Waffen für die Ukraine: Wer liefert was?
22. April 2022Das Überleben der Ukraine als souveräner Staat könnte sich im Donbass entscheiden - und davon abhängen, mit welchen Waffen die Ukrainer den russischen Invasoren entgegentreten können. Entsprechend vehement ersucht die ukrainische Führung westliche Staaten, ihre Streitkräfte auch mit schweren Waffen auszurüsten. Darunter fallen etwa Panzerhaubitzen und Mehrfachraketenwerfer sowie Kriegsschiffe, Kampfhubschrauber und Jagdflugzeuge.
Mittlerweile haben praktisch alle NATO-Staaten zumindest Handfeuerwaffen, Schutzausrüstung oder Munition geliefert, aber keine schweren Angriffswaffen. Zu groß schien die Gefahr, dass Russland dies als Einmischung in den Krieg und damit als Grund für einen Angriff auf die NATO werten könnte. Nun, angesichts der laufenden Großoffensive im Donbass, scheint ein Land nach dem anderen diese Bedenken beiseitezuschieben. Reihenweise haben NATO-Staaten die Lieferung unterschiedlicher Waffensysteme angekündigt. Zur Geheimhaltung kommunizieren sie nicht alle Details offen. Einiges ist jedoch bekannt.
Tschechien
Die Regierung in Prag gehörte zu den ersten, die der Ukraine überhaupt Waffenlieferungen zusagte. Schon im Januar, angesichts des Aufmarschs russischer Truppen an der ukrainischen Grenze, lieferte Tschechien der Ukraine Gewehrmunition und Panzergranaten, die zu den sowjetischen Waffensystemen passen, die viele ehemalige Warschauer-Pakt-Staaten noch in ihren Arsenalen haben.
Offenbar ist Tschechien auch das erste Land, das der Ukraine bereits Panzer aus eben diesen Beständen geliefert hat. Und zwar nicht nur den Schützenpanzer BMP, sondern auch mehrere Dutzend Kampfpanzer des Typs T-72. Beide nutzt die ukrainische Armee ohnehin.
Polen
Auch Polen hat bereits vor dem Krieg zur Modernisierung der ukrainischen Armee beigetragen und dem Nachbarland teils weiterentwickelte Waffensysteme russischer Bauart samt Munition geliefert. Polens Vorstoß Anfang März, der Ukraine Kampfflugzeuge vom Typ MiG-29 zu liefern, wurde von den NATO-Partnern ausgebremst. Anfang April brachte Warschau die Stationierung von US-Atom-Waffen im Land ins Gespräch. Nun hat es weitere Lieferungen auch schwerer Waffen zugesagt, hält sich aber inzwischen bedeckter bei den Details.
Slowenien
Slowenien wäre wohl bereit, Panzer aus Sowjetbeständen an die Ukraine abzugeben. Zum Ausgleich hat Deutschland dem Land Schützen- und Spähpanzer der Typen Marder und Luchs angeboten. Laut der Nachrichtenagentur dpa fordert Slowenien aber die modernen Nachfolgemodelle Puma und Boxer sowie den Ersatz der Kampfpanzer durch den deutschen Leopard 2.
Türkei
Die Türkei hat der Ukraine in den vergangenen Jahren mindestens 20 Kampf- und Aufklärungsdrohnen vom Typ Bayraktar TB2 verkauft. Die Lieferungen stehen zwar nicht in Zusammenhang mit dem russischen Überfall, tatsächlich gehören sie aber zu den wenigen schweren Angriffswaffen aus NATO-Ländern, die die Ukraine bereits eingesetzt hat.
Deutschland
Die Bundesregierung weigert sich weiterhin, schwere Bundeswehrwaffen an die Ukraine zu liefern. Stattdessen bietet sie Kiew Panzerabwehrwaffen, Granaten, Drohnen, Schutzausrüstung und Munition aus Industriebeständen an. Die schwerste Waffe im Angebot: zwölf Mörser mit einem Kaliber von 120 Millimeter und einer maximalen Schussweite von knapp 7,5 Kilometern.
Weitere NATO-Staaten
Während etwa Italien und Frankreich öffentlich kaum etwas über Waffenlieferungen in die Ukraine bekannt geben, haben nun weitere NATO-Mitglieder ganz allgemein die Lieferung schwerer Waffen angekündigt, darunter Belgien, Norwegen und Kanada. Etwas konkreter machten es Großbritanniens Premier Boris Johnson, der Raketen für Angriffe auf Seeziele nannte, und sein niederländischer Amtskollege Mark Rutte, der von Panzerfahrzeugen sprach.
USA
Den weitaus größten Beitrag zur Ausstattung der ukrainischen Armee haben bisher die USA geleistet. Rund 2,5 Milliarden Dollar hat Washington seit Kriegsbeginn dafür bewilligt. So konnten wohl die ukrainischen Verteidiger etwa dank der tragbaren Panzerabwehrrakete Javelin unzählige russische Panzer zerstören. In einer offenen Feldschlacht, wie sie nun wohl bevorsteht, seien diese Systeme aber ungeeignet, sagen Experten.
Vergangene Woche hatte das Pentagon dann angekündigt, schnellstmöglich 18 Feldhaubitzen mit 40.000 Schuss Munition, 300 "Rucksackdrohnen" vom Typ Switchblade und 300 gepanzerte Fahrzeuge zu liefern sowie elf MI-17-Transporthubschrauber russischer Bauart, die auch mit außenliegenden Waffensystemen wie Luft-Boden-Raketen ausgestattet werden können. Die ersten Teillieferungen sollen bereits an der Front eingetroffen sein. Die Ausbildung der ukrainischen Soldaten an den Panzerhaubitzen, die GPS-gelenkte Geschosse abfeuern können, dürfte bereits laufen. Am Donnerstag sagte der US-Präsident weitere Hilfen zu.
Europäische Union
Der Staatenbund hat seit Kriegsbeginn 1,5 Milliarden Euro aus eigenen Mitteln, sogenannten Friedensfazilitäten, bewilligt, von denen Mitgliedstaaten "persönliche Schutzausrüstung, Erste-Hilfe-Kits und Treibstoff sowie militärische Ausrüstung und Plattformen, mit denen zu Verteidigungszwecken tödliche Gewalt angewendet werden kann" für die Ukraine kaufen können. Schwere Waffen, wie viele Mitgliedstaaten sie nun liefern wollen, dürfen damit also nicht finanziert werden.
Bisher keine Kampfflugzeuge geliefert
Am Dienstag hatte Pentagon-Sprecher John Kirby verkündet, die Ukraine hätten auch Kampfflugzeuge vom Typ MiG-29 aus anderen ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten erhalten. Diese Angabe hat Kirby inzwischen widerrufen: Es seien lediglich Ersatzteile geliefert worden, mit denen beschädigte Jets wieder flott gemacht werden konnten.
Gleichwohl hält die Debatte an, ob MiG-29 aus Polen, Rumänien und Bulgarien an die Ukraine geliefert werden sollten. Ukrainische Piloten fliegen diesen Typ auch, könnten ihn also - anders als westliche Jets - ohne Umschulung nutzen.