Vettels furiose Aufholjagd beim Heimrennen
28. Juli 2019Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahme. "Ich hab‘ zwischendurch die Hand rausgehalten, um zu sehen, wie stark der Regen war. Und ich hab‘ auf die Zuschauer geschaut, ob die Regenschirme noch draußen waren, weil keiner will so richtig nass werden", erklärte Sebastian Vettel seine Reifentaktik nach einem turbulenten Regenrennen. "Es war sehr schwer einzuschätzen. Man hat nicht richtig erkennen können, ist es trocken, ist es nass."
"Regengott" Vettel erlebte ein hoch emotionales Rennwochenende beim vorerst letzten Formel-1-Rennen in Deutschland. Ein Problem mit dem Turbolader hatte ihm im Qualifying gestoppt, er musste vom 20. und damit letzten Rang starten. Das Wetter könne "helfen", hatte Vettel vor dem Start gesagt, "der Regen wird das Rennen durcheinanderbringen", prophezeite der viermalige Weltmeister.
Safety Car rückte schon vor dem Start aus
Zwei Stunden vor dem Rennen setzte starker Niederschlag ein, alle Fahrer rollten mit Regenreifen in die Startaufstellung. Nach der Aufwärmphase über mehrere Runden mit dem Safety Car entschied sich die Rennleitung für einen normalen, stehenden Start, es wurde der Auftakt eines turbulenten Nachmittags.
Weltmeister und derzeitige Gesamtführende Lewis Hamilton hielt die Spitze souverän, dahinter verschwand das Feld in einer Gischtwolke. In dieser arbeitete sich Vettel schon in der ersten Runde sechs Plätze vor und lag auf Platz 14, machte in der folgenden Runde zwei weitere Positionen gut, dann rief ein Unfall von Sergio Perez das Safety Car auf die Strecke.
Vettel kam sofort an die Box und holte sich Intermediate-Reifen, da die Strecke bereits weniger nass war, und fast das gesamte Feld traf noch während der Safety-Car-Phase die gleiche Entscheidung. Zunächst machte Vettel nun problemlos weitere Plätze gut, doch auf Rang acht war plötzlich erstmal Schluss: Der Ferrari kam nicht an Kimi Räikkönen vorbei.
Valtteri Bottas, Lewis Hamilton, Charles Leclerc - alle landeten im Kiesbett
Und während Vettel etwa bis zur Rennhälfte im Mittelfeld fest steckte, baute Hamilton an der Spitze seinen Vorsprung vor Rennstallkollege Valtteri Bottas und Max Verstappen aus - doch auch für den Engländer hielt dieser Grand Prix noch eine böse Wendung bereit. Zunächst aber verlor Vettels Rennstallkollege Charles Leclerc die Kontrolle und kam im Kiesbett zum Stehen, erneut rückte das Safety Car aus.
Augenblicke später geriet auch Hamilton ins Rutschen, verlor unter dem Jubel der deutschen Fans seinen Frontflügel bei einem Kontakt mit der Bande - und hatte noch Glück dabei. Er konnte weiterfahren, und das Missgeschick geschah unmittelbar vor der Boxeneinfahrt. So konnte der Engländer sich gleich eine neue Nase holen, verlor dabei aber eine Minute und war nur noch Fünfter. Zudem hatte er bei der Einfahrt abgekürzt und kassierte eine Fünf-Sekunden-Strafe.
An der Spitze nun: Verstappen vor dem zweiten deutschen Piloten, Nico Hülkenberg, der im 168. Rennen seiner Karriere plötzlich in Sichtweite zu seinem ersten Podium lag - und nur Minuten später ebenfalls in der Bande landete. Erneut bekamen die Zuschauer das Safety Car zu sehen, erneut rückte das Feld zusammen.
Sechster Podestplatz für Sebastian Vettel
Da nun kein Regen mehr erwartet wurde, wechselte das Feld auf Slicks, Hamilton musste seine Strafe absitzen und fiel sogar hinter Vettel zurück. Die turbulente Schlussphase war eröffnet. Verstappen lag mit großem Vorsprung in Führung, dahinter hatte der verrückte Rennverlauf den Russen Daniil Kwjat aus Russland und dem Kanadier Lance Stroll auf die Plätze zwei und drei gespült.
Vettel fuhr nun einige schnellste Runden, Hamilton dagegen leistete sich einen weiteren Dreher, die Menge johlte, der Brite landete am Ende des Feldes. Und wenig später flog Bottas an gleicher Stelle ab, die Menge johlte erneut, und Mercedes-Teamchef Toto Wolff fluchte in der Box vor sich hin. Ein letztes Mal kam das Safety Car, und als das Rennen wieder freigegeben war, flog Vettel noch bis auf Rang zwei vor.
Es war sein sechster Podestplatz in dieser Saison, dieser hier am Hockenheimring war aber sein umkämpftester: "Das hat extrem viel Spaß gemacht, die Bedingungen waren unheimlich schwierig", so Vettel, der hinter Hamilton, Bottas und Verstappen in der WM-Gesamtwertung Vierter bleibt. "Jetzt bin ich einfach nur glücklich."