Schrempps Strategiedebatte
29. April 2004Es sollte ein turnusmäßiger Termin sein: Am Donnerstag (29.4.2004) hat die DaimlerChrysler AG ihre Geschäftszahlen für das erste Quartal 2004 vorgestellt. Anschließend diskutiert Vorstandschef Jürgen Schrempp in New York die Ergebnisse mit dem Aufsichtsrat des amerikanisch-deutschen Autoherstellers. Doch die Zahlen sind in den Hintergrund gerückt, seit DaimlerChrysler eine Woche zuvor (22.4.2004) überraschend mitgeteilt hat, dass der Konzern sich nicht an einer nötigen Kapitalerhöhung für das Partnerunternehmen Mitsubishi Motors Corporation (MMC) beteiligen werde.
Wie es für den viertgrößten japanischen Autobauer weitergehen wird, ist ungewiss. Die Aufsichtsratsmitglieder von DaimlerChrysler dürfte vor allem interessierten, welche Strategie Schrempp nun für Asien hat. Mit dem angekündigten Rückzug bei MMC fällt der wichtigste Pfeiler seiner Pläne für diese Region weg. Damit steht auch Schrempps Strategie der "Welt AG" DaimlerChrysler zur Debatte. Diese von ihm entwickelte Idee meint, dass der Autokonzern in Asien, Europa und Nordamerika gleichermaßen mit Unternehmensbeteiligungen etabliert ist. Vor der Sitzung am Donnerstag hieß es in Medienberichten erneut, Schrempp habe keine Rückendeckung mehr.
Kein Zeitdruck
Wie konkret sich Schrempp am Donnerstag äußert, ist unklar. "Mich würde es wundern, wenn er so kurzfristig schon etwas Neues aus dem Hut zaubert", sagt auch Georg Stürzer von der HypoVereinsbank in München. Neuigkeiten zu einem MMC-Ersatz im PKW-Geschäft sind nicht zu erwarten. Denn die Verbindung mit Mitsubishi Motors hatte seinen Charme, weil die Japaner eine Modellplattform produzieren, die für unterschiedliche Automobiltypen der einzelnen Marken von DaimlerChrysler und MMC verwendet werden kann. Diese Plattformen werden derzeit gebaut, die ersten Personenwagen sollen ab 2005 auf den amerikanischen und japanischen Markt kommen. Bei einem Lebenszyklus für Automodelle von sechs bis acht Jahren müsste ein Ersatzpartner für MMC erst 2010 oder noch später feststehen. Produktionstechnisch besteht kein Zeitdruck.
Robert Pottmann von der Privatbank M.M. Warburg & Co. in Hamburg erwartet trotzdem ein Signal auf der Aufsichtsratssitzung von DaimlerChrysler: "Schrempp müsste ein Statement abgeben, ob er sich im Personenwagengeschäft von der Strategie der 'Welt AG' verabschiedet oder ob er sie fortsetzt, also wie sich DaimlerChrysler im PKW-Geschäft zukünftig positioniert", sagt der Aktienanalyst für die Automobilindustrie.
Aus eigener Kraft wachsen
Die Frage ist also: Bleibt DaimlerChrysler im Marktsegment für Personenwagen auch in Asien so stark engagiert wie bisher? Zwingend wäre das nach Ansicht von Branchenexperten nicht. DaimlerChrysler könnte auch aus eigener Kraft in der Region wachsen. Die DaimlerChrysler-Marke Mercedes wird bereits in China gefertigt. Und auch der US-Wagen Chrysler könnte nach Asien gebracht werden. Direkt nach Bekanntgabe des Rückzugs bei Mitsubishi Motors flog DaimlerChrysler-Chef Schrempp für Gespräche nach China, um über das weitere Engagement seines Konzerns in dem Land zu sprechen. Die Reise sei schon länger geplant gewesen.
Neben dem Problem Mitsubishi Motors dürfte auf der New Yorker Aufsichtsratssitzung das Thema Hyundai eine Rolle spielen. Die Partnerschaft des südkoreanischen Autoherstellers mit DaimlerChrysler im Nutzfahrzeuggeschäft stehe auf dem Prüfstand, hieß es zuvor aus der Hyundai-Zentrale in Seoul. Stattdessen hat DaimlerChrysler im Nutzfahrzeugsegment mit einem weiteren Mitsubishi-Unternehmen, dem LKW-Bauer Mitsubishi-Fuso, den Markteintritt in Asien geschafft. Der Autoriese ist an dem japanischen Hersteller mit 65 Prozent beteiligt. Im Nutzfahrzeuggeschäft bleibt Schrempp damit bei seiner Idee der "Welt AG".
"Seine letzte Chance"
Neben diesen beiden Themen soll eines am Donnerstag nicht zur Debatte stehen: Der Rücktritt Jürgen Schrempps als Konzernchef. Ein DaimlerChrysler-Sprecher hatte Vermutungen darüber vor der Aufsichtsratssitzung als "Unsinn" bezeichnet. Trotzdem wird in der Automobilbranche darüber spekuliert, wie viel Zeit der Vorstandsvorsitzende der "Welt AG" noch hat, um seine Pläne umzusetzen. So meint Pottmann von M.M. Warburg & Co, der Rückzug bei Mitsubishi Motors sei eine Niederlage für Schrempp gewesen. "Sollte sich demnächst bei Chrysler oder woanders im Konzern ein neues Feuer auftun, wird es sicherlich eng für Schrempp. Ich denke, das ist jetzt seine letzte Chance", sagt der Aktienanalyst.