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Schüler arbeiten für Flüchtlinge

Michael Przibilla1. Juli 2014

Es ist die größte von Jugendlichen organisierte Hilfsaktion Europas: Am "Sozialen Tag" arbeiten Tausende deutsche Schüler und spenden ihren Lohn für Hilfsprojekte. Unter anderem für syrische Flüchtlinge.

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Jugendliche sitzen mit Plakaten "Schüler Helfen Leben" vor einem roten Bus Foto: Michael Przibilla
Bild: DW/M. Przibilla

Würstchen verkaufen, Autos waschen, Rasen mähen: Es gibt wohl kaum einen Job, den Jugendliche am Sozialen Tag noch nicht gemacht haben. Hauptsache, er bringt genug Geld ein. Um ihre Arbeit müssen sich die Schüler selbst kümmern. Dafür dürfen sie dann den Unterricht schwänzen. Auch Dermal Dogan und Sefket Ürek von der Heinrich-Mann-Schule in Lübeck sind dabei: "Wir arbeiten entweder in Kindergärten oder in Läden und dafür bekommen wir halt Geld, und das wird dann überwiesen", erklärt Dermal. Und Sefket fügt an: "Wir haben sogar einige, die bei den Lehrern arbeiten gehen, im Garten helfen, einfach damit sie was zu tun haben."

Seit 1998 ruft die Organisation "Schüler helfen Leben" den Sozialen Tag aus. Von Schleswig-Holstein bis Bayern und von Nordrhein-Westfalen bis Brandenburg beteiligen sich in diesem Jahr rund 80.000 Jugendliche von 700 verschiedenen Schulen an der Aktion. Der uneigennützige Arbeitseinsatz ist von den meisten Schulleitungen abgesegnet. Im strengen Sinn wird deshalb auch kein Unterricht geschwänzt, betont Jan-Nicholas Vogt, Sprecher der Organisation.

Probleme mit dem Jugendarbeitsschutz

"Die teilnehmenden Schulen richten diesen Tag als Unterricht in anderer Form aus", unterstreicht Vogt, "und die meisten Schulen stellen es den Schülern frei, ob sie an dem Tag zum Unterricht gehen oder für einen Tag arbeiten." Der Vereinssprecher hat guten Grund, dies besonders zu betonen. Zum ersten Mal beschränkt das Kieler Bildungsministerium die Einsatzmöglichkeiten von Schülern am Sozialen Tag. Denn laut deutschem Jugendarbeitsschutzgesetz ist es Kindern unter 14 Jahren verboten, außerhalb des elterlichen Haushalts zu arbeiten. Die Tätigkeit darf zudem nicht länger als zwei Stunden dauern.

Dermal Dogan und Sefket Ürek Foto: Michael Przibilla
Dermal und Sefket aus Lübeck gehören zu den fleißigen HelfernBild: DW/M. Przibilla

Die anderen Bundesländer sind weniger restriktiv. Schließlich geht es bei der Aktion um einen guten Zweck. Schon seit seiner Gründung im Jahr 1994 sammelt "Schüler helfen Leben" Spenden für Familien in Kriegs- und Krisengebieten. Der Verein entstand als Reaktion auf den damaligen Jugoslawienkrieg. "Schüler haben damals gesagt, dieser Krieg ist nicht weit entfernt. Alle reden, aber keiner tut etwas", sagt Vogt. Also sammelten sie Hilfspakete und fuhren mit den Autos der Eltern in das Kriegsgebiet. Das war die Geburtsstunde von "Schüler helfen Leben".

1,5 Millionen Euro an einem Tag

Aus den Anfängen ist inzwischen eine effektive Hilfseinrichtung mit Sitz im schleswig-holsteinischen Neumünster geworden. Die Arbeit wird getragen von Schulabgängern, die dort ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren. Vogt ist einer von ihnen. Daneben existiert auch noch eine Stiftung, die Vermögen aufbaut. Geld, das jedes Jahr vermehrt wird. Zum Beispiel durch den Sozialen Tag. Im letzten Jahr kamen 1,5 Millionen Euro für den guten Zweck zusammen. Ein Teil dieses Geldes fließt in das Stiftungskapital, ein anderer geht direkt in die Projekte.

Jan Nicholas Vogt Foto: Michael Przibilla
Jan Nicholas Vogt war einer der Geburtshelfer des ProjektsBild: DW/M. Przibilla

Diesmal werden zwei Projekte gefördert, eins für syrische Flüchtlinge und eins in Südosteuropa. Das Projekt in Südosteuropa heißt "Perspektiven für vergessene Flüchtlinge" und betreut Familien in Bosnien-Herzegowina, die durch den Balkankrieg ihr Zuhause verloren haben und immer noch verarmt und traumatisiert in Lagern leben. Die Hilfe für die syrischen Flüchtlinge wird in Jordanien geleistet, wo Tausende Syrer auf der Flucht vor den Kämpfen im eigenen Land gestrandet sind.

Kindergärten für syrische Flüchtlingskinder

Die 19-jährige Merle Gossing war kürzlich für "Schüler helfen Leben" dort und hat sich im Flüchtlingscamp Za'atari selbst ein Bild gemacht. Das Lager war ursprünglich für rund 70.000 Flüchtlinge geplant. Mittlerweile sind es über 120.000. Die hygienischen und sozialen Zustände im Camp seien problematisch, so Merle. Besonders für die mehr als 30.000 Kinder im Kindergartenalter. Viele haben keinen strukturierten Tagesablauf und streunen unbeaufsichtigt in dem großen Zeltlager herum.

Schülerin sitzt im roten Bus Foto: Michael Przibilla
Merle Gossing unterwegs mit dem Hilfe-MobilBild: DW/M. Przibilla

Mit dem Geld, das am diesjährigen Sozialen Tag verdient wird, soll daher die Arbeit der drei Kitas der Hilfsorganisation "Save the Children" unterstützt werden. Jordanische Erzieherinnen und Pädagoginnen betreuen pro Woche in mehreren Schichten rund 2000 Kinder zwischen drei und sechs Jahren. Die Kitas bieten den Kindern nicht nur Abwechslung und einen geregelten Alltag, sondern führen sie auch spielerisch ans Lesen und Rechnen heran.

Soziale Netzwerke für Projektinfos nutzen

Ausführlich haben Merle, aber auch andere Schüler, die sich die Hilfsprojekte vor Ort angesehen haben, ihren Besuch in den sozialen Netzwerken dokumentiert. Es gab eine Info-Tour und ein großes Schülervertreter-Treffen in Kassel, um die Projekte in Bosnien-Herzegowina und Jordanien vorzustellen.

Bastian Rudowski (22) aus Lübeck mit Janne Lenz (16) aus Elmshorn Foto: Michael Przibilla
Mit Herzblut bei der Sache: Bastian und JanneBild: DW/M. Przibilla

Bastian Rudowski, Berufsschüler der Hanseschule in Lübeck, war besonders von Merles lebendigen Schilderungen beeindruckt. "Man guckt zwar Nachrichten und weiß: klar, in Syrien gibt es Flüchtlinge, aber es ist einfach was ganz anderes, wenn man das von Leuten erfährt, die vor Ort sind“, sagt der 22-Jährige. Weil es für Bastian als Berufsschüler schwierig ist, sich mit einem Arbeitseinsatz am Sozialen Tag zu beteiligen, hat er sich etwas anderes einfallen lassen: Er will einen Teil seines Azubi-Gehalts spenden.