Schwarzes Jahr für FIFA und DFB
23. Dezember 20152015 war für den organisierten Fußball ein schwarzes Jahr, an dessen Ende kaum etwas mehr so ist wie am Anfang. Das gilt auf internationaler Ebene für den Fußball-Weltverband FIFA, auf nationaler für den Deutschen Fußball-Bund (DFB). "Genug ist genug", bilanzierte Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), am Jahresende mit Blick auf die Skandale im Fußball.
Festnahmen in Zürich
Korruptionsvorwürfe gegen die FIFA hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben, doch sie waren weitgehend folgenlos geblieben. Das änderte sich in den Morgenstunden des 27. Mai 2015, als die Schweizer Polizei auf Ersuchen der USA in einem Hotel in Zürich sieben hochrangige Funktionäre festnahm, darunter die beiden FIFA-Vizepräsidenten Jeffrey Webb von den Kaiman-Inseln und Eugenio Figueredo aus Uruguay. Die US-Justizbehörden warfen ihnen Geldwäsche und Korruption in großem Stil bei der Vergabe von Weltmeisterschaften und Fernsehrechten vor. Nichtsahnend waren die Funktionäre angereist, um beim Kongress des Weltverbands den FIFA-Präsidenten für die nächsten vier Jahre zu wählen.
Erst Wiederwahl, dann Rückzug
Der neue FIFA-Chef hieß wenig überraschend wie der alte: Joseph Blatter. Seine Gegenkandidaten waren einer nach dem anderen abgesprungen, bis nur noch der jordanische Prinz Ali Bin Al Hussein übrig blieb. Die Wiederwahl Blatters, der seit 1998 an der Spitze der FIFA stand, war kaum mehr als eine Formsache. Und der Schweizer versuchte - wie so oft zuvor - auch die jüngsten Korruptionsvorwürfe einfach mit dem Hinweis wegzuwischen, dass es sich um Verfehlungen Einzelner handele und nicht um ein generelles Problem der FIFA. Doch in den darauffolgenden Tagen dämmerte es wohl selbst Blatter, dass die Affäre eine Eigendynamik entwickelt hatte, die ihn aus dem Amt spülen würde. Der 79-Jährige kam dem zuvor, indem er nur vier Tage nach der Wahl seinen Rückzug als FIFA-Chef für Anfang 2016 ankündigte. Grund, so Blatter wörtlich, sei seine "tiefe Sorge um die FIFA".
Blatter und Platini kaltgestellt
Als aussichtsreichster Kandidat für den höchsten Funktionärsposten im Fußball galt nun für einige Monate UEFA-Präsident Michel Platini - bis den Franzosen seine Vergangenheit unter Blatter einholte. Ende September geriet der Franzose ins Visier. Er hatte von Blatter eine dubiose Zahlung von zwei Millionen Schweizer Franken aus FIFA-Mitteln erhalten. Die Schweizer Justizbehörden eröffneten deswegen ein Verfahren gegen Blatter. Nun zog auch die FIFA-Ethikkommission die Reißleine und suspendierte sowohl Blatter als auch Platini zunächst für 90 Tage. Beide waren damit erst einmal kaltgestellt. Kurz vor Weihnachten sperrte die Kommission Blatter und Platini schließlich für jeweils acht Jahre. Beide kündigten an, juristisch gegen das Urteil vorzugehen. Blatter bezeichnete die Entscheidung als "Schande", Platini sprach von einer "Farce".
Schwarze Kasse?
