Neue Vorwürfe: Luxemburg unter Druck
8. Februar 2021Noch in der Nacht zu Montag, bevor die Zeitungen mit ihren neuen Recherchen zum Finanzplatz Luxemburg erschienen, hat die Regierung des Großherzogtums eine lange Presseerklärung veröffentlicht. Darin werden sämtliche Vorwürfe und Erkenntnisse aus den monatelangen Untersuchungen von riesigen Dateien aus Luxemburg zurückgewiesen.
"Luxemburgs Gesetzgebung ist in vollem Einklang mit allen EU- und internationalen Vorschriften und Transparenzstandards und wendet ausnahmslos alle EU- und internationalen Maßnahmen zum Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten und zur Bekämpfung von Steuermissbrauch und Steuervermeidung an", behauptet die Regierung und verwahrt sich gegen die Darstellung des zweitkleinsten EU-Staates als Steueroase. "Weder die EU noch die OECD haben ein schädliches Steuersystem oder schädliche Steuerpraktiken in Luxemburg festgestellt."
Millionen Dokumente ausgewertet
Das sieht ein internationales Netzwerk von großen Zeitungen unter der Führung der französischen "Le Monde" und der "Süddeutschen Zeitung" allerdings anders. Die Auswertung von vier Millionen Dokumenten im vergangenen Jahr habe ergeben, dass viele der Briefkastenfirmen in Luxemburg undurchsichtige Eigentümerstrukturen und Geschäftspraktiken hätten.
Zwar hat Luxemburg seit 2019 ein öffentliches Register für alle Firmen und deren Geschäftsführer. Aber nach Erkenntnissen der Recherche-Vereinigung, die unter dem Hastag "OpenLux" operiert, sind die Angaben bei rund der Hälfte der registrierten Firmen falsch oder lückenhaft. Wer von den Geschäften der Investmentfonds am Finanzplatz Luxemburg profitiert, sei oft nicht nachzuvollziehen.
"Le Monde" hat die Daten so aufbereitet, dass gezielt nach einzelnen Personen gesucht werden kann. "OpenLux" will alleine 256 Milliardäre unter den Firmen entdeckt haben, prominente Schauspieler, aber auch Angehörige von Potentaten aus Nordafrika und viele andere mehr. Drei Viertel aller Firmen in Luxemburg gehören Ausländern. Allein die Investmentfonds verwalten sechs Billionen Euro.
Steuerskandal LuxLeaks reloaded?
"Trotz aller Skandale und Ermittlungen zieht die Steueroase Luxemburg weiterhin internationale Konzerne und vermögende Personen an und macht es diesen leicht", schreibt die "Süddeutsche Zeitung". 2014 machte Luxemburg international Schlagzeilen, als Informanten aus der internationalen Beratungsgesellschaft "Price Waterhouse Coopers", unter anderem Antoine Deltour, öffentlich machten, wie der Staat Luxemburg Steuervermeidung förderte.
In den "LuxLeaks"-Papieren war nachzulesen, dass die Luxemburger Finanzbehörden mit großen Konzernen, die sich in Luxemburg ansiedelten, lächerlich geringe Steuersätze von einem Prozent vereinbarte. Der Image-Schaden für Luxemburg war damals gewaltig. Die "Whistleblower" wurden juristisch verfolgt, nicht die beteiligten Firmen oder Behörden. Die Steuerpraxis mit geheimen Absprachen hat das Großherzogtum mittlerweile stark zurückgefahren, aber andere dubiöse Geschäftsmodelle florieren laut des Medienverbundes "OpenLux" immer noch.
Luxemburgs Regierung wehrt sich
Die Luxemburger Regierung entgegnet, sie sei sich ihrer Verantwortung als internationaler Finanzplatz sehr wohl bewusst. Die Aufsichtsbehörden seien personell verstärkt worden und sämtliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung würden angewendet. Die Frage der Luxemburger Wochenzeitung "Woxx", warum es in den Firmenregistern so viele falsche und unvollständige Angaben gebe, beantwortete das Justizministerium so: "Es ist die Verantwortung der sich eintragenden Unternehmen die Angaben korrekt zu machen und zu aktualisieren."
Die Nichtregierungsorganisation "Transparency International" schätzt nach Sichtung der OpenLux-Datensätze, dass 80 Prozent der Luxemburger Briefkastenfirmen zur Geldwäsche missbraucht werden könnten. Es sei nicht klar, wer von den Geschäften eigentlich profitiere. Die eigentlichen Inhaber könnten sich hinter Strohmännern oder Zwischenhändlern verstecken, teilte Marie Martini von Transparency in einer schriftlichen Erklärung mit. Das Luxemburger Justizministerium sprach im September 2020 selbst davon, dass Geldwäsche eine große Bedrohung für den Finanzplatz sei, hält die derzeitigen Maßnahmen und Gesetze aber für ausreichend.
Noch kein transparentes Register in der EU
Die Enthüllungen aus den LuxLeaks-Papieren führten nach 2014 zu dem Versuch, die Steuer- und Finanzgesetzgebung in der Europäischen Union und auch international zu verschärfen. Ein öffentlich zugängliches Register, welches Unternehmen in welchem EU-Land wie viel Geld verdient und wie viel Steuern zahlt, gibt es bis heute allerdings nicht. Seit 2016 wird verhandelt. Die letzte Version wurde erst vor zwei Wochen in einer Arbeitsgruppe der Mitgliedsländer erneut abgeschmettert.
Das Europäische Parlament drängt darauf, aber einige Mitgliedsstaaten - darunter auch Deutschland und Österreich - blockieren dieses "Länderregister". Andere Staaten - wie Irland, die Niederlande, Malta oder Zypern, die von Lobbygruppen gegen Steuervermeidung als Steueroasen gebrandmarkt werden - haben ebenfalls kein größeres Interesse an mehr Transparenz, wie sie mit niedrigen Steuersätzen oder laxer Aufsicht Unternehmen anziehen.
Forderung aus dem Parlament
Der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, Markus Ferber (CSU), spricht von einem "offenen Geheimnis" mit Blick auf das Großherzogtum, dass nun erneut im Fokus steht: "Luxemburg betreibt ganz nonchalant eine innereuropäische Steueroase und die Europäische Kommission schaut weitgehend tatenlos zu. Die EU-Kommission sollte sich den Fall noch einmal sehr genau ansehen und im Zweifel auch vor einem Vertragsverletzungs-Verfahren nicht zurückschrecken, forderte Markus Ferber.
Durch diverse Steuertricks entgehen den EU-Staaten nach unterschiedlichen Berechnungen jährlich zwischen 20 und 170 Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Allerdings, darauf weisen die Autoren von OpenLux auch hin, illegal ist weder das Betreiben der Investment-Firmen in Luxemburg noch das Verschieben von Gewinnen zur Steuervermeidung. Ob Geschäfte tatsächlich gegen geltendes Recht verstoßen haben, lasse sich oft erst Jahre später im Nachhinein feststellen.