Schwieriges Jahr für Deutschlands Banken
29. Dezember 2017"Die deutschen Banken befinden sich nach wie vor in schwierigem Fahrwasser", sagt Walter Sinn, Deutschlandchef der Managementberatung Bain & Company. Das ist an der Eigenkapitalrendite abzulesen: Die ist 2016 auf 1,8 Prozent gesunken, nur jedes zehnte Kreditinstitut verdiene damit seine Eigenkapitalkosten. Am besten schneiden nach Einschätzung von Bain die Direkt- und die Autobanken ab.
Wie schwierig das Umfeld ist, das erfahren die Deutsche Bank und die Commerzbank auf jeweils unterschiedliche Weise. "Beide Banken haben noch große Baustellen, die sie sehr in Anspruch nehmen", sagt Klaus Nieding, Vizepräsident der deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). "Die Deutsche Bank hat da aber noch mehr vor der Brust als die Commerzbank."
Steile Zinsstrukturkurve
Die war im ablaufenden Jahr dann auch der Liebling der Investoren: Ihr Aktienkurs stieg seit Jahresbeginn um etwa 75 Prozent, während der der Deutschen Bank nur um etwa sieben Prozent zulegte. Die Aktionäre rechnen damit, dass die Commerzbank stärker von steigenden Zinsen profitieren wird. Denn ihr Geschäftsmodell ist stärker auf die Vergabe von Krediten ausgelegt als das der Deutschen Bank.
Nun ist aber seit Anfang 2017 die Zinsstrukturkurve steiler geworden: Darunter verstehen Finanzfachleute den Abstand zwischen kurz- und langfristigen Zinsen. Während die kurzfristigen Zinsen durch den Leitzins der EZB weitgehend vorgegeben werden, sind die Zinsen für eine Laufzeit von zehn Jahren am Markt wieder gestiegen. Am besten zu beobachten ist dies an der zehnjährigen Bundesanleihe. Die hat seit Jahresbeginn um zehn Basispunkte zugelegt.
Das bedeutet, dass die Banken wieder mehr an der Vergabe von Krediten verdienen können: "Die Margen sollten sich verbessern", erklärt Markus Rießelmann, Finanzanalyst von Independent Research. Das aber werde sich erst bei der Vergabe neuer Kredite im kommenden Jahr bemerkbar machen. Auf diese künftig weder besseren Ertragsmöglichkeiten spekulieren die Investoren also.
Lichtblicke auf der Kostenseite
Allmählich steigende Zinsen kommen auch der Deutschen Bank zugute. Doch die verdient ihr Geld in weitaus größerem Maß im Anleihegeschäft. Das aber hat im ablaufenden Jahr nicht so viel abgeworfen. Dazu war die Schwankungsanfälligkeit, die "Volatilität" in der Finanzsprache, an den Finanzmärkten nicht groß genug. Sind die Kurse relativ stabil, handeln die Kunden weniger.
Darunter leiden aktuell zwar die meisten Investmentbanken. Bei der Deutschen Bank aber kommen die Spätfolgen der Vertrauenskrise des Herbstes 2016 hinzu: Da hatten viele Kunden sich abgewandt, weil sie kurzzeitig Zweifel an der Stabilität der Bank hatten. "Diese Kunden sind noch nicht alle zurückgekehrt", hat Rießelmann beobachtet. Es dauere also länger als gedacht, bis die Erträge der Deutschen Bank sich im für sie so wichtigen Anleihehandel wieder stabilisierten.
Die Erträge sprudeln also noch nicht so wie erhofft. Auf der Kostenseite aber machen die Geldhäuser Fortschritte. Doch auch hier liegt die Commerzbank vorn: "Sie hat früher die Realität der Finanzkrise gespürt und sich entsprechend zeitiger an die Aufräumarbeit gemacht", meint DSW-Vizepräsident Nieding. So hatte die Commerzbank schon im September 2016 angekündigt, bis 2020 etwa 9600 Stellen zu streichen. 41.600 Vollzeitkräfte zählt sie aktuell noch, 36.000 sollen es 2020 sein. Das soll weitgehend ohne betriebsbedingte Kündigungen geschehen.
