Schwierige Netanjahu-Visite
2. März 2014Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und US-Präsident Barack Obama sind nicht das, was man unter einem Dream-Team versteht. Ihr persönliches Verhältnis ist schwierig und die Themen, die sie beschäftigen, sind es auch. Vor allem die Nuklearverhandlungen mit dem Iran haben in den vergangenen Monaten für erhöhte Spannungen gesorgt.
"Obama und Netanjahu liegen nicht nur in politischen Fragen auseinander, sondern auch grundsätzlich in ihrer Weltsicht", meint Jim Phillips, Nahostexperte der konservativen "Heritage Foundation" in Washington D.C. Während für Netanjahu die Sicherheit des Staates Israel absoluten Vorrang habe, hätte Obama in der Vergangenheit immer wieder Verständnis für die Gegner seiner Verbündeten gezeigt, was nicht nur Israel, sondern auch Länder wie Saudi Arabien irritiert habe. "Aber am Ende sind die Beziehungen zwischen Israel und den USA immer noch auf einer soliden Basis", sagt Phillips.
Friedensgespräche gefährdet
Für das kommende Gespräch in Washington sehen Beobachter zwei Themenschwerpunkte: Die umstrittenen Verhandlungen mit Iran über dessen Nuklearprogramm bleiben sicherlich ganz oben auf der Agenda. Daneben wird es um den ins Stocken geratenen Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern gehen.
Unmittelbarer Handlungsbedarf besteht bei den Friedensgesprächen. Ende April läuft eine von US-Außenminister Kerry gesetzte Frist aus, innerhalb derer ein Friedensabkommen erreicht werden soll. Seit der Wiederaufnahme der Gespräche im Juli 2013 war Kerry fast ein dutzend Mal in der Region, ohne entscheidende Fortschritte erziehlt zu haben. Stein des Anstoßes sind weiterhin die umstrittenen Siedlungsprojekte der Israelis.
Kerrys Rahmenplan
Kerry will in den kommenden Wochen den lang erwarteten Rahmenplan für die Verhandlungen vorlegen. "Der Plan wird wohl nach zusätzlichen Sicherheitsrisiken für Israel verlangen und schließlich die Aufgabe von Gebieten bedeuten", meint Nahostexperte Phillips. Als Gegenleistung will Kerry "palästinensische Friedensversprechen, von denen unklar ist, ob die palästinensischen Behörden in der Lage sind, sie einzuhalten", vermutet Phillips mit Verweis auf die Hamas in Gaza und erstarkende islamische Extremisten in der Westbank.
"Wenn Israelis und Palästinenser den amerikanischen Rahmenplan zurückweisen, werden wir eine echte Krise an dieser Front sehen", warnt Natan Sachs von der "Brookings Institution", einer Washingtoner Denkfabrik. "Falls sie zustimmen, wird es zwar noch lange nicht Frieden bedeuten. Aber immerhin werden die Verhandlungen fortgesetzt, dann wohl auch über den April hinaus."
Fortschritte bei der Siedlungspolitik?
Sachs und andere Experten erwarten, dass Obama Netanjahu beim Gespräch im Weißen Haus drängen wird, Kerrys Rahmenplan zu akzeptieren. Insbesondere wird er massiven Druck ausüben, den Siedlungsbau einzustellen, ihn zumindest "de facto einzufrieren", wie es in israelischen und amerikanischen Medien zu lesen war. Ähnlich wie zuvor Bundeskanzlerin Angela Merkel wollen auch die Amerikaner nicht soweit gehen, Israel mit Sanktionen zum Einlenken zu bewegen.
Bekannte Positionen zu den Atomgesprächen
Wenn Obama und Netanjahu über die Atomgespräche mit Iran reden, werden ihre gegensätzlichen Positionen "aufeinanderprallen", vermutet Jim Phillips von der "Heritage Foundation". "Ich denke, sie werden sich im Wesentlichen darauf einigen, dass sie uneinig sind." Noch im Dezember vergangen Jahres hatte Obama bei einer Veranstaltung der "Brookings Institution" klar gemacht, dass er Netanjahus Maximalforderung einer völligen Zerstörung der iranischen Nuklearfähigkeiten für unrealistisch hält. "Man kann sich eine ideale Welt vorstellen, in der Iran sagt: 'Ok, wir zerstören alle unsere Brennelemente und unsere Anlagen.'" Das wäre zwar "wunderbar", aber nicht im Bereich des Möglichen.
Zweifel an den Erfolgsaussichten der Atomgespräche
"Sollte Iran danach trachten, ein 'Schwellenland' zu werden, das Nuklearwaffen herstellen kann, ohne es aber zu tun, könnten die Amerikaner wohl damit leben. Die Israelis haben aber klar gemacht, dass sie das nicht können", bringt Natan Sachs die israelisch-amerikanischen Differenzen auf den Punkt.
Es mehren sich Zweifel an den Erfolgsaussichten der Atomgespräche, nachdem das geistliche Oberhaupt des Iran, Ajatollah Chamenei, ihnen nur noch geringe Erfolgsaussichten beimisst: "Ich bin nicht optimistisch bezüglich der Gespräche, sie werden nirgendwo hin führen", hatte er vor der letzten Verhandlungsrunde Mitte Februar gesagt.
Jim Phillips von der "Heritage Foundation" sieht substanzielle Probleme und rechnet sogar mit einem möglichen Scheitern. Das habe auch Auswirkungen auf Inhalt und Atmosphäre des Treffens von Obama und Netanjahu. "Die Gespräche könnten sich darum drehen, was passiert, wenn die Diplomatie scheitert. Das würde zu weniger Spannung führen als ein schlechtes Abkommen."
Wenig Spannungen beim Thema Syrien
Wenn sie auf den syrischen Bürgerkrieg und die Verhandlungen in Genf zu sprechen kommen, dürfte es wohl weniger Dissens zwischen Obama und Netanjahu geben. Israel hat im syrischen Bürgerkrieg offiziell keine Partei ergriffen, weder für das Regime von Assad noch für seine Gegner. "Es gibt absolut keine Liebe für das Assad-Regime, aber es gibt eine große Furcht vor der Alternative zu ihm. Das dürften sehr radikale sunnitische Organisationen sein", erklärt Nahostexperte Sachs die politische Zurückhaltung der Israelis.