Integrationskurse offenbar kaum kontrolliert
2. Juni 2018Bundesinnenminister Horst Seehofer hat nach Informationen der "Welt am Sonntag" und der "Nürnberger Nachrichten" auch Versäumnisse des BAMF beim Thema Integration ausgemacht. In der Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages zu der BAMF-Affäre bemängelte Seehofer demnach, dass im Durchschnitt nicht einmal zehn Prozent der Integrationsträger geprüft würden. In manchen Bundesländern liege dieser Anteil sogar nur bei einem Prozent.
Das BAMF ließ eine Anfrage zu Hintergründen und Details der Aussagen des Ministers zunächst unbeantwortet. Das Innenministerium erklärte, dass Seehofer bei seinem Besuch beim BAMF in Gesprächen Anfang April „"auch ausführlich" zu den Integrationskursen Stellung genommen habe. Sein Fokus habe dabei "deutlich auf unzureichenden Kontrollen der Kurse durch das BAMF" gelegen. Er habe auch erklärt, dass hierfür zusätzliches Personal erforderlich sei und dass hieran gearbeitet werde.
Rund 1750 Träger zur Durchführung von Integrationskursen zugelassen.
Ende 2017 waren insgesamt etwa 1750 Träger zur Durchführung von Integrationskursen vom Nürnberger Bundesamt zugelassen. Dazu gehören die Arbeiterwohlfahrt, Volkshochschulen – aber auch diverse kleine Anbieter. Im vergangenen Dezember hatte das BAMF noch seine Kontrollen verteidigt: „Das Bundesamt setzt hohe Anforderungen an die Qualität seiner Träger und prüft diese – auch in Form unangekündigter Vor-Ort-Kontrollen – laufend", hieß es damals auf Anfrage. 2017 sei die Zulassung lediglich in sieben Fällen widerrufen oder abgelehnt worden.
Im selben Jahr besuchten nach offiziellen Angaben rund 340.000 Personen erstmals einen Integrationskurs, etwa 290.000 nahmen schließlich auch am Sprachtest teil. Weniger als die Hälfte von ihnen erreichte das anvisierte Sprachlevel B1, auf dem man sich beispielsweise zusammenhängend über vertraute Themen unterhalten kann. Im vergangenen Jahr lag zudem die Wartezeit für Integrationskurse bei mehr als zwölf Wochen – das selbst gesteckte Ziel waren sechs Wochen gewesen.
Schon 2014 Hinweise?
Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, nach Erkenntnissen interner Aufklärer hätten bereits im Jahr 2014 sieben BAMF-Führungskräfte von Unregelmäßigkeiten in der Bremer Außenstelle erfahren. Die Hinweise hätten sich auf "zahlreiche Fälle" bezogen, in denen es "Bevorteilungen bei Entscheidungen über syrische Asylanträge" gegeben habe, in die ein Hildesheimer Anwalt involviert gewesen sei. Auch gegen diesen Juristen ermittele laut "Spiegel" jetzt die Staatsanwaltschaft.
Plötzlich in der rechten Ecke
Unterdessen wird die Debatte auf politischer Ebene weitergeführt. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, machte den früheren BAMF-Präsidenten Frank-Jürgen Weise für die Zustände in der Behörde verantwortlich. Die nach seinem Dienstantritt 2015 neu strukturierte Entscheidungspraxis habe "zu einer systematischen Aushöhlung von rechtsstaatlichen Verfahren" geführt, schrieb Kipping in einem Gastbeitrag auf der Internetseite der Berliner Zeitung "Der Tagesspiegel". Der frühere Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), kritisierte, dass das Bundesamt nicht ausreichend auf die große Zahl der Asylanträge vorbereitet gewesen sei. Zugleich nahm er in einem Interview mit "Straubinger Tagblatt" und "Landshuter Zeitung" die BAMF-Mitarbeiter in Schutz. Seinerzeit habe kaum jemand den Mut gehabt, einmal Klartext zu reden, "weil jeder befürchtete, als Kritiker der sogenannten Willkommenskultur plötzlich in der rechten Ecke zu stehen".
hf/hk (dpa, rtr, afp)