Während der FIFA-Krise wurden Stimmen lauter, die forderten, dass der DFB und dessen Präsident Wolfgang Niersbach mehr Verantwortung übernehmen sollten. Doch Mitte Oktober brachen auch im deutschen Verband die Dämme. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtete, dass auch bei der Vergabe der WM 2006 offenkundig nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Es habe wohl eine Schwarze Kasse gegeben mit dem Ziel, Stimmen zu kaufen. Im Mittelpunkt der Affäre steht eine Zahlung des DFB von umgerechnet 6,7 Millionen Euro an die FIFA, deren genauer Verwendungszweck nach wie vor ungeklärt ist. Nach Darstellung des DFB hatte das Organisationskomitee (OK) das Geld überwiesen, um von der FIFA einen Zuschuss von 170 Millionen Euro zu erhalten. Die FIFA wies diese Darstellung zurück.
Niersbachs Rücktritt
Wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung leitete die Frankfurter Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Niersbach, der als Mediendirektor im WM-OK gesessen hatte, den früheren DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und Ex-DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt ein und durchsuchte deren Privathäuser sowie die DFB-Zentrale. Am 9. November übernahm Niersbach die "politische Verantwortung" für die Affäre, machte aber klar, dass er sich als damaliger Mediendirektor nichts vorzuwerfen habe: "Ich habe dort absolut sauber und gewissenhaft gearbeitet." Wie die FIFA steht auch der DFB ohne einen gewählten Präsidenten da. Rainer Koch, bis dahin Niersbachs Stellvertreter, und Reinhard Rauball, Chef der Deutschen Fußball-Liga (DFL), übernahmen bis zur Wahl eines Nachfolgers die Amtsgeschäfte.
Beckenbauers Blanko-Unterschriften
Ein langer Schatten fiel in der WM-Affäre auch auf den früheren OK-Chef Franz Beckenbauer, bis dahin die Lichtgestalt des deutschen Fußballs. Seine Unterschrift stand auf einem Vertragsentwurf mit dem früheren FIFA-Vizepräsidenten Jack Warner aus dem Jahr 2000, der den Verdacht eines versuchten Stimmenkaufs nahelegte. Dem widersprach der "Kaiser" in einem Interview, nachdem er zuvor wochenlang zu der Affäre geschwiegen hatte. Außerdem habe er "immer blind unterschrieben, wenn sie meine Unterschrift gebraucht haben", sagte Beckenbauer der "Süddeutschen Zeitung". "Wenn ich jemandem vertraue, unterschreibe ich alles. Blanko!"
FIFA-Reform soll Korruption verhindern
Sowohl die FIFA als auch der DFB stehen vor einer ungewissen Zukunft. Beide Affären sind noch lange nicht ausgestanden. So wurden Anfang Dezember bei einer weiteren Polizeiaktion in Zürich vor einer Sitzung des FIFA-Exekutivkomitees mit Juan Angel Napout aus Paraguay und Alfredo Hawit aus Honduras erneut zwei FIFA-Vizepräsidenten in Auslieferungshaft genommen. Sie standen auf einer Liste von 16 hochrangigen Fußballfunktionären aus Mittel- und Südamerika, gegen die die US-Justiz wegen Korruptionsverdacht ermittelt. Am 26. Februar soll bei einem FIFA-Kongress in Zürich der Nachfolger Joseph Blatters gewählt und eine Strukturreform verabschiedet werden, mit der man hofft, der Korruption im Fußballweltverband Einhalt gebieten zu können. Unter anderem ist geplant, dass wichtige FIFA-Ämter künftig nur noch maximal zwölf Jahre lang von derselben Person bekleidet werden dürfen.
Grindel in den Startlöchern
Der neue DFB-Präsident soll erst gewählt werden, wenn die Affäre um die WM 2006 restlos aufgeklärt ist. Das kann sich noch hinziehen. DFB-Schatzmeister Reinhard Grindel rechnet frühestens im Februar mit den Ermittlungsergebnissen einer externen Anwaltskanzlei. Grindel steht als wahrscheinlicher Nachfolger Wolfgang Niersbachs in den Startlöchern. Der CDU-Bundestagsabgeordnete weiß die Amateurverbände des DFB hinter sich. Er würde alles andere als ein leichtes Erbe antreten.