"Schulz verliert die Nerven"
26. Juni 2017CSU-Chef Horst Seehofer hat den Angriff von SPD-Chef Martin Schulz auf Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Union scharf kritisiert. "Er scheint zu einem relativ frühen Zeitpunkt des Wahlkampfes die Nerven verloren zu haben", sagte Seehofer. "Das ist kein gutes Zeichen für einen Kanzlerkandidaten. Eigentlich unwürdig", fügte er in München hinzu.
Der SPD-Kanzlerkandidat hatte der Union auf dem Bundesparteitag vorgeworfen, sich der Debatte um die Zukunft des Landes zu verweigern und eine geringere Teilnahme an der Wahl billigend in Kauf zu nehmen. "Ich nenne das einen Anschlag auf die Demokratie", sagte Schulz.
Die Empörung ist in den Unions-Parteien einhellig. "Das ist schon ein ungewöhnlicher Vorwurf, das Wort von einem 'Anschlag gegen Demokratie' gegen die Bundeskanzlerin zu richten", sagte CDU-Vizechef Armin Laschet in Berlin. "Das zeigt eher seine Verzweiflung, jetzt solche absurden Argumente zu suchen", betonte der designierte nordrhein-westfälische Ministerpräsident. Die Union kämpfe für eine steigende Wahlbeteiligung. Diese habe es in den vergangenen drei Landtagswahlen gegeben - zugunsten der CDU.
Zuvor hatten bereits die Generalsekretäre von CDU und CSU Schulz attackiert. "So groß darf die Verzweiflung niemals sein, dass wir Demokraten uns gegenseitig Anschläge auf die Demokratie vorwerfen", twitterte CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Die SPD müsse sich überlegen, mit wem sie eigentlich noch koalieren wolle. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der "Passauer Neuen Presse" (Montagausgabe), die persönlichen Attacken gegen Kanzlerin Angela Merkel zeigten die "riesige Ratlosigkeit der SPD".
"Vor Konzernlobbyisten verbeugt"
Dagegen kritisierte Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht vor allem den Verzicht der SPD auf eine Vermögenssteuer im Wahlprogramm. "Der Parteitag ist der Endpunkt einer großen Desillusionierung", sagte Wagenknecht der Zeitung "Welt". Die Prognose, dass die SPD mit Martin Schulz "wieder eine sozialdemokratische Partei" werde, habe sich nicht erfüllt.
Weiter sagte Wagenknecht: "Tatsächlich hat die Partei nun ein Wahlprogramm beschlossen, das sich noch ängstlicher vor den Wünschen der Konzernlobbyisten und Superreichen verbeugt als frühere Programme." Dazu passe, dass die SPD nicht mal mehr wage, "eine Besteuerung der Vermögen von Multimillionären und Milliardären zu fordern". Schulz wende die gleiche Wahlkampftaktik an wie Kanzlerin Angela Merkel, kritisierte Wagenknecht. "Eine SPD, die nichts wesentlich anders machen will als die Union, braucht kein Mensch."
"Als Tiger gesprungen…"
Zurückhaltender reagierte die Linken-Vorsitzende Katja Kipping, doch auch sie äußerte Zweifel am Willen des SPD-Kanzlerkandidaten, einen echten Regierungswechsel etwa hin zu Rot-Rot-Grün herbeiführen zu wollen. Schulz habe zwar gezeigt, dass er gegenüber Merkel noch nicht aufgegeben habe. Fraglich sei, ob er seine Gerechtigkeitswende auch mit der SPD durchsetzen könne. "Die Abstimmung gegen die Vermögenssteuer auf dem SPD-Parteitag lässt daran zweifeln." Kippings Fazit: "Martin Schulz ist als Tiger abgesprungen. Damit er nicht als Bettvorleger in einer großen Koalition landet, braucht es eine starke Linke."
Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir warf der SPD beim Thema Klimaschutz einen Etikettenschwindel vor: "Sie redet zwar von Klimaschutz, macht aber keinen", sagte Özdemir. Die Sozialdemokraten sagten nichts zum Ausstieg aus der Kohleenergie. Zudem wolle die SPD bis 2050 lediglich "weitestgehend" auf erneuerbare Energien umsteigen - "ohne ein klares Instrument vorzuschlagen", bemängelte der Grünen-Chef.
Zu den wichtigsten Punkten des SPD-Wahlprogramms, das von den SPD-Delegierten am Sonntag ohne Gegenstimme bei nur einer Enthaltung beschlossen wurde, zählt die Forderung nach Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen und höheren Steuern für Spitzenverdiener. Das strittige Thema Vermögensteuer hatte die Parteispitze kurz vor dem Parteitag vertagt, in dem sie eine Kommission gründete.
stu/rb (dpa, rtr)