Schnelltest für die Zukunft
8. Dezember 2014Deutsche Welle: Wieso war es so schwierig, den Ebola Schnelltest auf den Markt zu bringen?
Hans Hermann Söffing: Die Schwierigkeiten lagen vor allem darin, die klinischen Daten zu erheben. Wir hatten den Test technisch bereits Anfang des Jahres evaluiert. Aber um den Schnelltest mit gutem Gewissen zu verkaufen, braucht man klinische Daten von realen Patienten. Das war mit Sicherheit der organisatorisch anspruchsvollste Teil.
Was war denn daran so anspruchsvoll?
In Deutschland gibt es nun mal keinen Ebola Patienten. Man kann die klinischen Daten nur während eines Ausbruchs erheben. Wir haben bereits 2004 den ersten Ebola-Schnelltest veröffentlicht. Diesen haben wir weiter entwickelt. Es hat sehr lange gedauert, bis die WHO das große Erwachen bekommen hat. Und so haben wir den Schnelltest zusammen mit Health Focus auf Eigeninitiative evaluiert.
Waren nun fehlende Patienten oder mangelndes Interesse das Hauptproblem?
Natürlich haben wir uns über mangelndes Interesse sehr gewundert. Das war definitiv ein Problem. Aber wenn du die Kranken nicht von den Gesunden unterscheiden kannst, was machst du dann? Keiner hat auf uns reagiert, außer die Marburger Virologen, die uns vor Ort unterstützt haben.
Wie schnell und wie viel von dem Schnelltest kann Senova denn produzieren? Wie teuer ist ein solcher Test?
Der Test kostet drei Euro pro Stück. Wir produzieren 10.000 Stück am Tag, wenn wir wollen.
Der Test ist also definitiv soweit, in Westafrika eingesetzt werden zu können?
Wir haben schon Schnelltests verkauft oder kostenlos geliefert. Ich habe nicht das Gefühl, dass richtig viel Interesse vorhanden ist. Das steht im deutlichen Widerspruch zu der Zahl an Neuinfektionen, die die WHO befürchtet hat. Die Zahl der Betroffenen ist in Relation zu anderen todbringenden Krankheiten, die in Westafrika herrschen, relativ gering. Ich glaube, in Guinea fallen im Jahr mehr Leute tot von der Leiter, beim Versuch, sich illegal ins Stromnetz einzuklinken.
Gibt es denn inzwischen eine gesteigerte Nachfrage für den Schnelltest?
Die Nachfrage ist gigantisch. Es scheiterte bisher daran, dass wir die klinischen Daten nicht bekommen haben und dass die WHO und ihre Partner die technische Daten für so einen Test nicht erhoben haben. Es gibt ja auch die Bestätigungsdiagnostik, die Polymerase-Kettenreaktion (PCR).
Aber der PCR-Test braucht Stunden, um Ebola nachzuweisen. Ihr Test nur zehn Minuten...
Man darf die Systeme nicht vergleichen. Die PCR kann auch sehr geringe Virusspuren nachweisen und damit schwächere Infektionsstadien erkennen. Das kann der Schnelltest nicht. Der Einsatzort ist zudem unterschiedlich. Wir sehen unseren Test beispielsweise bei den Teams, die Dörfer besuchen. Wenn die Teams einen Kranken oder Verstorbenen finden, müssen sie in kurzer Zeit vor Ort herausfinden, was die Ursache ist.
Die PCR-Diagnostik dauert länger. Die 15 Minuten, von denen die Briten schreiben, stimmen zwar für die Analyse selbst. Man muss die Probe aber vorbereiten. Es geht also eher um 40 Minuten oder eine Stunde. Man kann nicht jedem Team ein Gerät für 30.000 Euro mitgeben. Momentan ist das möglich. Im Februar nächsten Jahres - wenn sich die Welt nur noch einen Dreck für Ebola interessiert und keiner mehr da ist, die WHO abgerückt ist und die Bundeswehr schon gar nicht mehr weiß, wie Westafrika geschrieben wird – sieht es anders aus. Dann gibt es noch einige, wenige Leute wie Health Focus. Aber die können sich nicht für 70 Euro pro Messung eine PCR kaufen. Die können nur den günstigsten Schnelltest einsetzen, der 24 Monate bei Raumtemperatur lagerfähig ist. Diesen Anwender habe ich im Auge, nicht die aktuelle Krise. Um die zu bekämpfen, gibt es jetzt genug Manpower und Geld. Aber das ist keine nachhaltige Hilfe.
Wie genau ist das Ergebnis des Schnelltests?
Unser Test kann keine Garantie geben, ob Ebola vorliegt. Das kann PCR auch nicht. Wenn unser Test Ebola anzeigt, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich Ebola ist, bei 98 Prozent. Wenn unser Test sagt, es ist kein Ebola, könnte es trotzdem Ebola sein. Es gibt Patienten, deren Viruskonzentration im Blut zu niedrig ist, um sie mit dem Schnelltest nachzuweisen. Das heißt, uns laufen auch Patienten unter dem Radar durch. Deswegen braucht es im Zweifelsfall immer die Bestätigungsdiagnostik. Aber man kann durch den Schnelltest eine Therapie einleiten oder eine Isolation anordnen. Man kann sofort reagieren.
Welche Wirkung erhoffen Sie sich von dem Schnelltest?
Ich habe mit großen Organisationen gesprochen, die völlig schockiert waren, dass es bereits einen Schnelltest gibt und sie nichts davon wissen. Das ist eigentlich Aufgabe der WHO, das zu kommunizieren. Ich bin noch nicht ganz sicher, was der Hintergrund ist. Wir reden hier von einem einfachen Werkzeug, das ein Arzt in seine Werkzeugkiste bekommt. Und dieses Werkzeug funktioniert genau so, wie es auf der Bedienungsanleitung steht. Die Viruslasten, die wir nachweisen können, geben wir auch an. Ein Arzt hat dadurch - zusätzlich zu allen anderen diagnostischen Möglichkeiten - diesen Schnelltest, um die bestmögliche Therapie für den Patienten zu gewährleisten.
Es geht nicht darum, bestehende Labordiagnostiken abzulösen. Es geht darum, dem Arzt einfach mehr Werkzeuge in die Hand zu geben, damit der schneller die richtigen Entscheidungen treffen kann. Wir vergleichen uns nicht mit der PCR.
Können Sie sich diese Zweischneidigkeit zwischen Nachfrage und langsamer Entwicklung irgendwie erklären?
In Guinea hatte ich den Eindruck, dass man einfach darauf wartet, dass größere Konzerne unseren Entwicklungsstand erreichen, um dann den Durchbruch feiern zu können. Da sind uns und Health Focus Steine in den Weg gelegt worden.
Hans Hermann Söffing ist Inhaber der Weimarer Firma Senova. Sie stellt Schnelltests für Krankheiten wie Ebola her. Für den Test tropft ein Arzt Blut oder Speichel auf einen Teststreifen. Nach zehn Minuten gibt es ein Ergebnis. Den Schnelltest evaluierte Senova zusammen mit der Beratungsfirma Health Focus.
Die Fragen stellte Valentin Betz