Schlechte Lehrlinge und offene Lehrstellen
8. April 2010Es gab eine Zeit, da fehlte es an Ausbildungsplätzen in deutschen Unternehmen. Damals, 2004, haben Bundesregierung und Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft den so genannten Ausbildungspakt vereinbart. So sollte jedem willigen und fähigen Jugendlichen ein Ausbildungsangebot gemacht werden, um den Fachkräftenachwuchs zu sichern. Inzwischen hat sich die Situation etwas verändert: "Nicht Lehrstellen, sondern Bewerber sind knapp", so fasste Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), am Donnerstag (08.04.2010) in Berlin die Ergebnisse der Ausbildungsumfrage 2010 zusammen. Mehr als 15.000 Betriebe wurden befragt, um herauszufinden: Wie viele Ausbildungsplätze werden angeboten und wer bewirbt sich darauf.
Rechnen, Schreiben, Lesen – man sollte meinen, nach 16 Jahren in der Schule müsste jeder deutsche Schüler die Grundkenntnisse ausreichend beherrschen. Dem ist aber nicht so. Auch in diesem Jahr beklagen sich die Unternehmen wieder darüber, das die Bewerber für Lehrstellen zu wenig qualifiziert sind. Auch was die so genannten "Soft Skills" angeht, genügen die Bewerber nicht den Anforderungen: zu wenig Disziplin, mangelhafte Teamfähigkeit, Unpünktlichkeit und fehlende Leistungsbereitschaft.
Ausbildungsplätze ohne Lehrlinge
Das Ergebnis: Trotz Wirtschaftskrise konnte 2009 jede fünfte Firma nicht alle Ausbildungsplätze belegen. Im Osten Deutschlands blieben sogar bei jedem dritten Betrieb Lehrlingsplätze offen. Im Endeffekt wurden so 50.000 Ausbildungsplätze nicht besetzt. Von Glück können aber auch die Betriebe, die Lehrlinge finden, häufig nicht reden. Denn sie müssten zunehmend ausbügeln, was Elternhaus und Schule versäumt hätten. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen klagen, die Lehrlinge seien nicht genug auf den Beruf vorbereitet worden.
Mittlerweile organisiert gut die Hälfte der Betriebe in irgendeiner Form Nachhilfe für ihre Lehrlinge: Jedes dritte Unternehmen versucht seine Lehrlinge mit ausbildungsbegleitenden Hilfen der Bundesagentur für Arbeit auf Trab zu bringen. Andere Unternehmen setzen schon vorher an, nämlich in den Schulen. Mit ehrenamtlichen Paten und Praxistagen sollen Schüler frühzeitig auf den Berufseintritt vorbereitet werden. Zudem nutzten demnach 31.600 junge Menschen die sogenannte Einstiegsqualifizierung. Das sind mehrmonatige, finanziell geförderte betriebliche Praktika, die auf die Aufnahme einer Ausbildung vorbereiten sollen.
Die Schuldigen an der Ausbildungsmisere
Schuld an der Misere sind aber nicht allein die Schulen. Auch die Eltern tragen einen Teil der Verantwortung. So mahnt der DIHK: Auch wenn wichtige Kompetenzen in der Schule vermittelt werden müssen, sie lägen jedoch in erster Linie in der erzieherischen Verantwortung des Elternhauses. Eltern seien also maßgeblich für den Erfolg ihrer Kinder beim Übergang von der Schule in die Ausbildung verantwortlich.
Schuld daran, dass es zu wenig qualifizierte Jugendliche gibt, sind auch schrumpfende Bewerberzahlen. Laut DIHK sind in Westdeutschland die Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz von 2005 bis 2009 um 20 Prozent abnehmen. Nicht nur, dass durch den demographischen Wandel die Schülerzahlen insgesamt sinken, es entscheiden sich auch mehr Jugendliche dafür, Abitur zu machen und anschließend zu studieren. Während 2006 36 Prozent der Schüler ein Studium angefangen haben, waren es 2009 schon 43 Prozent.
Weniger Lehrstellen
In diesem Jahr wird es darüberhinaus weniger Lehrstellen geben. Das ist ebenfalls ein Ergebnis der Umfrage des DIHK. In jedem viertem Unternehmen ist die Ausbildungsquote rückläufig, darunter vor allem Industrieunternehmen mit über 1000 Beschäftigten. Sie leiden immer noch unter dem eingebrochenen Export. Dagegen haben sich die Betriebe mit weniger als 200 Beschäftigten von der Krise im letzten Jahr erholt und wollen in diesem Jahr mehr ausbilden.
Autor: Insa Wrede (reuters, AP)
Redaktion: Monika Lohmüller