Scholz stimmt Bürger auf schlechte Zeiten ein
4. Juli 2022Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Bürger auf eine anhaltende Teuerung eingestimmt. "Die aktuelle Krise wird nicht in wenigen Monaten vorübergehen", sagte der SPD-Politiker zum Auftakt der sogenannten konzertierten Aktion mit Spitzenvertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften im Kanzleramt. Russlands Krieg in der Ukraine und die durch die Pandemie gestörten Lieferketten sorgten für generelle Unsicherheit. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich diese Lage auf absehbare Zeit nicht ändern wird", sagte Scholz. Deutschland stehe vor einer "historischen Herausforderung".
Ziel der Gespräche sind gemeinsame Instrumente, um den Preissteigerungen etwas entgegenzusetzen. Geplant ist ein längerer Prozess mit mehreren Treffen. Ergebnisse soll es erst im Herbst geben. "Wir werden als Land durch diese Krise nur gut durchkommen, wenn wir uns unterhaken, wenn wir uns gemeinsam auf Lösungen einigen", so Scholz. Die Gesellschaft sei viel stärker, als manchmal unterstellt werde. "Wichtig ist mir die Botschaft: Wir stehen zusammen", sagte der Kanzler.
"Vor uns liegen schwierige Jahre"
Auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sieht düstere Wolken am Horizont. "Dieses Land steht vor der härtesten wirtschafts- und sozialpolitischen Krise seit der Wiedervereinigung." Die Krise könne nur gemeinsam bewältigt werden. Ein stetiges Wirtschaftswachstum, wie es vor der Corona-Pandemie und dem Beginn des Ukraine-Krieges verzeichnet wurde, sei "keine Selbstverständlichkeit" mehr. "Vor uns liegen schwierige Jahre." Die Politik könne durch eine Absenkung von Steuern und Sozialabgaben dafür sorgen, dass die Bürger "mehr netto vom brutto" bekämen, erklärte Dulger.
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, sagte, es gehe darum, "jetzt alles zu unternehmen, um eine Rezession zu verhindern, Standorte zu stabilisieren, Wertschöpfungsketten zu erhalten und Beschäftigung zu sichern". Man sei sich in der Runde einig gewesen, dass es bisher keine Lohn-Preis-Spirale gebe, die Inflation also nicht von hohen Löhnen angetrieben werde, so die DGB-Chefin. Durch die bereits verabschiedeten Maßnahmen der Regierung werde ein durchschnittlicher Arbeitnehmerhaushalt um 1000 Euro entlastet. Doch die Belastungen für die Privathaushalte gingen "deutlich darüber hinaus". Im Vorfeld hatte Fahimi unter anderem einen Energiepreisdeckel verlangt.
"Tisch der gesellschaftlichen Vernunft"
Die konzertierte Aktion erinnert an eine Initiative gleichen Namens, die 1967, also während einer großen Koalition in Deutschland, ins Leben gerufen wurde: Regierung, Gebietskörperschaften, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sollten sich - zusammen mit der Bundesbank - in gemeinsamen Gesprächsrunden abstimmen. Der damalige Wirtschaftsminister Karl Schiller sprach von einem "Tisch der gesellschaftlichen Vernunft".
jj/kle (dpa, afp, rtr)