Schwimmer aus Olympia-Flüchtlingsteam: "Mehr Integration"
23. Juli 2024Alaa Maso, der bei den bevorstehenden Olympischen Spielen in Paris (26. Juli bis 11. August) als Schwimmer des Flüchtlingsteams antritt, hatte eigentlich nie geplant, nach Deutschland zu kommen. Acht Jahre nach seiner Ankunft ist er jedoch stolz darauf, dieses Land sein Zuhause nennen zu können.
"Ich glaube nicht, dass Heimat dort ist, wo man aufgewachsen ist oder wo man geboren wurde", sagt kürzlich bei einem Gespräch mit der DW an seinem Trainingsstützpunkt in Hannover. "Ich glaube einfach, dass Heimat dort ist, wo man sich zu Hause fühlt. Dieses Gefühl bekommt man von den Menschen, die einen umgeben."
Bürgerkrieg in Syrien bremste seine Karriere aus
Als 2015 der Bürgerkrieg in seinem Heimatland Syrien tobte, sah Maso keine andere Möglichkeit, als das Land zu verlassen, wollte er seine Karriere im Schwimmsport fortsetzen. Der 24 Jahre alte Sportler stammt aus Aleppo, einem der Hauptschauplätze des Syrien-Kriegs. Monatelang konnte er damals nicht trainieren.
"Es kam immer darauf an, wie sicher die Lage war und welche Prioritäten man setzte." Und so nahm Alaa Maso schließlich gemeinsam mit seinem älteren Bruder Mo die lange und beschwerliche Reise von Syrien über die Türkei nach Europa auf sich.
Ursprünglich wollten sich die Brüder mit einigen anderen Familienmitgliedern in den Niederlanden niederlassen. Da ihnen aber bei der Durchreise durch Deutschland Fingerabdrücke abgenommen wurden, mussten ihre Asylanträge aufgrund von EU-Vorschriften auch in Deutschland bearbeitet werden.
Durch die Flucht ging wertvolle Zeit für den Sport verloren. "Das kann man nie wieder aufholen", sagt Maso. "Die vier Jahre, in denen ich gar nicht oder kaum trainieren konnte, gehören zu den wichtigsten Jahren im Leben eines Schwimmers. Hier werden die Grundlagen gelegt, die Basis für alles, was danach noch kommt."
Erster Olympia-Start 2021 in Tokio
Maso war vier Jahre alt, als sein Vater ihm das Schwimmen beibrachte. Später, inspiriert von US-Superstar Michael Phelps und dessen acht Goldmedaillen bei Olympia 2008 in Peking, setzte sich Maso das Ziel, eines Tages selbst bei Olympischen Spielen zu starten. "Von diesem Tag an wollte ich dabei sein", sagt er. "Das ist die Bühne, auf der jeder Schwimmer gerne stehen will."
Masos Traum erfüllte sich 2021. Er wurde für das olympische Flüchtlingsteam ausgewählt, das bei den Spielen in Tokio an den Start ging. Erstmals trat ein solches Team 2016 in Rio de Janeiro an. Das Internationale Olympische Komitee hatte zuvor beschlossen, Vertriebenen die Möglichkeit zu geben, an olympischen Wettkämpfen teilzunehmen, wenn sie aufgrund der Situation in ihren Heimatländern nicht dazu in der Lage sind. Ein Augenblick der Eröffnungsfeier in Tokio verbreitete sich rasant in den sozialen Medien: Maso, Mitglied des Flüchtlingsteams, umarmte seinen Bruder Mo, der trotz seiner Flucht nach Deutschland beim olympischen Triathlon für sein Geburtsland Syrien antrat.
"Nur weil er bessere Verbindungen zum syrischen Verband hatte als ich", sagt Maso der DW. "Ich sehe das nicht als eine politische Positionierung oder Unterstützung für irgendeine Seite in Syrien." Mo ist inzwischen zurückgetreten, Alaa Maso dagegen wird in Paris erneut für das Flüchtlingsteam starten: "Jetzt bin ich ein erfahrener Schwimmer und kein Neuling wie in Tokio, was mich noch mehr freut." Maso startet in Paris erneut über 50 Meter Freistil, in Tokio war er über dieselbe Distanz im Vorlauf gescheitert.
Der Schwimmer ist sich seiner Verantwortung für die mehr als 100 Millionen Flüchtlinge weltweit bewusst. "Wir versuchen, die Flüchtlinge so gut wie möglich zu repräsentieren", so Maso, "und zu zeigen, dass auch Menschen mit Migrationshintergrund ihre Ziele erreichen und sich in ihre neue Gesellschaft integrieren können."
Stimmungsmache gegen Zuwanderer
Mit Sorge sieht Maso, dass in Deutschland Stimmung gegen Zuwanderer gemacht wird - vor allem von der Alternative für Deutschland (AfD). Die rechtspopulistische, in Teilen rechtsextreme Partei hatte in Deutschland bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni nach der CDU die zweitmeisten Stimmen erhalten.
Nach Ansicht Masos sollte in Deutschland mehr dafür getan werden, um Zuwanderer zu integrieren. "Es müssen Workshops für neue Flüchtlinge durchgeführt werden, um ihnen die neue Kultur, in die sie eintreten wollen, zu vermitteln", sagt der Schwimmer. "Ich sage nicht, dass diese Menschen ihre Kultur oder ihren Hintergrund aufgeben solle. Aber sie sollten auch versuchen, sich in die neue Gesellschaft zu integrieren, in der sie zu leben versuchen." Niemand komme nach Deutschland, um dort nur ein oder zwei Jahre zu leben. "Man versucht, sich ein neues Leben aufzubauen, und das ist ein sehr langer Prozess."
Trotz des Erstarkens der AfD verspürt Maso in Deutschland keine Angst. "Ich weiß, dass eine Partei, egal wie groß sie ist oder wie viele Sitze sie hat, nicht alles allein entscheiden kann", sagt der syrische Flüchtling. "Das ist das Gute an Europa und der Demokratie dort: Nur weil man Regierungspartei ist, kann man nicht einfach alles machen, was man will."
Maso will die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen, um sich, wie er sagt, "vollständig in die deutsche Gesellschaft zu integrieren". Und würde er danach auch gerne als Schwimmer für seine Wahlheimat Deutschland starten? "Damit hätte ich absolut kein Problem", antwortet Alaa Maso.
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.