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Coe: "Wir werden Sie erwischen"

Alima Hotakie
24. April 2020

Sebastian Coe, Präsident des internationalen Leichtathletikverbands, spricht im DW-Interview über die Probleme der Athleten in der Corona-Krise, die Vorfreude auf Tokio 2021 und mögliche Dopingvergehen im Vorfeld.

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IAAF-Präsident Sebastian Coe: "Es wird weiter getestet"
Bild: Imago Images/AFLOSPORT/K. Matsuo

DW: Herr Coe, an den Olympischen Spielen in Tokio im nächsten Jahr könnten Athleten teilnehmen, die monatelang nicht richtig vorbereitet und trainiert haben. Erwarten Sie, dass diese Sportler dann in Bestform sein werden?

Sebastian Coe: Ich hoffe, dass wir als globale Gemeinschaft die Pandemie bald eindämmen können. Einige Länder müssen sich noch mit der vollen Wucht der Pandemie auseinandersetzen. Andere - zum Beispiel Deutschland - stehen das durch, aber es ist noch zu früh, um wahnsinnig optimistisch zu sein. Mein eigenes Land [Anm. d. Red.: Großbritannien] ist abgeriegelt. Ich führe dieses Interview fast 40 Tage, nachdem ich mein Büro verlassen musste und in meinem Haus eingesperrt bin.

Wie sollen die Sportler das umsetzen?

Ich hoffe aufrichtig, dass wir die Athleten noch in diesem Jahr wieder ins Training bringen können. Viele haben bereits auf Balkonen, auf Hotelkorridoren und auf der Straße trainiert. Natürlich ist es eine große Herausforderung, nicht vor die eigene Haustür laufen zu können. Wir wollen die Sportler daher so schnell wie möglich wieder in den Wettkampf bringen, aber nur, wenn wir das auch sicher tun können. Ich hoffe aufrichtig, dass die Athleten bis zum nächsten Sommer ihre Konzentration darauf ausrichten und dies alles hier hinter sich lassen.

Wenn die Ausgangssperren andauern und vielleicht sogar noch bis ins nächste Jahr hineinreichen, ist dann eine weitere Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio möglich?

Ich habe keine Kristallkugel. Niemand ist sich ganz sicher, denn es handelt sich um ein neues Virus. Das macht die Sache wirklich komplizierter. Niemand ist sich sicher, wohin es führen wird, aber ich hoffe wirklich, dass wir die vereinbarten Termine einhalten können.

Woran orientieren Sie sich?

Leichtathletik-WM Doha 2019 Frauen Finale 4 x 100 Meter USA
Wann wieder Wettbewerbe stattfinden können, ist unklar - die für August geplante EM ist abgesagtBild: Getty Images/AFP/K. Jaafar

Wir werden den Rat von Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation WHO sehr sorgfältig befolgen und sehr eng mit dem Internationalen Olympischen Komitee und anderen Sportmannschaften zusammenarbeiten. Ich habe aufmerksam zugehört, vor allem dem, was die Athleten gesagt haben. Und wenn Sie den Wünschen und den Interessen der Athleten folgen, dann wird man bei seinen Entscheidungen wahrscheinlich nichts falsch machen. Aber es ist noch zu früh, um mit Spekulationen zu beginnen.

Wollen sie den Athleten helfen, die nun finanzielle Probleme haben?

Unsere Athletenkommission hat das Thema vor einigen Tagen während einer Telefonkonferenz angesprochen, und wir haben sehr offen über die Auswirkungen [der Pandemie] auf die Athleten diskutiert. Es geht nicht nur darum, dass es zurzeit keine Wettkämpfe gibt. Die Athleten haben ihre eigenen persönlichen Sponsorschaften und Verträge. Es gibt auch Probleme mit den Sendern.

Gibt es einen Plan?

Wenn es keine Wettbewerbe gibt, gibt es auch kein Preisgeld. Das erste Ziel ist daher, zu versuchen, die Wettbewerbe zurückzubekommen. Viele Athleten sind bereits für die Olympischen Spiele qualifiziert, und sie müssen wieder das Gefühl von Wettkämpfen bekommen. Wir alle sind bestrebt, den Athleten wann immer möglich zu helfen. In den nächsten Tagen werden wir uns mit einer Art Unterstützungssystem befassen.