Mit der Vermögensverwaltung and die Börse
An anderer Stelle spart die Commerzbank jedoch nicht: Sie setzt weiter auf das Filialgeschäft, will also ihre etwa 1000 Zweigstellen weitgehend behalten. Während die anderen Banken Filialen schließen und damit Kosten sparen, will die Commerzbank diese Lücke am Markt füllen. "Deshalb sinken aber auch die Kosten bis 2019 nur um etwa 300 Millionen Euro", bemängelt Analyst Rießelmann.
An Kostensenkungen, das hat auch inzwischen die Deutsche Bank begriffen, geht kein Weg vorbei. Immerhin hat sie die größten Rechtsrisiken inzwischen im Griff. Doch im vergangenen Jahr lag die Zahl der Fälle, die einen Streitwert von mehr als 100.000 Euro haben bei 6000. "Wenn die Bank dann vielleicht die 20 größten erledigt hat, bleiben immer noch tausende Fälle, die viel Kapazität binden", warnt Anlegerschützer Nieding vor zu viel Zuversicht. Zumindest aber dürften - anders als in den Vorjahren - keine größeren bösen Überraschungen mehr zu erwarten sein.
Vielmehr geht die Bank nun daran, wieder mehr Geld hereinzuholen, indem sie, wie schon länger angekündigt, ihre Vermögensverwaltung, die Deutsche Asset Management, an die Börse bringt. Knapp ein Viertel der Anteile sollen im Lauf des ersten Halbjahres 2018 platziert werden, die Deutsche Bank will also die Kontrolle behalten.
Re-Fusion statt Fusion?
Zum anderen ist sie mit der Re-Integration der Postbank beschäftigt. Die hatte sich nicht zum erwünschten Preis verkaufen lassen. Deshalb gliedert die Deutsche Bank sie wieder ein - eine Arbeit, die Finanzvorstand James von Moltke kürzlich als "die derzeit größte Bankenfusion in Europa" bezeichnete. Und damit gleichzeitig andeutete, dass ein Zusammenschluss der Deutschen Bank und der Commerzbank nicht ansteht.
So sehen das auch Beobachter wie Philipp Häßler vom Bankhaus equinet: "Wenn die beiden Institute ihre Hausaufgaben gemacht haben, könnte es sein, dass dieser Gedanke nochmals auf die Agenda kommt", meint er. Doch aus politischen Gründen dürfte eine Fusion nur schwierig durchzusetzen sein. Denn durch die Zusammenlegung der Konzerne und Filialschließungen würden dann womöglich nochmals Tausende von Stellen gestrichen.
Solange der Bund noch einen Anteil an der Commerzbank halte, werde das wohl kaum geschehen. "Von der industriellen Logik her wäre eine Fusion vielleicht sinnvoll, aber politisch wird das nicht durchzusetzen sein", glaubt auch Markus Rießelmann von Independent Research. Auf eine mögliche Fusion aber könnten auch Investoren wie Cerberus spekulieren. Der amerikanische Finanzinvestor hält inzwischen Anteile an beiden Instituten.
Die Commerzbank zumindest war in den letzten Monaten aber auch immer wieder im Blickpunkt ausländischer Banken. "Ob die Bundesregierung es zulassen würde, dass die Commerzbank von einer italienischen oder französischen Großbank übernommen würde, das kann ich mir nicht vorstellen", gibt Analyst Rießelmann zu bedenken. "Sinnvoll wäre es aber vielleicht, in bestimmten Teilbereichen zusammenzuarbeiten", regt Aktionärsschützer Nieding an. Damit könnte man Kosten sparen, ohne aber das eigentliche operative Geschäft verschmelzen zu müssen. Vielleicht wäre das eine Möglichkeit für die nähere Zukunft - allerdings wohl noch nicht für das kommende Jahr.