Schwierige Gespräche in Peking
10. Juni 2016Deutschland ist mit rund 30 Prozent Anteil weiterhin der mit Abstand größte Handelspartner Chinas in der EU, China ist der viertwichtigste Abnehmer deutscher Exportprodukte, bei Maschinen sogar der wichtigste. Aus dieser engen wirtschaftlichen Verflechtung beider Volkswirtschaften ergibt sich automatisch, dass auch bei den 4. deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, die am Montag in Peking begonnen haben, Wirtschaftsthemen eine gewichtige Rolle spielen werden.
Von Seiten der deutschen Wirtschaft gibt es klare Vorstellungen über die Themen, die in Peking unter anderem mit Ministerpräsident Li Keqiang (im Artikelbild mit Merkel) besprochen werden müssen, wie Friedolin Strack vom Asien-Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft (APA) gegenüber der DW erläutert: "Wir plädieren intensivst dafür, dass China beim Reformtempo zulegt, dass es seinen Markt weiter öffnet, dass wir Kriterien der Marktwirtschaft noch weiter in allen Bereichen der chinesischen Wirtschaft weiter verankert sehen, und dass das Problem von Überkapazitäten, mit dem China im Moment unsere Märkte belastet, von China strukturell gelöst wird."
Überkapazitäten und Marktzugang für Investoren
Für Branchen wie Stahl, Aluminium, Keramik, Glas, aber etwa auch Fahrradhersteller überlagere das Problem der Überkapazitäten im Moment alle anderen Probleme im China-Geschäft, erläutert APA-Sprecher Strack. Diese Unternehmen seien nicht nur auf westlichen Märkten, sondern zum Beispiel auch in Brasilien, mit einem extremen Preiswettbewerb durch Angebote chinesischer Anbieter ausgesetzt, die deutlich unter den international durchschnittlichen Entstehungskosten lägen.
Das Problem chinesischer Dumping-Exporte ist allerdings eines, das im EU-Rahmen verhandelt wird. Die andere große Baustelle in den Wirtschaftsbeziehungen ist der stark eingeschränkte Zugang ausländischer Investoren auf den chinesischen Markt. Hier drängen deutsche Unternehmen auf ähnlich offene Bedingungen, wie sie für chinesische Investoren in Deutschland und Europa herrschen. Vor allem der angestrebte 30prozentige Einstieg des chinesischen Großkonzerns Midea beim deutschen Roboterhersteller Kuka hat die Forderungen nach einem "level playing field", also gleichberechtigtem Zugang deutscher Investoren auf den chinesischen Markt, lauter werden lassen.
Hier bestünden durchaus Chancen, dass sich etwas bewegt, sagt Friedolin Strack vom Asien-Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft: "Ich glaube, dass wir in den nächsten ein zwei Jahren mit Verbesserungen des Investitionsklimas in China rechnen können. Denn solange in China alles läuft wie geschmiert, ist der Druck, auf ausländische Wünsche zu reagieren, geringer. Jetzt, wo wir an allen Ecken und Enden sehen, dass das bisherigen Wachstumsmodell Chinas an seine Grenzen stößt, sind Wachstumsimpulse durch ausländische Investoren hochwillkommen. Insofern haben wir durchaus eine Chance, dass wir zum Beispiel beim Joint-venture-Zwang die ein oder andere Lockerung in den nächsten zwei Jahren erleben werden."
Innovationspartnerschaft bislang ohne Schwung
China steht sich also mit seinen Beschränkungen für ausländische Investoren selbst im Wege. Das gilt auch für den angestrebten Ausbau der Zusammenarbeit bei der vernetzten "Industrie 4.0.". Diese sogenannte Innovationspartnerschaft begleitete als beständiges Mantra die vorangegangenen Regierungsgespräche, aber konkrete Ergebnisse sind leider Fehlanzeige, wie Björn Conrad vom Berliner China-Zentrum MERICS gegenüber der DW erläutert. Denn bei gemeinsamer Forschung und Entwicklung, vor allem im wichtigen Bereich Produktionstechnologie, gebe es nur sehr wenige Fälle von konstruktiven Kooperationen.
