"Sea Breeze": Manöver steigert Spannungen
28. Juni 2021Erst vor wenigen Tagen sorgte ein Zwischenfall vor der von Russland annektierten Krim für Aufsehen. Der britische Zerstörer "HMS Defender" war unterwegs vom ukrainischen Schwarzmeerhafen Odessa nach Georgien als er von russischen Kräften mit Warnschüssen begleitet wurde. Der Vorfall führte zu Spannungen zwischen Moskau und London. Vor diesem Hintergrund startete am Montag vor der ukrainischen Küste das internationale Seemanöver "Sea Breeze"(Seebrise), geleitet von der Ukraine und den Vereinigten Staaten.
Große Zahlen, überschaubare Kräfte
Auf den ersten Blick sehen die Zahlen beeindruckend aus. An der Übung, die bis zum 10. Juli dauern wird, nehmen insgesamt 32 Schiffe, 40 Flugzeuge und Hubschrauber sowie 5000 Soldaten aus 24 Nationen teil - unter anderem aus den USA, Großbritannien, Frankreich, der Türkei, Israel und Marokko sowie aus Japan, Südkorea und Australien. Deutschland ist diesmal nicht vertreten. Es ist die größte solcher Übungen seit Jahrzehnten - nachdem sie 2020 wegen der COVID-19-Pandemie verkürzt wurde.
Geplant sind verschiedene Übungen zu Wasser, zu Land und in der Luft. Ziel sei es, die Ukraine an NATO-Standards heranzuführen und eine bessere internationale Zusammenarbeit bei der "Friedenssicherung" in der Region zu erreichen, heißt es aus dem Kiewer Verteidigungsministerium. Bei genauerer Betrachtung sind die Kräfte überschaubar: 24 der 32 Schiffe kommen aus der Ukraine. Doch die in Odessa stationierte Marine verfügt lediglich über wenige einsatzbereite Kriegsschiffe und ist deshalb auf kleine Patrouillenboote angewiesen. Nur wenige westliche NATO-Kriegsschiffe werden an der Übung beteiligt sein, darunter der mit "Tomahawk"-Marschflugkörpern bewaffnete US-Zerstörer "USS Ross".
Was ist "Sea Breeze"?
"Sea Breeze" ist die älteste, größte und bekannteste internationale Militärübung der Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit von der Sowjetunion vor 30 Jahren. Das Manöver an der nordwestlichen Schwarzmeerküste wird jährlich von der Ukraine und den USA veranstaltet. Grundlage ist ein Memorandum aus dem Jahr 1993 über die militärische Zusammenarbeit zwischen Kiew und Washington. Das erste Manöver im Schwarzen Meer fand 1997 statt. Zwei Jahre davor, 1995, legten Russland und die Ukraine ihren langjährigen Streit über die Aufteilung der Schwarzmeerflotte bei.
Die USA finanzieren das Manöver, die Ukraine stellt die Übungsplätze in Gebieten Odessa, Mykolajiw und Cherson zur Verfügung. Es beteiligen sich immer mehrere Nationen, meist NATO-Mitglieder und Schwarzmeeranrainerstaaten - mit der Ausnahme Russlands. Nur ein einziges Mal, 1998, waren auch Schiffe und Militärs der russischen Schwarzmeerflotte bei "Sea Breeze" dabei.
Zeichen der Solidarität mit Kiew
Seit der Krim-Annexion hat "Sea Breeze" eine besondere Bedeutung für Kiew. Die ukrainische Marine verlor auf der von Russland annektierten Halbinsel ihren Stützpunkt und mehrere Schiffe. Schon davor war die russische Schwarzmeerflotte der ukrainischen Marine deutlich überlegen. Nach 2014 wurde sie von Moskau ausgebaut und mit neuen Kriegsschiffen verstärkt, darunter auch welche, die mit Marschflugkörpern vom Typ "Kalibr" bestückt sind.
Die Ukraine baute Odessa zum neuen Stützpunkt aus, den auch NATO-Schiffe ansteuern. Wegen des ungleichen Kräfteverhältnisses mit Russland wird "Sea Breeze" in Kiew als Zeichen der Solidarität angesehen.
Russland warnt und beobachtet
Russland beobachtet das Manöver im Schwarzen Meer immer kritischer. Im April 2021 führte die russische Schwarzmeerflotte eine ungewöhnlich massive Übung auf der Krim durch, an der nach eigenen Angaben rund 10.000 Soldaten und 40 Kriegsschiffe teilgenommen haben. Auch Schiffe aus anderen russischen Verbänden wurden eingesetzt. Zudem erklärte Moskau bis Ende Oktober Teile des Schwarzen Meeres vor der Krim für ausländischen Schiffsverkehr gesperrt.
Ungewöhnlich war auch der Appell Moskaus an die USA und ihre NATO-Verbündeten, sich nicht an "Sea Breeze" zu beteiligen. Russland werde die ukrainisch-amerikanischen Übungen sehr genau beobachten und bei Bedarf reagieren, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.