Scholz will mit "Deutschland-Pakt" aus der Krise kommen
6. September 2023In seiner Rede in der Haushaltsdebatte des Bundestags schlug Bundeskanzler Olaf Scholz einen "Deutschland-Pakt" vor, "der unser Land schneller, moderner und sicherer macht". Der Pakt soll laut Scholz Maßnahmen enthalten zur Planungsbeschleunigung, zur Stärkung des Wachstums, zur Digitalisierung der Verwaltung und zur Begrenzung der irregulären Migration. Der Kanzler appellierte an die 16 Bundesländer, an die Kommunen und ausdrücklich auch an die oppositionelle CDU/CSU: "Nur gemeinsam werden wir den Mehltau aus Bürokratismus, Risikoscheu und Verzagtheit abschütteln, der sich über Jahre, Jahrzehnte hinweg auf unser Land gelegt hat."
Scholz wandte sich direkt an Oppositionsführer Friedrich Merz
Scholz wandte sich in seiner Rede direkt an Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU): "Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung - lassen Sie uns unsere Kräfte bündeln." Viele Menschen warteten "geradezu sehnsüchtig auf diesen Schulterschluss". Das Gebot der Stunde sei "Tempo statt Stillstand, Handeln statt Aussitzen, Kooperation statt Streiterei".
Der "Deutschland-Pakt" soll demnach dort ansetzen, "wo die Bürgerinnen und Bürger Fortschritte am dringendsten erwarten". Im einzelnen nannte der Kanzler die Energieversorgung, "die sauber, sicher und bezahlbar sein muss"; den Bau neuer Wohnungen und Häuser; die Modernisierung und Digitalisierung der Infrastruktur; die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und eine "schnelle, leistungsfähige, digitale Verwaltung".
Dobrindt lehnt Kooperation nicht grundsätzlich ab
Für die CDU/CSU-Fraktion nahm CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt das Angebot des Kanzlers an. Er forderte Scholz aber auf, zunächst Einigkeit innerhalb der Ampel-Koalition mit Grünen und FDP herbeizuführen. "Beenden sie erst einmal die Streitereien in ihrem eigenen Laden", sagte er. "Dann kann man sich darüber unterhalten, ob man mit uns kooperieren kann."
Eine Kursänderung beim Thema Migration forderte im Bundestag CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei. In der "Rheinischen Post" kritisierte er das Angebot als unzureichend. "Die Bürger erwarten mehr als dünne Suppe", sagte Frei. Von einem "Offenbarungseid" von Scholz sprach im Internetdienst X (früher Twitter) der CDU-Politiker Jens Spahn.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich begrüßte gleichwohl im Bundestag eine grundsätzliche Offenheit in der Union für das Angebot des Kanzlers. FDP-Fraktionschef Christian Dürr verlangte in der Mediengruppe Bayern von den Ministerpräsidenten der Länder "ein Signal für eine gemeinsame Modernisierung unseres Landes". Dies gelte besonders für die unionsgeführten Landesregierungen.
Weil sieht ein "notwendiges Startsignal"
Positiv zum "Deutschland-Pakt" äußerte sich der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). "Wir müssen in Deutschland schneller und einfacher werden", erklärte er in Hannover. Scholz gebe mit seiner Rede "das dafür notwendige Startsignal".
"Die Ziele des Kanzlers sind richtig", sagte auch DIHK-Präsident Peter Adrian der "Rheinischen Post". Es gehe um "Ballast abwerfen, schneller werden, mutiger und digitaler agieren". Dafür müsse es jetzt aber auch "konkrete Ergebnisse" geben. Es sei wichtig, dass Veränderung "konkret in der Praxis ankommt".
NRW-Landeschef Wüst spricht von einem "PR-Gag"
Die Kommunen forderten im Rahmen des "Deutschland-Pakts" mehr finanzielle Mittel vom Bund. "Wenn Bund und Länder den 'Deutschland-Pakt' mit Leben füllen wollen, müssen sie ihn mit einer klaren finanziellen Basis unterlegen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der "Rheinischen Post". Er drang zudem auf eine Beteiligung der Kommunen bei der Ausgestaltung der Maßnahmen.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kritisierte den Kanzler-Vorschlag für einen "Deutschland-Pakt" als reinen "PR-Gag". "Ich fühle mich offen gesprochen veräppelt", sagte Wüst der Zeitung "Rheinische Post". Es gehe dabei um "Projekte, die ohnehin schon in der Pipeline sind und die wir als Länder schon seit langem fordern", kritisierte der Landeschef.
nob/ww (dpa, afp, rtr)