Schweden will Armee gegen Bandenkriminalität einsetzen
29. September 2023Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson will die Bandenkriminalität nun mit Hilfe des Militärs bekämpfen. Das kündigte der Regierungschef nach einem Treffen mit dem militärischen Oberbefehlshaber Micael Bydén und dem nationalen Polizeichef Anders Thornberg in Stockholm an. Die Regierung werde am Donnerstag einen Beschluss fassen, dass die Streitkräfte der Polizei im Rahmen der derzeitigen Gesetzeslage bei der Bekämpfung der kriminellen Gangs helfen könnten. Zuvor waren binnen 24 Stunden drei Menschen getötet wurden.
391 Schusswaffenangriffe in einem Jahr
Schweden hat seit Jahren mit einer massiven Zunahme der Bandenkriminalität zu kämpfen. Die Banden liefern sich blutige Auseinandersetzungen um die Kontrolle über den Drogen- und Waffenhandel, immer wieder kommt es dabei auch zu Racheakten. Im vergangenen Jahr wurden in dem skandinavischen Land 391 Schusswaffenangriffe registriert, 62 davon endeten tödlich.
Der Bandenkrieg hat sich inzwischen aus berüchtigten Vororten ins Zentrum großer Städte wie Stockholm, Göteborg und Malmö verlagert. Fast jeden Tag gibt es Schüsse auf offener Straße und Explosionen in Wohnhäusern. Zuletzt nahmen die tödlichen Schusswaffenangriffe dramatisch zu, unter den Opfern waren vermehrt Minderjährige und Unbeteiligte.
18-Jähriger auf Sportplatz erschossen
Am Mittwochabend war in einem wohlhabenden Vorort von Stockholm ein 18-Jähriger auf einem Sportplatz erschossen worden, auf dem gerade ein Fußball-Training mit Kindern stattfand. Gegen Mitternacht wurden in einem anderen Vorort zwei Menschen durch Schüsse verletzt, von denen einer später starb. Noch in derselben Nacht starb eine 25-Jährige bei einer Explosion in einem Vorort der Universitätsstadt Uppsala 70 Kilometer nördlich von Stockholm. Fünf Häuser wurden beschädigt. Die getötete Frau hatte nach Polizeiangaben keine Verbindung zu den Banden.
"Die Kriminalität hat ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht. Die Lage in Uppsala und im Rest des Landes ist sehr ernst", sagte die Polizistin Catarina Bowall vor Journalisten in Uppsala.
Immer mehr Kinder als Auftragskiller
Nach einer Zählung des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders SVT zur Bandengewalt wurden im September bereits elf Menschen getötet - die höchste Opferzahl in einem einzigen Monat seit vier Jahren. Unter den Toten ist auch ein 13-jähriger Junge, dessen Leiche in einem Wald gefunden wurde. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass auch er ein Opfer der Bandengewalt ist. "Immer mehr Kinder und völlig unschuldige Menschen sind von dieser extremen Gewalt betroffen", sagte Regierungschef Kristersson in einer Fernsehansprache am Donnerstagabend. "So etwas hat Schweden noch nie erlebt. Kein anderes Land in Europa erlebt so etwas."
Doch nicht nur die Opfer, auch die Täter werden immer jünger. "Wir haben eine Situation, in der Kinder selbst Kontakt zu kriminellen Banden aufnehmen", um ihre Dienste als Autragskiller anzubieten, sagte Polizeichef Anders Thornberg. Im umgekehrten Fall würden Menschen - "oft Minderjährige" - von den Banden kontaktiert. Sie erhielten dann Waffen und die Adresse, "an der sie den Angriff verüben sollen".
Kristersson: "Verantwortungslose Einwanderungspolitik" hat Schuld
Kristersson machte jahrelange politische "Naivität" für die Zunahme der Gewalt verantwortlich. "Eine verantwortungslose Einwanderungspolitik und eine gescheiterte Integration haben uns hierher gebracht", sagte der konservative Politiker. Das schwedische Strafgesetzbuch sei bisher nicht "auf Bandenkriege und Kindersoldaten ausgelegt - aber das ändern wir jetzt."
Kristersson kündigte neue Gesetz an, die es der Polizei ermöglichen sollen, Verbrecherbanden abzuhören und in bestimmten Gebieten Verdächtige zu durchsuchen. Geplant sind demnach auch härtere Strafen für Wiederholungstäter und deutlich längere Haftrafen für bestimmte Verbrechen. "Wir werden die Banden zur Strecke bringen. Wir werden die Banden besiegen", versicherte Kristersson. "Wir werden sie vor Gericht stellen. Wenn sie schwedische Staatsbürger sind, werden sie mit langen Haftstrafen weggesperrt. Wenn es ausländische Staatsbürger sind, werden sie abgeschoben", kündigte er an.
nob/fab (dpa, afp)