Diese Daten erklären das Plastikproblem
30. Dezember 2016Jedes einzelne Stück Plastik, das jemals produziert wurde, existiert noch heute auf Erden. Es ist sicher nicht mehr am selben Ort und wahrscheinlich nicht mehr wiederzuerkennen, aber es ist gewiss noch da, nur nicht sichtbar für die meisten von uns. Mit der weltweiten Produktion von Plastik steigt auch die Menge an "unsichtbarem" Plastikabfall irgendwo auf der Welt an.
Wieviel Plastik produzieren und verbrauchen wir?
Seit seiner Erfindung in den 1950er Jahren steigt die Produktion von Plastik fast exponentiell an. Heute fließen vier Prozent des geförderten Erdöls direkt in die Plastikproduktion, während weitere vier Prozent für die dazu benötigte Energie verbraucht werden.
Schon allein deshalb ist Plastik also nicht besonders umweltfreundlich. Hinzu kommt, dass der Großteil für Einmalprodukte verwendet wird, anstatt für eine nachhaltige Produktion.
Plastikprodukte in allen Formen gibt es heute rund um den Globus. Während jeder Mensch im Durchschnitt 45 Kilogramm Plastik pro Jahr nutzt, gibt es jedoch gravierende Unterschiede zwischen einzelnen Regionen.
Mit einem Anteil von 26 Prozent mag China der größte Plastikproduzent sein, den größten Verbrauch hat jedoch das Nachbarland Japan. Die Menschen des Inselstaats haben einen Verbrauch, der sogar höher liegt, als alle anderen asiatischen und afrikanischen Staaten zusammen.
Was passiert mit dem Plastikmüll?
Je nach Land landen rund 22 Prozent bis 43 Prozent des Plastikabfalls auf der Müllhalde.
Wie viel Plastikabfall ein Land im Schnitt recycelt, dazu gibt es keine weltweit einheitlichen Erfassungen. Dem Großverbraucher Japan etwa muss man zugute halten, dass es mit 77 Prozent eine der weltweit höchsten Recycling-Raten hat. So viel recyceln bei weitem nicht alle Länder: Die Europäische Union, die sonst bei Umweltaspekten oft Vorreiter ist, recycelt nur 26 Prozent ihres Plastikabfalls.
Allerdings ist Recycling nicht gleich Recycling. Die Hälfte des Plastik-Recycling-Abfalls exportiert die EU ins Ausland. Der Großteil davon wird von China importiert. Was dort damit passiert, ist unbekannt: Es gebe keine schlüssigen Nachweise über den Verbleib des importierten Materials nachdem es China erreicht habe, so ein Bericht der International Solid Waste Association.
Eines jedoch ist klar: Plastikmüll bleibt nicht nur an Land. Ein Teil davon landet im Meer. Hier verursacht er Schäden von mindestens 13 Milliarden US-Dollar (ca. 12,3 Mrd. Euro) pro Jahr.
Knapp die Hälfte des Plastikmülls im Meer stammt aus den Küstenregionen von nur fünf Ländern: China, Indonesien, Philippinen, Vietnam und Sri Lanka.
Wo befindet sich das Plastik im Ozean und welche Auswirkungen hat es?
Mit dem Ozean greift Plastik in das wichtigste Ökosystem unseres Planeten ein. Partikel finden sich an der Wasseroberfläche und am Meeresgrund, im Sediment, im Wasser - überall zwischen dem Südpazifik und dem Packeis der Arktis.
Unabhängig davon, wo im Meer sich das Plastik befindet, fest steht: Die Menge ist zu groß und die meisten Partikel zu klein, um sie je einfach einsammeln zu können.
Umso wichtiger wird die Frage: Welche Auswirkungen hat das Plastik da, wo es ist? Schließlich trifft es in jeder Tiefe des Ozeans auf Lebewesen. Eine Untersuchung im Jahr 2014 hat gezeigt, dass 267 verschiedene Spezies Plastik aufgenommen oder sich darin verfangen hatten.
Plastik ist längst zu einem festen Bestandteil der Ozeane geworden. Fünf Billionen Plastikteilchen schwimmen an der Meeresoberfläche. Die große Mehrheit davon sind sogenannte Mikroplastik-Partikel: Teilchen, die kleiner als fünf Millimeter sind.
Die Hälfte davon sammelt sich in Müllstrudeln, von denen es weltweit fünf gibt. Allerdings sind das keine Müllteppiche, die auf der Oberfläche treiben. Eher ist es eine dünne Suppe vieler — vor allem sehr kleiner — Teilchen, die in den Strudeln konzentrierter ist, als im Rest des Ozeans.
Diese Strudel sind untereinander verbunden, sodass früher oder später eigentlich jedes Plastikteil eine Reise um die Welt macht. Wie lange diese Weltreise dauert, hängt davon ab, wann und wo das Teilchen ins Meer gelangt und wie schwer es ist. Auf der Seite Adrift kann man eine virtuelle Gummi-Ente ins Meer werfen und sich in einer Simulation ihren wahrscheinlichsten Weg berechnen lassen.
