Schwellenländer und Klimapolitik
27. November 2008Indien und China, zwei Länder mit komplexen Realitäten: 2,3 Milliarden Menschen, ein Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 8 Prozent pro Jahr, aber auch viele hundert Millionen Menschen, die in tiefster Armut leben.
Den Armen kann nur geholfen werden, wenn die Wirtschaft weiter auf Wachstumskurs bleibt, sagt Energieexperte Pradipto Ghosh, der als Mitglied der indischen Regierungsdelegation am UN-Klimagipfel teilnehmen wird. Es könne keine bessere Armutsbekämpfung und keine Entwicklungsperspektive für die Menschen geben ohne die Bereitstellung von Energie, so Ghosh in einem Interview mit der Deutschen Welle: "Wir sagen nicht, dass wir unbedingt Schadstoffe ausstoßen müssen ohne jegliche Art von Klimaschutzpolitik. Aber wir müssen unseren Energieverbrauch erhöhen."
China jetzt vor den USA
Tatsächlich steigen Energiebedarf und Schadstoff-Emissionen rapide an: In China geht jede Woche ein Kohlekraftwerk von 1000 Megawatt ans Netz. In Indiens Hauptstadt Delhi werden täglich mehr als 3000 Autos zugelassen. Zwar sind die Pro-Kopf-Emissionen in diesen Ländern immer noch ein Bruchteil der entsprechenden Emissionen in den Industrieländern. Doch die Schwerpunkte verschieben sich: China hat inzwischen die USA als weltgrößten Kohlendioxid-Verursacher überholt.
Peking und Delhi meinen, dass es zunächst die Aufgabe der Industrienationen sei, ihre Emissionen kräftig herunterzufahren, da sie im Grunde seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert das Klima mit ihrem CO2 -Ausstoß belasten.
Erst wenn die Industriestaaten sich verpflichten, ihre Emissionen drastisch zu senken, dann senken wir auch unseren, sagt Klimafachmann Gosh. Er hofft, dass die neu gewählte US-Regierung ihre bisherige Blockadehaltung gegenüber solchen Verpflichtungen lockern wird. Inzwischen will sich Indien nicht auf Emissionsziele festlegen, um das rasante Wachstum der Volkswirtschaft nicht zu beeinträchtigen.
"Wir nehmen den Klimaschutz ernst"
Die Regierungen Chinas und Indiens betonen jedoch, dass sie den Klimaschutz ernst nehmen und dass sie so viel dazu beitragen wollen, wie sie können. Beide Länder stellten im Sommer dieses Jahres einen Nationalen Aktionsplan vor. Sie haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt zur Steigerung ihrer Energieeffizienz und vor allem zum Ausbau erneuerbarer Energien.
Doch dazu brauchen sie Unterstützung von den reichen Ländern, erklärt Sven Teske, Klima- und Energiefachman bei der internationalen Umweltorganisation Greenpeace.
Sowohl China als auch Indien erwarteten von den Industrienationen, dass Hilfsprogramme aufgelegt werden. Technologie, Wissenstransfer, finanzielle Hilfen müssten fließen, um die erneuerbaren Energien in ihren eigenen Ländern aufzubauen. "Dann sind sie auch bereit, Reduktionsziele zu unterschreiben."
Technologietransfer als Teil der Lösung
Auf dem letzten UN Klimagipfel, der vor einem Jahr in Bali stattfand, appellierten die Schwellenländer an die Verantwortung der reichen Länder. Sie setzten durch, dass ihre Forderung nach Investitionen in erneuerbare Energien in die Abschlusserklärung aufgenommen wurde. Daran werden die Schwellenländer auf dem kommenden Klimagipfel selbstbewußt anknüpfen, sagt Pradipto Ghosh. "Die Technologien müssen uns zur Verfügung gestellt werden. Und da die Kosten dafür erheblich höher sind als die für konventionelle Energieformen, müssen sie unsere Partner aus den entwickelten Ländern tragen."
Noch zögern die westlichen Unternehmen ihr Know-How herauszugeben, weil sie fürchten, dass ihre Technologien kopiert und illegal weitergegeben werden könnten. Die Teilnehmer am UN-Klimagipfel werden daher über Wege und Mechanismen beraten müssen, mit denen Technologien, Know How und finanzielle Unterstützung sicher und nachhaltig in Entwicklungsländer fließen, damit dort innovative Klimaschutzmaßnahmen in die Tat umgesetzt werden können.