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Schmutziges Öl legt die Druschba-Pipeline lahm

7. Mai 2019

Verunreinigtes Erdöl aus Russland verstopft noch immer den wichtigsten Lieferweg für mehrere Länder. Weißrussland, Polen und Deutschland sind besonders betroffen. Die finanziellen Folgen sind noch völlig unklar.

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Brandenburg - Druschba - Öl-Pipeline
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Deutschland hat ein ernstes Problem mit seinem größten Energielieferanten Russland. Seit zwei Wochen ist der wichtigste Weg zur Belieferung der führenden Volkswirtschaft Europas mit russischem Öl blockiert: die Pipeline Druschba (Freundschaft). Schon zu Zeiten der Sowjetunion wurde über sie die ehemalige DDR versorgt, auch andere kommunistische "Bruderländer" waren an dieses Pipelinesystem angeschlossen. Seit dem 25. April können die heutigen EU-Mitglieder Polen, Ungarn, Slowakei und Tschechien ebenfalls kein Öl mehr über die Druschba aus Russland beziehen. Warschau, Budapest und Prag haben bereits ihre staatlichen Notreserven anzapfen müssen. Verbraucher in Deutschland müssen durch die Unterbrechung bislang keine Engpässe befürchten. Die Versorgung mit Benzin, Diesel und Heizöl sei gesichert, teilten deutsche Behörden mit. Es gebe ausreichend Reserven.

Millionen Tonnen verunreinigten Erdöls

Das Problem ist technischer Natur. In die Pipeline ist auf russischem Territorium, laut Angaben aus Moskau vermutlich im Gebiet Samara an der Wolga, stark verschmutztes Erdöl gelangt. Es enthält Chloride, die besonders aktiv bei der Förderung aus weitestgehend ausgeschöpften Quellen verwendet werden, dann aber unbedingt entfernt werden müssen. Denn sie können in den Raffinerien schwere Korrosionsschäden verursachen.

Infografik Karte Öl-Pipeline "Druschba"

Statt einer maximal zulässigen Konzentration von 10 ppm (parts per million) soll das Öl in der Druschba-Leitung bis zu 330 ppm Chloride enthalten haben. Da die Raffinerien sich weigerten, einen derart verunreinigten Rohstoff anzunehmen, wurde seine Durchleitung von den Pipelinebetreibern in allen Abnehmerländern gestoppt. Bis nach Deutschland ist er, wie der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) gegenüber der DW versicherte, nicht gekommen.

Nach wie vor ist völlig unklar, wie viel von dem kontaminierten Rohöl sich letztendlich in den mehrere Tausend Kilometer langen Pipelines auf weißrussischem, polnischem, ukrainischem, ungarischem, slowakischem und tschechischem Boden angestaut hat. Angeblich sollen in Russland bis zu fünf Millionen Tonnen oder 37 Millionen Barrel in das System gelangt sein. Das würde in etwa der monatlichen Kapazität der nun verstopften Druschba-Pipeline entsprechen. Andere Quellen sprechen von drei Millionen Tonnen.

Der größte Leidtragende ist bislang Belarus

Der größte Leidtragende unter den Abnehmer- und Transitländern ist bislang wohl Belarus. Die weißrussische Wirtschaft ist sehr stark von Öl aus Russland abhängig, es wird zu Vorzugspreisen geliefert und in zwei Raffinerien zu Benzin, dem wichtigsten Exportartikel und Devisenbeschaffer des Landes, verarbeitet. Auch für die Durchleitung des Öls kassiert Minsk Geld.

Daher sind ein Stillstand der Druschba und ein Herunterfahren der Benzinproduktion ein schwerer Schlag für die ohnehin geschwächte, staatlich gelenkte weißrussische Wirtschaft. Zudem soll die Ausrüstung der Raffinerie in Masyr durch das chlorhaltige Öl ernsthaft beschädigt worden sein. Bereits Ende April bezifferte Minsk seine Verluste mit 100 Millionen US-Dollar, nun heißt es, die endgültige Rechnung an Russland werde bedeutend höher ausfallen.

Belarus hatte seinen Abschnitt der Druschba bereits am 24. April gesperrt, neues, "sauberes" Öl aus Russland kam in Masyr erst am 4. Mai an, doch noch am 6. Mai berichtete die dortige Raffinerie, sie sei nach wie vor mit der Säuberung der Anlage beschäftigt. Am gleichen Tag meldete die Ukraine, sie habe die  Durchleitung russischen Öls in Richtung EU wiederaufgenommen.

russland Bryansk - Druschba - Öl-Pipeline
Eine Pumpstation der Druschba-Pipeline in der Region BryanskBild: picture-alliance/dpa/TASS/A. Saverkin

Wiederaufnahme der Lieferungen nach Südosteuropa am 18.Mai?

