Memoiren des Ex-Kanzlers
26. Oktober 2006Widerstand gegen die "Agenda 2010"
Nach der Vorlage des Reformpakets "Agenda 2010" sei ihm und Müntefering schnell klar geworden, dass es angesichts des Aufbegehrens von SPD-Mitgliedern und der oft "zynischen" Kampagne der Gewerkschaften um die Regierungsfähigkeit der Sozialdemokraten gehe. Teile der DGB-Spitze hätten "systematisch" auf seinen Sturz hingearbeitet. "Dem IG-Metall-Vorsitzenden Jürgen Peters und dem ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske ging es nicht mehr nur um Änderungen an Details der "Agenda 2010", vielmehr wollten sie mich als Bundeskanzler zu Fall bringen", schreibt der ehemalige Bundeskanzler. "Die Diffamierung des Reformpakets als unsozial" sei auch von führenden SPD-Mitgliedern vor allem aus Hessen, Niedersachsen und dem Saarland sowie von "lautstarken Minderheiten" in der Bundestagsfraktion betrieben worden. Schröder gab Parteilinken auch eine Mitschuld, dass eine neue Linkspartei entstanden sei.
Neuwahl-Entscheidung
Das Aufgeben der Reform-"Agenda 2010" hätte den Rücktritt Schröders unvermeidlich gemacht. Deshalb habe er mit SPD-Chef Franz Müntefering verabredet, den Ausgang der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 23. Mai abzuwarten. Angesichts der "schockierenden" SPD-Zahlen am Wahlabend habe er Müntefering gefragt: "Franz, was ist, schaffen wir das?" Der Parteichef habe geantwortet: "Ich bin nicht sicher." Daraufhin hätten beide gemeinsam entschieden, auf Neuwahlen zu setzen. Schröder: "Ich bleibe dabei, es war eine staatspolitisch notwendige Entscheidung."
Kritik an politischen Gegnern
Neben den Auseinandersetzungen mit der eigenen Partei, geht Schröder in seinen Memoiren auf seine politischen Gegner ein. Dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber warf er Zaudern in wichtigen Phasen und taktisches Verhalten zum Schaden der Union vor. Der Ex-Kanzler schildert, wie er Ende 2003 zusammen mit Frankreichs Präsident Jacques Chirac vergeblich Stoiber zu überreden versuchte, das Angebot anzunehmen, neuer EU-Kommissionspräsident in Brüssel werden. Das Bild von US-Präsident George W. Bush zeichnet Schröder hingegen überraschend positiv. Der Altkanzler beschreibt Bush als fast kumpelhaften Typen. Allerdings sei er trotz der entspannten Atmosphäre bei einigen Treffen auch misstrauisch geworden. "Immer wieder klang auch in unseren Gesprächen unter vier Augen durch, wie sehr sich dieser Präsident als "gottesfürchtig" und im Einklang mit dieser für ihn höchsten Instanz verstand", schreibt Schröder. Das Problem, das er mit einer solchen Position habe, beginne dort, wo sich der Eindruck aufdränge, politische Entscheidungen seien die Folgen des Gesprächs mit Gott. Diese Absolutheit im Anspruch habe seine politische Skepsis verstärkt.
"Merkel fehlt Führungsstärke"
In aktuellen Interviews kritisierte Schröder Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Arbeit der großen Koalition: "Es fehlt einfach Führung." An anderer Stelle bemängelte er: "Gelegentlich scheint mir ein Basta zu fehlen." Führende Unionspolitiker haben die Kritik empört zurückgewiesen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) nannte die Vorwürfe am Montag verfehlt. "Basta hat man, glaube ich, lange genug gehört", betonte er vor einer Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin. (cin)