Während der Coronavirus-Krise werden kaum Dopingtests durchgeführt. Einige saubere Athleten sind besorgt, dass Betrüger diese Situation ausnutzen könnten. Ist das der Fall?

Das ist etwas, dessen wir uns sehr bewusst sein müssen. Es liegt auf der Hand, dass die Tests aufgrund von Abriegelungen, Ausgangssperren und internationalen Reisebeschränkungen schwieriger geworden sind. Aber niemand sollte auf den Gedanken kommen, dass es überhaupt keine Tests gibt - es wird getestet. Die Tests sind schwieriger als normalerweise, aber das akzeptiert jeder.

Was unternehmen Sie in dieser Frage?

Wir haben rund um den Qualifikationszeitraum vom 6. April bis Dezember eine Aussetzungsfrist erlassen. Wir hoffen, dass die Athleten in dieser Zeit irgendwann in der Lage sein werden, wieder zu trainieren, wenn es sicher ist. Aber einige Athleten werden sich in unterschiedlichen Systemen und unterschiedlichen Stadien der Pandemie befinden, und einige Athleten werden sich in Gebieten aufhalten, in denen es schwierig ist, ordnungsgemäße Anti-Doping-Verfahren aufrechtzuerhalten. Deshalb haben wir zumindest zugelassen, dass alle unter gleichen Bedingungen, das heißt unter gleichen Wettbewerbsbedingungen, zur Olympia-Qualifikation zurückkehren können.

Dopingtests laufen trotz Corona weiter - unter erschwerten Umständen
Dopingtests laufen trotz Corona weiter - unter erschwerten UmständenBild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Aber ich möchte eine ganz klare Botschaft an die Athleten senden: Sitzen Sie nicht da und denken Sie, dies sei eine testfreie Zeit! Das ist sie nicht. Wenn Sie sich dafür entscheiden, außerhalb der Vorschriften und der Integrität unseres Sports zu treten, werden Sie erwischt werden.

Für einige noch wegen Dopingverstößen gesperrte Athleten werden die Sperrzeiten am Ende des Jahres auslaufen. Sie werden daher 2021 in Tokio antreten können, bei einem Ereignis, das sie eigentlich hätten verpassen sollten. Ist das fair?

Was fair und was rechtlich akzeptabel ist, mag leicht abweichend erscheinen. Ich habe immer geglaubt, dass Athleten, die beim Doping erwischt wurden, dem Sport und seinem Ruf schaden. Deshalb ist der Schutz sauberer Athleten in diesem Prozess für mich genauso wichtig wie die Beseitigung der Betrüger. Ich möchte lieber nicht in einer Position sein, in der diese Athleten wieder an Wettkämpfen teilnehmen können, obwohl sie nicht wirklich für längere Zeit von den Wettbewerben ausgeschlossen waren. Aber rechtlich ist das extrem schwierig.

Befürchten Sie, dass die Coronavirus-Pandemie die Popularität der Leichtathletik beeinträchtigen wird?

Nein, nein, befürchte ich nicht. Die Leichtathletik ist ein sehr starker Sport. Sie ist eine der beiden einzigen wirklich globalen Sportarten - Leichtathletik und Fußball sind die beiden Sportarten, auf die die Welt schaut. Die Leichtathletik ist die olympische Sportart Nummer eins, und das mit einigem Abstand. Wir nehmen nichts als selbstverständlich hin, wir arbeiten extrem hart. Es gibt ein großes Interesse an unserem Sport. Alle sind hungrig darauf, unsere fantastischen und talentierten Athleten zu sehen.

Sebastian Coe war als Mittelstreckenläufer sehr erfolgreich. Der Brite gewann vier olympische Medaillen, davon zwei goldene im 1500-Meter-Lauf bei den Olympischen Spielen 1980 und 1984. Darüber hinaus stellte er acht Weltrekorde auf. Im Anschluss an seine Karriere war er Politiker und saß für die Konservative Partei im britischen Unterhaus. Coe leitete die erfolgreiche Bewerbung Londons für die Olympischen Spiele 2012. Von 2007 bis 2015 war der gebürtige Londoner Vizepräsident des Leichtathletik-Weltverbandes und wurde im August 2015 zum Verbandspräsidenten gewählt und im September 2019 im Amt bestätigt.

Das Interview führte Alima Hotakie.