Bei Masyr teilt sich nämlich die Druschba in zwei Stränge. Der kleinere, südliche, führt über die Ukraine nach Ungarn, die Slowakei und Tschechien. Laut dem ukrainischen Pipeline-Betreiber Ukrtransnafta könnte das "saubere" russische Öl diese EU-Länder voraussichtlich am 18. Mai erreichen. Das würde für diese Abnehmer eine Lieferunterbrechung von mehr als drei Wochen bedeuten.

Wie lange Polen und Deutschland auf russisches Öl werden warten müssen, ist dagegen nach wie vor völlig unklar. Sie werden nämlich über den nördlichen, weitaus größeren Strang der Druschba-Pipeline beliefert, und der scheint mit beachtlichen Mengen des verunreinigten Rohstoffes sehr stark verstopft zu sein. Die müssen erst einmal entfernt und entsorgt werden. Zumindest kündigte der russische Energieminister Alexander Nowak eine Rückkehr zu den üblichen Exporten für die nächsten Wochen an: "Was die Normalisierung der Lage betrifft, erwarten wir dies für die zweite Mai-Hälfte", sagte er am Dienstag.

Im Ostseehafen Ust-Luga wird schmutziges Öl auf Tanker verladen

Auf die Frage, wie und auf wessen Kosten das geschehen soll, wurde öffentlich bislang keine Antwort gegeben. Die russische Regierung hat allerdings mit allen betroffenen Staaten bereits zwei Mal (diskrete) Verhandlungen geführt, wie Energieminister Alexander Nowak am 7. Mai mitteilte. 

In Belarus wird die Entsorgung vom staatlichen russischen Ölpipeline-Monopolisten Transneft so gewährleistet: Das kontaminierte Öl wird in Kesselwagen der staatlichen russischen Eisenbahn verladen, dann in den russischen Schwarzmeerhafen Noworssijsk gebracht, dort mit sauberen Öl vermischt, in Tanker gepumpt und exportiert. Die gleiche "Vermischungstechnologie" wird auch im russischen Ostseehafen Ust-Luga angewandt.

Er ist mit der Druschba durch die Pipeline BPS-2 verbunden, in die ebenfalls große Mengen verunreinigten Öls gelangt sind. Trotzdem stand Ust-Luga nur einen Tag still, an allen anderen wurden Tanker beladen, die dann in Richtung Niederlande und andere EU-Staaten in See stachen. Laut neuesten Angaben aus Moskau soll "sauberes" Öl am 8. Mai den Hafen erreichen. Am 7. Mai meldete Reuters, die Qualität des verladenen Rohstoffes schwanke stark, die Konzentration von Chloriden betrage 60-75 ppm.           

Anteilseigner deutscher Raffinerien aktiv im Russland-Geschäft 

Die deutschen Raffinerien in Schwedt und Leuna, die eigentlich über die Druschba beliefert werden sollten, nun aber auf  Versorgung über den Ostseehafen in Rostock angewiesen sind, müssen also aufpassen, dass sie jetzt kein verunreinigtes russisches Öl auf dem Seeweg statt auf dem Landweg bekommen.

Dass diese Unternehmen trotz der prekären Situation auffälliges Stillschweigen bewahren, könnte daran liegen, dass ein Anteilseigner der PCK-Raffinerie in Schwedt der russische Staatskonzern Rosneft ist, der an der Verunreinigung dermaßen großer Mengen russischen Öls vielleicht, wie einige Medien vermuten, doch nicht so unschuldig ist, wie er beteuert. Sein Partner ist der britisch-niederländische Öl- und Gasmulti Shell, der aktiv im russischen Energiesektor mitmischt. Und auch der französische Konzern Total, dem das Werk in Leuna gehört, hat große Interessen in Russland.    

Wie dem auch sei, die Lieferausfälle und Qualitätsprobleme beim russischen Exportartikel Nr.1 bedeuten "einen sehr ernsthaften ökonomischen, materiellen und auch Image-Schaden" für Russland. Das war dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bereits am Vorabend des 1.Mai-Feiertages klar, als er den Transneft-Chef  in den Kreml zitierte. Dabei konnten die tatsächlichen Verluste damals nicht einmal annähernd eingeschätzt werden. Das kann man wohl auch heute noch nicht. Immerhin sind nach Auskunft des russischen Energieministers Nowak mittlerweile vier Verdächtige festgenommen worden. Es werde wegen Diebstahls, Beschädigung von wichtigen Objekten und Gründung einer kriminellen Gruppe ermittelt.