Der Grund: "Die deutschen Unternehmen sind sich der Risiken, die damit einhergehen, sehr bewusst. Sie haben in der großen Breite Angst, bei solchen Kooperationen schnell die Kontrolle über ihre eigene Technologie und ihre Informationen zu verlieren." Deshalb seien die deutschen Unternehmen von Anfang an beim Thema Innovationspartnerschaft sehr zurückhaltend gewesen, "und deswegen waren auch die Ambitionen und Erwartungen, die auf chinesischer Seite mit der Innovationspartnerschaft einhergingen, von Anfang an zu optimistisch", sagt Björn Conrad von MERICS.
Internet-Zensur als Hemmnis
Auch Friedolin Strack vom Asien-Pazifik-Ausschuss bestätigt, dass es durchaus deutsche Firmen gibt, die gerne mehr im Bereich Forschungskooperation tun würden, "weil China ein großer und interessanter Markt ist, die aber doch sehr zurückhaltend sind, weil eine Reihe von Bedingungen, um in China in eine offene Forschungskooperation mit einem chinesischen Partner zu gehen, sehr schwierig sind." Strack nennt unter anderem das Fehlen eines Abkommens zur Cybersicherheit und "das Problem, dass Firmen, die in China grenzüberschreitend das Internet benutzen wollen, mit einem extrem langsamen Inernetzugang durch die chinesischen Zensurmaßnahmen konfrontiert sind. Das widerspricht einer offenen Forschungskultur diametral." Die Absicherung der Machtbasis der Partei unter anderem durch Zensurmaßnahmen stehe im Konflikt mit Freiheit auf wirtschaftlicher Seite. "Die Aufgabe für die Partei wäre also aus unserer Sicht, das Pendel etwas weiter in Richtung funktionsfähiges Internet und Technologieschutz für unsere Firmen ausschlagen zu lassen."
"Politischen Kontroversen nicht ausweichen"
Bescheidene Wünsche und verhaltener Optimismus also, wenn es um wirtschaftliche Freiheit geht. Und wie steht es um das Thema politische Freiheit bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen? Die Experten vom China-Institut MERICS sehen hier Gesprächsbedarf, zum Beispiel beim Thema ausländische Nichtregierungsorganisationen, wie MERICS-Direktor Heilmann im jüngsten China-Flash des Instituts sagt: "Ausländische NGOs werden durch das neue Gesetz in China zu einer Frage der nationalen Sicherheit. Die Regierung möchte deren Aktivitäten – zum Beispiel im Bereich der Rechtsberatung – einschränken. Träte das Gesetz in seinem jetzt geplanten Umfang Anfang 2017 in Kraft, wäre das ein herber Rückschlag für die zwischengesellschaftlichen Beziehungen mit China." Es sei davon auszugehen, dass Merkel das Thema bei ihrem Besuch anspricht, aber unwahrscheinlich, dass solche Rückfragen noch etwas zur Abmilderung der geplanten strengen Auflagen bewirken können, so Heilmann.
Der MERICS-Chef hält es für wichtig, dass die deutsche Seite "ihre Wünsche gerade in Konfliktthemen glasklar und konsequent (artikuliert)". So dürfe sich der deutsch-chinesische Rechtsstaatsdialog nicht auf zweifellos wichtige Themen wie ein Gesetz gegen häusliche Gewalt beschränken: Angesichts des "rabiaten Vorgehens chinesischer Behörden gegen Rechtsanwälte im eigenen Land muss Deutschland viel stärker eigene Themen auf die Agenda setzen."
Internationale Abstimmung wichtig
Aber generell gelte bei Menschenrechts- ebenso wie bei internationalen Kontroversen wie etwa dem Territorialkonflikt im Südchinessichen Meer, dass Deutschland am meisten im Konzert mit anderen Regierungen erreichen könne. "Das Motto in der deutschen und europäischen Chinapolitik muss lauten: 'Never face China alone'." Das bestätigt auch Kristin Shi-Kupfer von MERICS gegenüber der DW: "In der Einzelfall-Diplomatie gab es durchaus Erfolge wie Hafterleichterungen oder Freilassungen, aber es ist festzustellen, dass sich die grundsätzliche Position Chinas nicht bewegt, nur weil die deutsche Regierung Kritik übt."