Schwere Zeiten für Christen in Nahost
29. März 2013Freiheit, Würde, Gleichberechtigung - das waren die Schlagworte, mit denen die Menschen in Tunesien, Ägypten und Libyen Anfang 2011 gegen ihre Herrscher protestierten. Doch zwei Jahre nach dem Sturz von Ben Ali, Mubarak und Gaddafi ist von dieser Stimmung nur noch wenig zu spüren. Der so genannte arabische Frühling hat nicht die Liberalisierung gebracht, die viele sich gewünscht hatten. Mittlerweile scheint es, als sei vor allem die Religionsfreiheit auf der Strecke geblieben.
Minderheiten in Bedrängnis
Das bekommen besonders die christlichen Gemeinden zu spüren, die ihre Wurzeln zum Teil bis zur Entstehung des Christentums im 1. Jahrhundert zurückverfolgen können. Die Christen sind zwar nicht die einzige religiöse Minderheit, die in den arabischen Ländern unter Verfolgung und Vertreibung leidet. Aber sie bekommen die Folgen des arabischen Frühlings auf besondere Weise zu spüren. Denn die Gegenden im Nahen Osten, in denen sie sich frei entfalten und bewegen können, haben sich in den vergangenen Jahren extrem verringert - während Anschläge, zum Beispiel auf Kirchen in Bagdad und Alexandria, zugenommen haben.
"Historisch war der Libanon sehr lange Zeit eine Alternative für die Christen", sagt Martin Tamcke, Professor für Ökumenische Theologie an der Universität Göttingen. "Später war es dann Syrien. Doch diese Fluchtmöglichkeiten sind in den vergangenen Jahrzehnten für die Christen alle weggebrochen", erklärt der Theologe mit Blick auf die Bürgerkriege im Libanon und in Syrien. "Es gibt im Orient keine wirkliche Alternative mehr für sie." Das gilt für die Kopten in Ägypten genauso wie für die Assyrer im Irak.
Angst vor Verfolgungen
Christoph Klitsch-Ott, Referatsleiter für Afrika und den Nahen Osten bei der katholischen Hilfsorganisation Caritas International, hat beobachtet, dass Christen vor allem von islamistischen Gruppierungen oft als "fünfte Kolonne des Westens" betrachtet werden. Unabhängig davon, welche politischen Ansichten sie vertreten, geraten sie so in den Fokus von Verfolgungen. Denn extremistische Islamisten, zumeist salafistische Gruppen, die in den arabischen Ländern einen Gottesstaat errichten wollen und mit Geld unter anderem aus Saudi-Arabien unterstützt werden, haben in den vergangenen zwei Jahren in vielen Regionen an Einfluss gewonnen.
"Es gibt im Moment mehr Übergriffe auf christliche Einrichtungen und christliche Gruppen, als es sie vor dem arabischen Frühling gab", bestätigt auch Harald Suermann, Professor am Institut für Orient- und Asienwissenschaften an der Universität Bonn. Ein Grund, warum immer mehr Christen ihre arabischen Heimatländer verlassen. "Gerade diejenigen aus der Mittel- und Oberschicht, die die Möglichkeiten und auch die entsprechende Ausbildung haben, verlassen ihr Land", sagt Christoph Klitsch-Ott. "Sie sehen für sich und ihre Kinder dort keine Zukunft mehr."
Sorge vor islamistischem Staat
Vor allem in Syrien hat sich ihre Lage zugespitzt. "Es gibt Christen, die in Gebieten wohnen, wo Assad die Macht hat", erklärt Harald Suermann. "Andere Christen leben in Gebieten, in denen die Opposition den Ton angibt. Und je nachdem, wo sie leben, müssen sie sich unterschiedlich dazu verhalten." Auch wenn viele Christen gegen das Regime von Baschar al-Assad sind, gelten sie als regimetreu. Denn dass sie an einem sunnitischen islamistischen Staat kein Interesse haben, ist offensichtlich. "Die große Sorge der Christen ist, dass es nach einem Machtwechsel zu einem Regime kommt, das die Religionsfreiheit, die unter Assad beachtet wurde, nicht mehr beachtet wird", sagt Harald Suermann. "Das war das einzige Menschenrecht, das er wirklich beachtet hat. Wenn das wegfällt, haben viele Christen die Befürchtung, wieder zu Bürgern zweiter Klasse zu werden."