Das blühende Geschäft mit der Armut
8. Mai 2018Es ist immer wieder die gleiche Masche: Organisierte Schleuser versprechen armen Menschen in der Republik Moldau einen gut bezahlten Arbeitsplatz in der EU. Viele dieser Menschen lassen ihre Familien zurück und versuchen ihr Glück im Ausland, um dem Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit und bitterer Armut zu entkommen. Oft werden sie von Schleuserbanden nach Deutschland gelockt und schamlos ausgebeutet. Jetzt wurde eine dieser Banden zerschlagen.
Opfer mit falschen Papieren
Rund 800 Beamte haben in Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt Wohnungen und Büroräume durchsucht und mehrere Tatverdächtige festgenommen. Sie sollen die hoffnungslose Lage moldauischer Staatsbürger ausgenutzt haben, sie mit falschen Versprechungen geködert und sie dann illegal beschäftigt haben. Mit der Razzia flog auch der illegale Status der vor allem im Wachschutz arbeitenden Moldauer auf. Die meisten von ihnen hatten falsche oder grob verfälschte rumänische Personalausweise, mit denen sie von den Schleusern ausgestattet worden waren.
Moldauische Staatsbürger dürfen ohne Visum in den Schengenraum, also auch nach Deutschland, einreisen und sich hier 90 Tage aufhalten. Arbeiten dürfen sie aber nur dann, wenn sie im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis sind. Mit rumänischen Ausweisen kommen sie aber in den Genuss der Arbeitnehmer-Freizügigkeit für EU-Bürger.
Schleuser im Visier
Eine Sprecherin der im Ermittlungsverfahren federführenden Staatsanwaltschaft Lüneburg bestätigte, dass drei Hauptbeschuldigte vorläufig festgenommen worden seien. Dabei handele es sich um zwei deutsche und einen russischen Staatsbürger. "Unser Verfahren richtet sich nur gegen die mutmaßlichen Schleuser, nicht gegen die Geschleusten", betonte die Sprecherin im DW-Gespräch und fügte hinzu, die deutschen Behörden hätten mit ihren moldauischen Kollegen in Chisinau in engem Informationsaustausch gestanden. Auf Einzelheiten könne sie aus ermittlungstechnischen Gründen nicht eingehen, sagte sie weiter.
Ein Sprecher der Bundespolizei in Pirna bestätigte gegenüber der DW, dass sich die Ermittlungen in Sachsen-Anhalt auch gegen Personen richteten, die Kontakte zur örtlichen Reichsbürgerszene hätten. Diese Verbindung sei allerdings eher zufällig, so der Sprecher. Zur Situation der illegal beschäftigten Moldauer sagte er, die Betroffenen seien mit Niedriglöhnen und hohen Mieten ausgebeutet worden. Erkenntnisse darüber, dass einige von ihnen im Besitz legaler rumänischer Ausweispapiere waren, habe man noch nicht. Bisher seien nur Fälschungen entdeckt worden.
Problemland Moldau
Die Republik Moldau ist das ärmste Land Europas. Die Mehrheit der Bewohner spricht Rumänisch (die Landessprache), rund eine Million Menschen haben aus historischen Gründen auch die Staatsbürgerschaft des westlichen Nachbarstaates Rumänien angenommen. Gut ein Drittel ist russischsprachig. Vier Moldauer pro Stunde, knapp 100 pro Tag (rund eine Million) sollen in den letzten Jahren laut einer Studie ihr Heimatland verlassen haben, um im Ausland ein besseres Leben zu suchen. Knapp ein Drittel der heute rund 3,5 Millionen Menschen in der Republik Moldau lebt unter der Armutsgrenze.
Das Assoziierungsabkommen mit der EU von 2014 hat zwar die Lebensverhältnisse leicht verbessert, doch von einer Annäherung an die EU ist die ehemalige Sowjetrepublik noch weit entfernt. Politisch und wirtschaftlich instabil, wird das Land von Korruption und dem Einfluss mächtiger Oligarchen geprägt. Ende 2018 finden Parlamentswahlen statt. Der pro-russische sozialistische Staatspräsident Igor Dodon hofft auf einen klaren Sieg seiner Partei, die in allen Umfragen führt. Die regierende pro-europäische Koalition ist zerstritten und bangt um ihren Einzug ins Parlament.