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KonflikteGeorgien

Schwere Übergriffe gegen proeuropäische Proteste in Georgien

8. Dezember 2024

Die Repression gegen regierungskritische Demonstranten in Georgien eskaliert: Jetzt gehen maskierte Männer in schwarzer Kleidung mit roher Gewalt gegen sie vor. Und Polizisten sehen tatenlos zu.

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Breite Reihe an Polizisten verschanzen sich auf einer Straße hinter Schutzschilden gegen umherfliegende Feuerwerkskörper
Polizisten suchen am Samstag in Tiflis Schutz vor Feuerwerkskörpern Bild: Jay Kogler/ZUMA Press Wire/IMAGO

Bei den proeuropäischen Kundgebungen in Georgien ist es zu schweren Gewaltexzessen gekommen, wie die Deutsche Presse-Agentur meldet. In sozialen Netzwerken waren Videos mit brutalen Szenen zu sehen: Gruppen maskierter Männer in schwarzer Kleidung griffen friedliche Menschen an, schlugen und traten auf sie ein. Auch eine Reporterin des oppositionellen Fernsehsenders TV Pirveli wurde zu Boden geschlagen. Die Polizei habe zugesehen, ohne einzugreifen, berichteten mehrere Medien.

Präsidentin Salome Surabischwili warf der Führung in Moskau vor, hinter diesen mysteriösen Attacken zu stecken. "Das russische Regime ist zurück an der Arbeit in Tbilissi" (Tiflis), schrieb sie auf der Plattform X zu einem Video, auf dem schwarz gekleidete Männer auf einen Mann einprügeln. "Sie jagen Zivilisten auf deren Flucht vor dem Terror durch die Straßen, nehmen Politiker, Medien und Künstler ins Visier." Zudem würden die Männer die Türen von Büros der Opposition aufbrechen und die dort angetroffenen Politiker misshandeln.

Der Abgeordnete Mamuka Mdinaradse von der Regierungspartei "Georgischer Traum" erklärte, die Männer in Schwarz seien nicht im Auftrag der Führung im Einsatz. Sie hätten offenbar das Ziel, Unruhe und Chaos zu stiften. In Tiflis protestierten auch zahlreiche Geistliche verschiedener Religionen gegen die Gewalt bei den proeuropäischen Protesten. Sie drückten ihre Solidarität mit den Demonstranten aus, die den Beitritt zur Europäischen Union befürworten.

Zehnter Protestabend

Es war der zehnte Tag in Folge, an dem Tausende Georgier in der Hauptstadt gegen eine Entscheidung der Regierung protestieren, die Verhandlungen über einen EU-Beitritt bis zum Jahr 2028 aufzuschieben. Die pro-europäischen Bürgerinnen und Bürger versammelten sich am Samstag vor einer Universität und marschierten von dort aus zum Parlament, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten. In den Nächten zuvor hatten sich die Demonstranten direkt vor dem Parlamentsgebäude getroffen, wo ihre Kundgebungen meist von den Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst wurden.

Untergehakte Demonstrierende auf einer Straße in Tiflis
Demonstrierende marschieren eine breite Straße in Tiflis entlangBild: Alexander Patrin/ITAR-TASS/IMAGO

Auch in der Nacht zum Samstag hatte die Polizei Wasserwerfer eingesetzt, um die bis dahin friedlich auftretenden Demonstranten zu vertreiben. Daraufhin warfen Protestierende Feuerwerkskörper in Richtung der Einsatzkräfte. 48 Menschen seien festgenommen worden, weil sie sich "legitimen Befehlen" der Ordnungskräfte widersetzt und "Vandalismus" begangen hätten, teilte das Innenministerium mit.

Hunderte Festnahmen und viele Verletzte

Bereits in den vergangenen Tagen gab es Dutzende Verletzte und Hunderte Festnahmen bei den Straßenprotesten in der Hauptstadt Tiflis. Auch in anderen Städten des Landes protestieren die Menschen gegen eine Abkehr vom prowestlichen Kurs Georgiens, das seit 2023 EU-Beitrittskandidat ist.

Georgiens Regierung wendet sich von der EU ab

Zuletzt setzte die Regierung verstärkt auf Härte gegen die Aktivitäten der Opposition. Deutschland, Frankreich und Polen verurteilten das Vorgehen der georgischen Behörden gegen die Regierungsgegner. Die drei Länder prangerten am Freitag zudem die Gewalt gegen Oppositionelle und Journalisten an, wie es in einer gemeinsamen Erklärung des Auswärtigen Amts in Berlin und der Außenministerien von Frankreich und Polen hieß. Die drei Staaten fassen zudem Sanktionen gegen die georgische Regierung ins Auge. Sie kündigten an, das Thema Georgien auf dem nächsten Außenminister-Treffen der Europäischen Union zur Sprache bringen, um mögliche Maßnahmen gegen Georgien zu ergreifen.

Ombudsmann fordert Sicherheit für Bürger

Der georgische Menschenrechtsbeauftragte Lewan Iosseliani, der zuletzt schon Folter von Andersdenkenden im Gefängnis beklagt hatte, forderte die Polizei auf, unverzüglich auf die Gewalt zu reagieren und die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Der Ombudsmann rief die Behörden auf, die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Das Innenministerium kündigte Ermittlungen an. Im Fernsehen sagte Iosseliani, dass die Stimmung im Land bis zum "Siedepunkt" aufgeheizt sei.

Mittlerweile demonstrieren die Teilnehmer nicht mehr nur für den EU-Beitritt und gegen Polizeigewalt, sondern auch für die Freilassung der Festgenommenen. Auslöser der Proteste in der Südkauskasusrepublik war die umstrittene Parlamentswahl Ende Oktober. Die prorussische Regierungspartei "Georgischer Traum" wurde dabei erneut zur Siegerin erklärt. Die westlich orientierte Opposition spricht von Wahlfälschung und erkennt die Ergebnisse nicht an. Sie beschuldigt die Regierung zudem, die frühere Sowjetrepublik wieder an Russland heranrücken zu wollen.

kle/wa (dpa, afp, rtr)