfbewohner sind seit Jahrzehnten im Kleinbergbau tätig. Seit den 2010-er Jahren ist der Sektor stark gewachsen. In der Hoffnung auf mehr Einkommen wechselten viele Menschen von der Landwirtschaft zum Kleinbergbau auf ihrem Land. Der Ruf des Goldes zog später Arbeitsmigranten in großer Zahl an, und ausländische Unternehmen errichteten industrielle und teilmechanisierte Minen.
Landraub und Umweltverschmutzung
Doch der Goldrausch brachte auch Nachteile für die Bevölkerung. Dazu gehören Landraub und Umweltverschmutzung. So erzählt Cisse der DW, sein Dorf habe viel Land verloren, seit ein chinesisches Unternehmen dort eine teilmechanisierte Mine errichtet habe. "Seit fast einem Jahrhundert hat unser Dorf auf diesem Land Ackerbau, Viehzucht und Goldbergbau betrieben", sagt Cisse. Jetzt werfen Bagger in dem Gebiet unermüdlich orangefarbene Sandhügel auf.
Der Faleme, der Grenzfluss zu Mali, sei früher kristallklar gewesen, jetzt nur noch schlammig-orange, sagt Cisse. Bergbauunternehmen leiten heute Tausende Liter Abwasser, die manchmal Chemikalien wie Quecksilber enthalten, in den Faleme. Die Anwohner können das Wasser nicht mehr trinken oder für ihr Vieh und den Gemüseanbau nutzen.
Streitigkeiten und Armut
In einer Region mit hoher Arbeitslosigkeit ist der Goldabbau zu einer unverzichtbaren Einkommensquelle geworden. Doch Anwohner beschweren sich, dass die Bergbauunternehmen nicht genügend Arbeitsplätze für Einheimische bieten würden. Außerdem würden sie nicht ausreichend entschädigt.
Laut Amadou Sega Keita, Vizepräsident des Bezirksrates von Kedougou, arbeiten derzeit rund 300.000 Menschen in den Minen, in der Regel sind es Kleinminen oder illegale Standorte. "Man findet dort Leute mit Master-Abschlüssen", so Keita zur DW.
Anfang September kam es zu einem Streit über die Einstellung von Arbeitskräften in den Minen von Khossanto. Dabei wurden zwei Menschen getötet und acht verletzt. Der Vorfall ereignete sich in der Nähe des kanadisch geführten Sabodala-Goldprojekts - der größten industriellen Goldmine in Kedougou.
Auch wenn die Region reich an Ressourcen ist, herrschen dort weit verbreitete Armut und ein Mangel an Infrastruktur. "Nur ein paar Kilometer außerhalb der Stadt Saraya gibt es keinen Strom", sagt Mahamadi Danfakha, Direktor des kommunalen Radiosenders in Saraya. "Die Menschen haben den Eindruck, dass der Staat die Augen vor ihren Forderungen verschlossen hat".
Gefahr der Radikalisierung?
Die Menschen in der Region fühlten sich im Stich gelassen, sagt auch Keita - und das könne sie anfällig machen für den Einfluss dschihadistischer Gruppen. "Derzeit gibt es keine Banken. Das Geld geht von Hand zu Hand." Auch dies spiele religiösen Extremisten in die Karten, die ihre illegalen Aktivitäten durch das Geschäft mit dem Gold finanzieren könnten.
Senegal und Mali haben eine gemeinsame Grenze von etwa 250 Kilometern. Sie ist durchlässig und schwer zu überwachen. Islamistische Gruppen stehen in Mali der Armee gegenüber, die von der russischen Wagner-Gruppe unterstützt wird.
"Der Druck rund um Kayes und ein möglicher Vormarsch von (bewaffneten) Gruppen würden die Bedrohung im Senegal verstärken", sagt Paulin Maurice Toupane, Analyst am Institut für Sicherheitsstudien Studien (ISS).
Senegal ist bisher von Terroranschlägen verschont geblieben und gilt als eines der wenigen stabilen Länder in Westafrika. Aber der Schmuggel von Gold, Waffen oder chemischen Produkten und der Menschenhandel machen Kedougou zunehmend verwundbar.
Im Senegal bestehende Schmugglernetze könnten der Grund dafür sein, dass extremistische Gruppen bisher keine Anschläge in dem Land verübt haben, sagt Bakary Sambe, Regionaldirektor der Denkfabrik "Timbuktu Institute" in Senegals Hauptstadt Dakar.
"Extremistische Gruppen haben Rückzugsräume, und der Senegal ist für sie von großem Interesse. Es gibt Kapitalfluss, Zugang zu Waffen und zum Meer", sagt Sambe.
Anti-Terror-Interventionen
Keita sieht jedoch Grund zur Hoffnung. Die senegalesische Kultur und religiöse Lehren, die von einflussreichen, gemäßigten Sufi-Bruderschaften dominiert würden, seien mit Extremismus unvereinbar. "Die Terroristen werden es schwer haben, die Bevölkerung auf ihre Seite zu bringen", sagt er.
Die senegalesische Regierung hat ebenfalls Maßnahmen zur Terrorismusprävention ergriffen und in Kedougou die Zahl der Streitkräfte und Infrastrukturprojekte erhöht.
Keita glaubt, dass dieser Ansatz nicht ausreicht. "Wir brauchen einen großen Militärstützpunkt an der Grenze, um dem Feind zu zeigen, dass wir ständig präsent sind", sagt der Bezirksratsvize aus Kedougou.
Hinweis: DW-Anfragen an das senegalesische Verteidigungsministerium und die nationale Gendarmerie blieben unbeantwortet. In einigen Gebieten entlang des Faleme-Flusses verwehren Polizei und Streitkräfte ausländischen Journalisten den Zugang, und nur wenige Bewohner sind bereit, Interviews zu geben.
*Aliou Cisse hat in diesem Beitrag einen fiktiven Namen, um ihn vor Repressalien zu schützen. Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt.
Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.