Seehofers Kampfansage kurz vorm EU-Treffen
23. Juni 2018Im Asylstreit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) legt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) beharrlich nach. Auch kurz vor dem für Merkel wichtigen EU-Treffen zum Thema gibt er ihr noch eine unverhohlene Botschaft mit. In der "Süddeutschen Zeitung" kündigte der CSU-Chef an, er werde sich nicht durch die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin davon abbringen lassen, bereits in einem anderen EU-Staat registrierte Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen.
"Man hat im Kanzleramt aus einer Mücke einen Elefanten gemacht", so der CSU-Chef, "Und es ist höchst ungewöhnlich gegenüber dem Vorsitzenden des Koalitionspartners CSU, mit der Richtlinienkompetenz zu drohen." Mit seiner Aussage bezieht sich Seehofer auf die Möglichkeit der Regierungschefin, einen Minister bei einem Verstoß gegen die von ihr vorgegebenen Richtlinien zu entlassen - in diesem Fall ihn selbst.
Auch in der Sache legte der Innenminister in der "Süddeutschen Zeitung" nach. Seine Haltung sei klar. Wenn der EU-Gipfel "keine wirkungsgleichen Lösungen" bringe, wolle er es nicht bei einem symbolischen Akt belassen. Es gehe darum, "dass man effektiv zurückweisen kann".
Merkel will Schulterschluss mit EU-Staaten
Seehofer will bereits in anderen EU-Staaten registrierte Flüchtlinge wieder dorthin zurückschicken. Dies ist auch nach den EU-Dublin-Regeln so vorgesehen - allerdings über ein geordnetes Verfahren und nicht, wie Seehofer es derzeit fordert, per Zurückweisung an der deutschen Grenze.
Der Innenminister will sein Vorhaben zur Not auch im nationalen Alleingang durchzusetzen. Merkel lehnt das ab und will bis Monatsende europäische Lösungen aushandeln. Entscheidend dafür ist nach einem ersten Treffen von EU-Staaten am Sonntag in Brüssel der Verlauf des EU-Gipfels Ende kommender Woche. Die Kanzlerin hat Seehofer davor gewarnt, bei einem Scheitern ihrer Bemühungen alleine zu handeln. Dabei verwies sie auf ihre Richtlinienkompetenz als Bundeskanzlerin.
Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) warnte den Innenminister davor, gegen den Willen der Kanzlerin Zurückweisungen an der Grenze anzuordnen. "Wenn in dieser Frage ein Minister anders als die Kanzlerin entscheiden würde, hat sie aus der Würde ihres Amtes heraus keine Wahl", so Schäuble im "Tagesspiegel".
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) schloss neue Kontrollen an den Außengrenzen seines Landes aus. "Sollte irgendeiner auf die Idee kommen, alle deutschen EU-Binnengrenzen wieder mit Schlagbäumen, Grenzhäuschen und Zöllnern zu versehen, ist das mit Nordrhein-Westfalen und auch mit mir persönlich nicht zu machen", sagte der stellvertretende
CDU-Bundesvorsitzende dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
"Das eigentliche Ziel ist, Merkel zu stürzen"
Nach Einschätzung von Linke-Chef Bernd Riexinger geht es der CSU beim erbitterten Asylstreit mit der CDU nicht um die Sache. "Ich habe den Eindruck, dass das ein Putsch von rechts gegen Merkel ist. Und dass das eigentliche Ziel ist, Merkel zu stürzen", sagte Riexinger der "Heilbronner Stimme". Als treibende Kräfte des Aufstandes gegen die Kanzlerin sieht er den CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Bundesinnenminister Horst Seehofer sei in dem Prozess sowohl Akteur als auch Getriebener.
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) rief die Union auf, ihren internen Konflikt endlich zu beenden. "Der binnenfixierte Streit, den sich CDU und CSU gerade leisten, schadet unserem Land. Ich kann nur hoffen, die beiden Parteien finden da schnell wieder heraus", so der stellvertretende SPD-Vorsitzende in der "Rheinischen Post". Zugleich wandte er sich gegen Neuwahlspekulationen angesichts des fast ausweglos erscheinenden Asylstreits: "Wir haben vom Wähler das Mandat bekommen, das Land voranzubringen. Der Koalitionsvertrag ist eine gute Grundlage für die Arbeit der Regierung. Daran halten wir uns."
Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock rief die Bundeskanzlerin auf, sich über die Haltung der CSU hinwegzusetzen. "Kanzlerin Merkel muss beim Minigipfel in Brüssel klar machen, dass ihr Europa wichtiger ist als die rückwärtsgewandte Regionalpartei aus Bayern", sagte Baerbock dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Bei dem nun anstehenden Treffen von 16 Staats- und Regierungschefs europäischer Länder zu dem Thema ist die Ausgangslage schwierig. Die EU-Staaten sind sich seit Jahren uneins in der Asylfrage, Einigkeit herrscht bislang fast nur in dem Bestreben, die EU-Außengrenzen besser zu schützen. Geht es nach Bulgarien, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, sollen sie für illegale Migranten sogar komplett abgeriegelt werden.
ie/kle (dpa, afp)