Schloss Elmau - Bayerische Herbst-Idylle
3. November 2015Als wir uns entschließen, doch noch einen Almdudler und ein Glas Veltliner zu bestellen, zeigt die Uhr schon fast fünf. Später Nachmittag, da wird die Alm eigentlich geschlossen. Doch Wirtin Astrid Fieber quittiert den späten Wunsch mit einem Lächeln und kehrt mit der Kräuterlimonade und dem Weißwein zurück. "Wir sind doch keine Beamten", sagt sie mit ihrer sonoren Stimme und überzeugt so auch die Herren am Nachbartisch. Eine Runde Weißbier vor dem Abstieg, das hebt die Wanderlust.
Die Elmauer Alm gibt es seit über 90 Jahren. Sie steht auf einer Höhe von 1203 Metern inmitten der fast unwirklichen Alpenkulisse: Zug-, Alp- und Dreitorspitze, das Karwendel, Soiern ganz im Osten - fast ist man froh über die schnell ziehenden Herbstwolken. Sie bilden das Echtheitszertifikat.
Herein in die gute Stube
"Man muss hier hochkommen, um runterzukommen", sagt Astrid Fieber, auch wenn sie die Hütte erst seit kurzem bewirtschaftet. Wie schon ihr Vorgänger bezieht sie alle Waren vom nahen 5-Sterne-Refugium Schloss Elmau, zu dem die Almhütte gehört. Doch während Küchendirektor Mario Corti im Tal Jakobsmuscheln und Steinbutt servieren lässt, verführt man uns in der Höhe eher mit Currywurst, Apfelstrudel oder Zitronenkuchen.
Als Barack Obama und die anderen G7-Chefs im Juni 2015 nach Schloss Elmau reisten, reichte die Zeit für den Alm-Aufstieg nicht. Ein freundliches "Grüß Gott" des US-Präsidenten im nahegelegenen Krün, danach ging es hinter verschlossenen Türen um die Probleme dieser Welt. Wir sind da besser dran: Es sind keine Interessen abzuwägen und keine Fronten zu klären. Für einen gelungenen Tag genügen festes Schuhwerk und eine Flasche Wasser für den Weg.
(Auch) der Weg ist das Ziel
Das Dörfchen Klais – streng genommen ist es nur ein Ortsteil von Krün – liegt kaum 100 Kilometer von München entfernt. Zum Kurort Garmisch-Partenkirchen mit seiner hübschen Fußgängerzone und dem Casino sind es vielleicht gerade zehn. Mit dem Auto ist das alles kaum der Rede wert, zumal die von München kommende A96 nur selten eine Geschwindigkeitsbegrenzung kennt. Rasend schnell in die Idylle des Wettersteingebirges, auch das ist Bayern. Schließlich muss die Entschleunigung des Bergwanderns lohnen. Mittelmaß gibt es hier nicht.
Kurz hinter Klais versperrt eine Schranke den Weg. Ein freundlicher Herr im Pullover verlangt vier Euro für die Passage. Gemessen am gleich folgenden Panorama hätte er mehr kassieren können. So rollen wir Minuten später an Schloss Elmau vorbei und nach weiteren 800 Metern auf den großen Waldparkplatz.
Wandern auch für Ungeübte
Vom Parkplatz sind es laut Beschilderung zu Fuß rund zwei Stunden bis zur 200 Meter höher gelegenen Alm. Das scheint machbar und ist es auch. Die Strecke führt über einen Bach, dann über befestigte Waldwege moderat bergan durch den zerzausten Herbstwald. Orkan Niklas hat hier seine Spuren hinterlassen, auch wenn das nun schon gut ein halbes Jahr her ist. Junge Bäume, die fahrlässig flach wurzelten, wurden Ende März einfach aus dem aufgeweichten Boden gerissen. Auch so manchem altgedienten Riesen fehlte die Kraft, sich gegen die Windböen zu stemmen.
Was bis heute liegen geblieben ist, hat das Terrain links und rechts des Weges in einen Märchenwald verwandelt. Bemoostes Durcheinander statt parallele Stämme, und die Lücken geben immer wieder den Blick auf die Gipfel frei, die im Hintergrund die Kulisse bilden. Für den Herbstwanderer ist es ein abwechslungsreiches Szenario, der Förster mag es mit gemischten Gefühlen sehen.
Wir erreichen das Ziel trotz zahlreicher Fotostopps schon nach knapp 90 Minuten, ohne außer Atem zu kommen. Wirklich steil war es nie. Ebenen sorgen immer wieder dafür, dass die Luft nicht zu knapp wird oder sich die Waden verhärten. Für passionierte Bergwanderer wäre die Tour an diesem Punkt ohnehin noch gar nicht losgegangen.
Nach der Rast führt dann ein etwas steilerer und schmalerer Wiesenpfad talwärts. Schon an der ersten Weggabelung können wir uns nicht so recht für links oder rechts entscheiden und laufen schließlich "querfeldein". So ist das Schloss in kaum einer halben Stunde wieder erreicht.
Schlossherr auf Zeit
Anders als vielleicht befürchtet, kommt man in der Gediegenheit von Schloss Elmau ohne jenen "SchnickSchnackSchick" aus, der den Wanderer vielleicht abschrecken könnte. Man fühlt sich wohl, eine gefüllte Börse vorausgesetzt. Elmau rangiert vom Service bis zu den prämierten Spas und Restaurants auf Weltniveau. Bei den Preisen gelingt dies aber auch, spielend sogar.
Zum Eldorado wird das Schloss, das gleich zwei "Leading Hotels of the World" in sich vereint, für all jene, die den Genuss von Musik und Natur miteinander verbinden wollen. Künstler, gerade Musiker, kommen gerne zum Auftritt hierher, denn Elmau hat eine große Tradition – vom Amadeus Quartett bis zu Yehudi Menuhin und Alfred Brendel. Gerade bei Freunden der Kammermusik gilt das Haus mit seinem exquisiten Konzertsaal als eine der ersten Adressen.
Und nebenbei bemerkt: Diese "Hausmusik" ist dann im Zimmerpreis eingeschlossen. Am Abend unserer Wanderung gibt sich gerade Bassbariton Thomas Quasthoff die Ehre.
Der 2011 verstorbene Humorist Loriot, für viele Fans noch immer der Begnadetste seines Faches, kam oft und gern nach Elmau. Von ihm stammt auch der schöne Satz: "Wussten Sie schon, dass die Alpen einen ganz erbärmlichen Anblick bieten, wenn man sich die Berge einmal wegdenkt?". Bestimmt hat er da in Elmau am Fenster gesessen.