Schwein auf Rhabarber
3. Februar 2003Kochen sieht meistens anders aus. Der junge Mann wirbelt mit einem beeindruckenden chinesischen Messer, zerhackt einen unschuldigen Fisch und wirft den ganzen Kram in eine Auflaufform. Er zerrupft einen Haufen frisches Grünzeug, verplempert das Olivenöl und wischt sich die triefenden Hände ziemlich lässig am Hosenboden seiner hängenden Jeans ab. Dann grinst Jamie Oliver in die Fernsehkamera und verkündet seine Botschaft: "Jeder kann kochen."
Tausendsassa an den Töpfen
So ziemlich jeder Brite hat es Dank Jamies Anleitung inzwischen zumindest versucht. Sechs Millionen Hobbyköche hängen allein in Großbritannien wöchentlich vor der heimischen Mattscheibe, wenn Jamie Oliver seinen Küchenreigen auf "Channel 4" beginnt. Die Rechte für Jamies TV-Sendung sind inzwischen in 34 Länder verkauft (und ab Mitte Februar 2003 auch in Deutschland bei RTL II zu sehen). Der Verlag seiner Kochbücher kommt mit dem Nachdrucken der Neuauflagen kaum hinterher. Von einer Millionen verkauften Kochbüchern können die meisten Küchenchefs nur neidisch träumen.
Alle wollen plötzlich kochen. Und alle wollen Jamie. Der 27-jährige Koch aus dem Provinzkaff Clavering gilt als neuer Superstar: jung, sympathisch und erfolgreich. Jamie hat in der Dowing Street No. 10 gekocht, mit einem Campingkocher am Strand und war auf Koch-Tournee in Australien und Neuseeland. Die Leute sind gerne bereit einen Haufen Eintritt zu bezahlen, um ihn kochen zu sehen. Viele junge Mädchen kommen dann und bestaunen die flinke Zubereitung kruder Rezeptideen wie dem marinierten Schweinefilet auf Rhabarber. Oder lauschen den Anekdoten des redegewandten Jünglings.
Geheimnis des Kartoffelschälers
"Das Geheimnis liegt in der Verwendung guter Zutaten," sagt Jamie Oliver verschwörerisch. Und unterscheidet sich mit diesem schlichten Credo wohl kaum von der versammelten Gourmet-Elite. Frische Zutaten und hochqualitative Ingredienzien gibt es auch bei anderen. Fachliche Kompetenz plus jugendkulturellen Background frei Haus gibt es nur bei Jamie. Und der hat wie jeder richtige Popstar klein angefangen. Hat sich vom Kartoffelschäler im elterlichen Pub zum Absolvent des Westminster Catering College hochgekocht und mehrere Jahre in Londoner In-Restaurants gearbeitet. Bevor er schließlich von einer BBC-Journalistin entdeckt wurde.
Jetzt hat der "Banause, der einfach nur Spaß in der Küche will" – wie er sich selbst nennt – ein eigenes Restaurant eröffnet. "Fifteen" heißt es, liegt ganz in der Nähe der Londoner U-Bahnhaltestelle "Old Street Tube" und ist bereits für Monate ausgebucht. Und was Jamie Oliver da auf die Beine gestellt hat, erstaunt sogar die altehrwürdige "Times". Denn nach Jahren des Laisser-faire, der wilden Parties und langen Nächte hat der Pop-Koch seinen Sinn fürs Gute entdeckt. Jamie Oliver will jetzt die Arbeitslosigkeit mindern.
Jamie allein in New York
15 erwerbslose Jugendliche hat er von der Straße weg in seine Küche geholt und zum Koch ausgebildet. "Es braucht Geld, gute Nerven und eine profesionelle Truppe um diese Jugendlichen auszubilden. Aber in den nächsten zehn Jahren wollen wir drei Non-Profit Restaurants in Großbritannien, eins in New York und eins in Sydney errichten," erzählt Jamie Oliver dem "Guardian". Ziemlich mühelos scheint der Jungkoch Spaß, Genuss und gute Taten zu vereinen. Unklar bleibt wer hinterher die Küche wieder aufräumt.