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Zu 99 Prozent ohne Chance

Wolfgang Dick30. September 2015

Asylanträge von Migranten aus dem Westbalkan werden in Deutschland meistens abgelehnt. Künftig soll sich die Lage noch verschärfen und die Abschiebung noch schneller erfolgen.

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Mazedonien Griechenland Flüchtlinge bei Gevgelija (Foto: EPA/GEORGI LICOVSKI)
Bild: picture-alliance/epa/G. Licovski

Über 40 Prozent aller in Deutschland gestellten Asylanträge kommen von Menschen aus dem Westbalkan, an erster Stelle eingereicht von Migranten aus dem Kosovo, aus Albanien und Serbien.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist die einzige Behörde, die darüber entscheidet, ob diese Asylanträge anerkannt werden. Die Regeln dafür bestimmen die Genfer Flüchtlingskonvention, das Grundgesetz und bestehende Asylverfahrensgesetze. Die wurden in jüngster Zeit in Deutschland verschärft.

Beurteilung des Westbalkans

So gelten neben Serbien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina inzwischen auch Kosovo, Albanien und Montenegro als so genannte "sichere Herkunftsstaaten". Nach deutscher Auffassung besteht dort keine Gefahr einer politischen Verfolgung oder unmenschlicher Gewaltausübung mehr. Zugleich herrschen dort keine Umstände, die eine Rückkehr in diese Länder verhindern würden. Die Staaten Westbalkans suchten die Zusammenarbeit mit der EU und könnten - so Außenminister Frank-Walter Steinmeier - schlecht als Verfolgerstaaten behandelt werden. Hinzu kommt, dass diese Länder selbst auf der Westbalkan-Konferenz im August die Bundesregierung gebeten haben, sie mögen als sichere Herkunftsländer eingestuft werden. Der Grund: Ihnen gehen mit der jüngsten Flüchtlingsbewegung viele junge Leute verloren, meist aus wirtschaftlichen Gründen.

Ablehnungsgründe

Armut oder politische Unzufriedenheit gelten aber nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht als Asylgrund. Migranten aus dem Westbalkan könnten in den für alle Asylanträge vorgeschriebenen Einzelfallprüfungen aber häufig keine zusätzlichen anderen Asylgründe glaubhaft belegen, erklärt das BAMF. So werden die meisten Anträge als "unbegründet" zurückgewiesen. Verwaltungsgerichte haben im Fall einer Anfechtung einer Asylentscheidung kaum noch eine Handhabe. Die Anerkennungsquoten für Migranten aus den Westbalkanstaaten sind daher verschwindend gering gegenüber den genehmigten Asylanträgen von Flüchtlingen aus anderen Ländern.

Infografik Anerkennungsquoten von Asylanträgen in Deutschland (Grafik: DW)

Wenig Grund zur Hoffnung

Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen weisen zwar immer wieder auf die in vielen Balkanländern verfolgten Roma hin. Die Anzahl der abgelehnten Asylverfahren zeigt jedoch, dass diese Gruppe bei den Entscheidern in Deutschland mehrheitlich selten als bedroht beurteilt wird.

Alexander Thal vom Flüchtlingsrat Bayern vermutet, dass der politische Druck angesichts der großen Anzahl der Flüchtlinge so groß ist, dass schon gar nicht mehr wirklich gründlich geprüft, sondern vieles durchgewunken werde, wofür Abschiebungen sprächen, die trotz laufender Härtefallprüfung angesetzt wurden. Großer Widerstand von Seiten der politischen Opposition ist nicht mehr zu erwarten. Selbst ein Ministerpräsident der Grünen hatte die jüngste Asylrechtsänderung unterstützt.

Mazedonien - Flüchtlinge in Gevgelija (Foto: REUTERS/Stoyan Nenov)
Flüchtlinge aus Balkanländer haben so gut wie keine Chance auf AsylBild: Reuters/S. Nenov

Weitere Verschärfung

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rüstet auf. Sondereinheiten konzentrieren sich darauf, gezielt die Asylanträge aus dem Westbalkan vom Tisch zu bekommen. 1000 zusätzliche Mitarbeiter sind dem BAMF vom Bundesinnenministerium zugesagt. Das Bundesland Bayern hat mittlerweile spezielle Erstaufnahmelager nur für Asylbewerber aus dem Westbalkan eingerichtet:In Manching und in Bamberg. Nordrhein-Westfalen will mit drei Standorten nachziehen. Die in den Sonder-Auffangeinrichtungen versammelten Asylbewerber aus den Balkanländern verbleiben dort und werden bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens gar nicht mehr auf die Kommunen verteilt.

Die Vorteile dieser Einrichtungen beschreibt ein Sprecher des bayrischen Innenministeriums so: "Wir haben kurze Wege". Die Asylbewerber seien sofort zu erreichen und ansprechbar, die Entscheider direkt vor Ort. In den Erstaufnahmelagern werden die Asylbewerber zudem in erster Linie mit Sachleistungen statt Bargeld versorgt. Taschengeld müsse nur für die Dauer des Lager-Aufenthalts bezahlt werden. Diese Zeiten verkürzen sich bereits. Man habe, so der Sprecher, die Bearbeitungszeit vom Tag der Asyl-Antragstellung bis zur Erteilung eines unanfechtbaren Bescheids auf vier bis sechs Wochen reduziert.

Abschiebungen umfassender

Abgelehnte Migranten aus dem Westbalkan werden mehrfach in der Woche mit Sammelflügen abgeschoben. Rückkehrern droht, dass ihnen die Flüge in voller Höhe in Rechnung gestellt werden. Das sei auch schon häufig vorgekommen, erklärt der Sprecher. Zudem sei es seit dem 1. August möglich, gegenüber Asylbewerbern in aussichtslosen Fällen eine Wiedereinreisesperre und ein Aufenthaltsverbot für den gesamten Schengen-Raum auszusprechen. Die Folgen all dieser Maßnahmen und der klaren politischen Signale: Die Zahlen der Neuankömmlinge aus dem Westbalkan gehen deutlich zurück.