Schriftsteller Aharon Appelfeld ist tot
4. Januar 2018Aharon Appelfelds Bücher wurden in 35 Sprachen übersetzt. In seinen Werken widmete er sich immer wieder dem jüdischen Leben vor dem Holocaust und seinen Kindheitserinnerungen aus Osteuropa. Über die Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten schrieb er dagegen nur selten. "Das ist ein einziges Grauen, das man nicht beschreiben kann", sagte er im vergangenen Jahr gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Auf Deutsch erschienen unter anderem seine Bücher "Der Mann, der nicht aufhörte zu schlafen", "Zeit der Wunder" und "Ein Mädchen nicht von dieser Welt". Der Buchtitel seiner jüngsten Veröffentlichung in deutscher Sprache lautet "Meine Eltern". Darin beschreibt Appelfeld sowohl die Brutalität des heranrückenden Krieges als auch die bürgerliche Welt vor Ausbruch der Katastrophe.
Vater und Sohn überlebten den Krieg
Der 1932 geborene Appelfeld wuchs als Kind assimilierter Juden in der heutigen Ukraine auf. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war er sieben Jahre alt. Nach Einmarsch der Deutschen wurde seine Mutter ermordet. Appelfeld musste ihre Schreie mitanhören - in seinem literarischen Zeugnis "Geschichte eines Lebens" erinnert er sich an jene Nacht. Nach dem Tod der Mutter kam Appelfeld mit seinem Vater in ein Arbeitslager in Transnistrien. Nach der Deportation wurden Vater und Sohn voneinander getrennt.
Dem jungen Aharon Appelfeld, der damals Erwin hieß, gelang die Flucht. Über mehrere Jahre versteckte er sich, gab sich bei umliegenden Bauern als christliches Waisenkind aus. 1944 schloss er sich als Küchenjunge der Roten Armee an. Nach Kriegsende und Aufenthalten in verschiedenen Durchgangslagern gelang ihm 1946 die Ausreise nach Palästina, wo er 1957 seinen Vater wiedersah. "Er hat mich wiedererkannt, ich ihn nicht", erinnerte sich Appelfeld.
"Ambivalentes Verhältnis" zum Deutschen
Von 1975 bis 2001 war Appelfeld Professor für Hebräische Literatur an der Ben-Gurion-Universität Be'er Sheba. In den 1950-er Jahren hatte er Jiddische und Hebräische Literatur in Jerusalem studiert. Die hebräische Sprache lernte Appelfeld jedoch erst nach seiner Einreise ins heutige Israel. Mit seinen Eltern und Großeltern hatte er Deutsch und Jiddisch gesprochen.
Nach Deutschland reiste Appelfeld erstmals um die Jahrtausendwende. Sein Verhältnis zum Deutschen beschrieb er als "ambivalent". Trotz seiner schweren Geschichte könne er keine Wut empfinden. "Wenn ich auf das Deutsche wütend wäre, dann wäre es, als ob ich auf meine ermordete Mutter wütend wäre, und das kann ich nicht", erklärte Appelfeld.
Für seine Bücher erhielt der Schriftsteller mehrere Auszeichnungen, darunter 1983 den Israel-Preis, der als höchste Ehrung des Staates Israel gilt, sowie mehrmals den amerikanischen National Jewish Book Award.
pr/gb (dpa, afp, Munzinger, Rowohlt)