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Brexit: Ian McEwan hofft auf zweites Referendum

29. März 2019

Ob künstliche Intelligenz dem Königreich Großbritannien aus der Misere helfen könnte? Von menschlichen Robotern handelt der neue Roman des Bestsellerautor, der derzeit stark mit der britischen Außenpolitik hadert.

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Portraitfoto vom britischen Autor Ian McEwan in braunem Sakko mit fliederfarbenem Hemd und randloser Brille (Foto: picture-alliance/dpa/Toni Albir)
Bild: picture-alliance/dpa/Toni Albir

Ian McEwans neuer Roman "Maschinen wie ich", der am 22. Mai 2019 in Deutschland erscheinen wird, schreibt die britische Geschichte neu: Angesiedelt im London der 1980er Jahre hat Großbritannien den Falklandkrieg verloren, Margaret Thatcher kämpft mit einer starken Linken und der renommierte Informatiker Alan Turing, berühmt für seine Entschlüsselung des Enigma-Code der Deutschen im Zweiten Weltkrieg, begeht keinen Selbstmord, sondern schafft stattdessen künstliche Intelligenz.

DW: Herr McEwan, welche Idee steckt hinter Ihrem neuen Buch? 

Ian McEwan: Der Roman handelt von einem jungen Mann, dessen Leben auseinanderbricht, und der zu etwas Geld kommt, als seine Mutter stirbt. Das Erbe haut er sogleich auf den Kopf und kauft sich davon einen Roboter: einen künstlichen Menschen. Selbst aus der Nähe betrachtet, erkennt man keinen Unterschied: Er ist sehr intelligent und seine Bewegungen sind menschengleich.

Ich wollte etwas erkunden, bei dem wir gerade erst am Anfang stehen. Künstliche Intelligenz und unsere Interaktion mit ihr nimmt immer mehr zu, das ist längst keine Science-Fiction mehr. Mich interessiert die moralische Komponente dahinter: Wie fühlt es sich tatsächlich an, mit etwas eine Beziehung einzugehen, das vorgibt, ein Bewusstsein zu haben? Glaubt man das wirklich?

Moralische Grundsatzfragen stehen in all Ihren Büchern im Zentrum. Allerdings bleiben Antworten auf diese aus.

Cover der Neuerscheinung von Ian McEwan mit Aufschrift "Machines Like Me". Darauf ist ein menschlicher Robert zu sehen
Deutsche Übersetzung "Maschinen wie ich" erscheint im Mai 2019

Nun, es gibt ja auch keine offensichtliche Antwort. Und auch für mich sind meine Romane moralische Erforschungen, auf die ich den Leser mitnehmen möchte. Künstliche Intelligenz wird kommen und wenn nicht bei uns, dann eben in anderen Ländern wie Mexiko oder China.

Das ist ähnlich wie mit der genetischen Optimierung von Babys. In China konnten Wissenschaftler bereits das Genom eines Babys so verändern, das es immun gegen AIDS sein wird. Ein bahnbrechendes Projekt, das aber auch eine rote Linie überschreitet. Meine Idee ist es also, all diese Fragen mit dem Leser zu erforschen. Lasst uns auf diese Reise gehen und lasst uns darüber reden!

Sie sprechen sich schon seit geraumer Zeit gegen den Brexit aus. Wie würden Sie den aktuellen Zustand Ihres Landes beschreiben?

Wir wissen nicht, wohin die Reise geht und durchleben gerade einen totalen Nervenzusammenbruch. Aber uns bleibt die Zukunft, um herauszufinden, was noch passieren wird. Wir haben einen extrem linken Oppositionsführer, welcher gegenüber der Europäischen Union ebenfalls feindlich eingestellt ist.

Diejenigen von uns, die immer dachten, es sei vernünftig, in der EU zu bleiben und sich stattdessen um die Städte zu kümmern, die nach Thatchers Reformen nahezu bankrott gegangen sind, haben jetzt das Gefühl, keine politische Stimme mehr zu haben. Im Parlament gibt es niemanden, der für fast die Hälfte des Landes gesprochen hat, die bleiben wollte.

Hinzu kommt, dass die EU-Verhandlungen um den Brexit-Vertrag erst der Anfang sind und vor uns noch ein langer, langer Weg liegt. Der Deal von Theresa May wird uns in eine sehr unangenehme Lage bringen. Wir werden eventuell 39 Milliarden Euro zurückzahlen müssen. Und das akzeptieren müssen, was wir bekommen. Aus diesem Grund haben viele Arbeitgeber gegen sie gestimmt.

Es wurde immer wieder behauptet, dass sich der Brexit auch gegen eine liberale Großstadt-Elite richtet. Haben Sie sich persönlich angegriffen gefühlt?

Nein, das habe ich nicht. Und ich denke, dass es sich hierbei nur um eine dieser Halblügen handelt, die während der Kampagne verbreitet wurden. 16,2 Millionen Menschen wären eine ziemlich große Elite - und wahrscheinlich ist sie in der Zwischenzeit auch schon weiter gewachsen.

McEwan: "Wir wissen gar nicht, wo die Reise hingeht"

Nicht vergessen sollten wir hingegen, dass es bei der Volksabstimmung viele 16-Jährige gab, die wählen wollten und es jetzt könnten. Laut Umfragen wäre eine überwältigende Mehrheit von ihnen fürs Bleiben, also zwei oder eineinhalb Millionen zusätzliche Stimmen. Gesetzt dem Fall, dass es gelingt, 18-Jährige aus dem Bett zu holen und zur Wahlurne zu bringen.

Das ist natürlich ein Problem aller Demokratien, dass nur die Alten wählen gehen. Es sind die Alten, die darüber entscheiden, wer der nächste konservative Premierminister wird. 

Sie sprechen sich für eine zweite Volksabstimmung aus. Setzen Sie sich weiterhin dafür ein?

Ja. Ich werde für die Titelseite des "The Guardian" einen Artikel schreiben. Aber nun ja, was soll das bringen? Alle "Guardian"-Leser wollen ja in der EU bleiben. Es wird uns allen eine gewisse Genugtuung geben, einen Text darüber zu lesen, aber eigentlich sollte ich ihn wohl für "The Daily Mail" schreiben. Sollte es aber jemals ein zweites Referendum geben, werde ich mich dafür engagieren und jede freie Minute opfern.

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Birgit Maaß UK-Korrespondentin