Auf seiner echten Reise begegnet Mikroplastik unter anderem Plankton — eine Begegnung mit weitreichenden Folgen, denn von hier gelangt der Kunststoff in die Nahrungskette. Fische fressen es, Wale und Muscheln nehmen es auf, während sie große Wassermengen filtern. So kommt es, etwa in Form von gebratenem Hering oder gedünsteten Miesmuscheln, zu uns zurück.
Doch das Plastik landet nicht nur auf dem Teller, sondern im Ganzen oft auch an den Stränden. Von den zehn häufigsten Gegenständen, die Freiwillige für die Organisation Ocean Conservancy weltweit auflesen, waren 2015 sieben aus Plastik: darunter Plastikflaschen, Essensverpackung, Flaschenverschlüsse, Strohhalme und Plastiktüten.
Sogar in der Tiefsee, einem der unwirtlichsten Orte der Welt, entdecken Forscher nahezu unversehrte Kunststoffflaschen. Weil hier nur wenig Licht hingelangt und der Sauerstoffgehalt niedriger ist, zerfällt das Plastik besonders langsam. Auf einigen Expeditionen entdeckten Forscher Exemplare, die in den 1960er Jahren produziert wurden.
Zerfällt der Kunststoff, verschwindet er natürlich nicht einfach, egal, wie lange der Prozess dauert. Irgendwann entstehen dabei kleinste Mikroplastik-Partikel, die ein neues Leben beginnen. Forscher fanden auf Partikeln aus dem Mittelmeer mikroskopisch kleine Organismen wie Wimpertierchen, Algen, Bakterien und Pilze. Sie bedecken die ganze Oberfläche der kleinen Teilchen und verwandeln sie in eigene kleine Ökosysteme.
Die Plastikteile reisen also nicht allein. Stattdessen werden sie zum Transportmittel für kleinste Arten auf ihrem Weg um die Welt.
Welche Lösungsansätze gibt es?
Aber es gibt auch einen kleinen Lichtblick aus der Natur: In den Miniatur-Ökosystemen auf Mikroplastik-Teilchen haben Biologen Bakterien entdeckt, die das Plastik wie einen Film überzogen haben. Im Labor fanden sie heraus, dass diese Bakterien Plastik vollkommen zersetzen und so unschädlich machen können.
Obwohl das wie die Wunderwaffe gegen den Plastikmüll im Meer klingt, winken Forscher ab: Zu groß sei die vorhandene Menge, als dass die Bakterien sie allein beseitigen können.
Ein zweiter Ansatz ist, Plastik anders zu produzieren, sodass es biologisch abbaubar ist. Experten kritisieren, dass das jedoch derzeit eher eine Marketingstrategie ist. Tatsächlich wäre das Bioplastik nur bei 50 Grad Celsius abbaubar — einer Temperatur, die sich kaum im Ozean findet. Gleichzeitig sei dieses Plastik schwerer, würde von der Oberfläche absinken und somit weniger UV-Strahlung ausgesetzt, die den Abbauprozess beschleunigen könnte.
Die dritte Idee ist, mehr zu recyceln — und verbindliche Standards zu schaffen. Doch bis heute gibt es keine einheitliche und weltweite Erhebung, wer wie viel Plastikmüll erzeugt, welcher Anteil recycelt wird (und wie genau Recycling definiert wird), was auf Müllhalden landet und wieviel in die Ozeane wandert. Erst im Jahr 2009 legte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen eine Richtlinie für die Beurteilung und Datenerhebung dazu vor.
Forscher fordern eindringlich, dass es höchste Zeit ist, Recyclingraten zu verbessern: Ändere sich bis 2025 nichts, verzehnfache sich die Menge an Plastik, die jährlich ins Meer gelangt, auf mehr als 80 Millionen Tonnen.
Das Recycling großes Potenzial hat, haben Umweltorganisationen bereits gezeigt: Aus fünf recycelten PET-Flaschen können genug Fasern für ein T-Shirt gewonnen werden.
Das Recycling von 100 Millionen Mobiltelefonen spart genug Energie, um fast 200.000 Haushalte in den USA für ein Jahr mit Energie zu versorgen.
Und alte Plastikbecher bekommen als Abfalleimer, Parkbänke, Spielplatzgeräte oder Kayaks eine zweite Chance.E
Die Idee mit dem größten Potenzial ist jedoch eine andere: Weniger Plastik zu verbrauchen. Sie stößt verständlicherweise auf wenig Gegenliebe in der Plastikindustrie, die im Jahr 600 Milliarden US-Dollar Umsatz erwirtschaftet. Umso wichtiger ist es, dass Regierungen entscheiden, Plastiktüten oder Einweg-Besteck zu verbannen.
Zwar ließe der Verzicht eines kleines Landes wie São Tomé & Príncipe den weltweiten Plastiktüten-Zähler nur wenig langsamer laufen. Aber ein gutes Vorbild ist es allemal.
Und wenn ein ganzes Land es schaffen kann, dann kannst Du das auch!?