Schaurig-schön: Tim Burtons Kunstwerke
15. August 2015"Ich mag es überhaupt nicht, den Dingen zu sehr auf den Grund zu gehen", sagt der US-amerikanische Filmregisseur Tim Burton, er gehe "einfach einem Gefühl nach, wo auch immer, wann auch immer." Deshalb habe er auch stets ein Notizbuch dabei.
Ausgerechnet im kleinen Brühl bei Köln, der Heimat des großen deutschen Surrealisten Max Ernst, macht die Ausstellung "The World of Tim Burton" nach Stationen in New York, Toronto, Melbourne, Prag und Tokio Halt. Doch ist das kleine, aber feine Max-Ernst-Museum keine schlechte Wahl, um das Werk des amerikanischen Regie-Exzentrikers Tim Burton auszustellen.
Was verbindet Regisseur Tim Burton und Surrealist Max Ernst?
Auch Max Ernst war jemand, der zunächst einmal auf sein Gefühl hörte. Ein zentraler Leitgedanke der Surrealisten bestand gerade darin, das Unterbewusste und die Tiefen der Seele aufzuspüren. Die Zeichnungen und Malereien sind Ausdruck dessen.
Ob Maler wie Salvador Dalí und René Magritte oder Filmemacher wie Luis Buñuel und Man Ray, die Surrealisten der Kunst- und Filmwelt vertrauten ihren Gefühlen, wollten sich immer wieder auch selbst überraschen lassen von dem, was sich da einen Weg an die Oberfläche bahnte. Erklären und interpretieren? Das blieb den anderen überlassen. In dieser Tradition steht auch Tim Burton.
Tim Burton: "Es ist in einer gewissen Weise erschreckend"
Der 56-jährige Regisseur, der höchst persönlich nach Brühl gekommen ist, um die Ausstellung am Sonntag zu eröffnen, sagte am Freitag bei einem Pressetermin, er sehe seiner Ausstellung wegen ihrer privaten Einblicke mit gemischten Gefühlen entgegen: "Es ist in einer gewissen Weise erschreckend, es ist, als würde man seinen Schrank öffnen und die Leute sehen deine dreckige Wäsche."
Wenn jetzt also über 500 Zeichnungen und Ölgemälde, Kritzeleien, Storyboards und Puppen des US-Amerikaners in Brühl ausgestellt sind - dann heißt das für den Besucher zunächst einmal: sich darauf einlassen. Auf ein Werk, dass so bunt wie geheimnisvoll, so märchenhaft poppig wie gruselig-dämonisch daherkommt.
Burtons Phantasien gehen weit über Walt Disney hinaus
Manchmal ist es nicht weit vom gezeichneten Bild zum Film, dann trifft man auf Motive auf Papier, die später in den Filmen wieder auftauchen. Tim Burton, der bei Walt Disney als Zeichner begann, und schnell erkannte, dass das Korsett der Disney-Figuren viel zu eng war für seine überbordende Phantasie, ist ein ganz eigener, kreativer Kopf ohne geistige Schranken.
Auf Motive, die immer wiederkehren, auf Sujets, die in der Populärkultur ihre Wurzeln haben, trifft man natürlich - in der Ausstellung wie in seinen Filmen. Doch Burton holte sich Anleihen und Inspirationen und machte daraus etwas ganz Eigenes. Farbige, überaus phantasievolle Figuren, Männchen mit weit aufgerissenen Mündern, zu Fratzen verzerrte Puppen. Fabelwesen, die ihre Ahnen bei Altmeistern wie dem niederländischen Renaissance-Maler Hieronymus Bosch haben. Oft sind es Wesen, die zwischen Schrecken und Komik verharren, Marionetten und Zwitter zwischen Tier und Menschen, zwischen Lachen und Angst.
In den "Gehirnkasten Tim Burtons" einsteigen
Auf "eine Reise in den Kopf des morbid-fantastischen Exzentrikers" sollen sich die Besucher der Tim-Burton-Ausstellung in Brühl begeben, so Museumsdirektor Achim Sommer. Man habe mit der Schau "in den Gehirnkasten Tim Burtons" einsteigen und "seine unbotmäßige Kreativität ergründen“ wollen, sagte Sommer in einem Interview im Vorfeld. Die Schau bietet einen gewaltigen Künstler-Kosmos, eine Welt zwischen Märchen und Horror, zwischen Surrealismus und Phantastik.
Gleich mehrere Kuratoren waren beteiligt an Konzept der Schau. Der Meister selbst hat sich auch eingeschaltet, sich akribisch darum gekümmert, wie und was wohin gehängt werden soll. Es sei ihnen bei der Ausstellung nicht darum gegangen, die Filme des Regisseurs zu illustrieren, betonte Jenny He, renommierte Kuratorin und Vertraute Tim Burtons im Vorfeld der Ausstellung: "Wir wollen, dass man erkennt, wer Tim Burton ist." In New York besuchten über 80.000 Menschen die Schau.
Burton als Bilderkünstler: virtuos und bis ins Detail geplant
Tim Burton war für einen Regisseur noch recht jung, als Filmwissenschaft und Filmexperten anfingen, seine Arbeiten zu analysierten. Der deutsche Filmpublizist Helmut Merschmann nahm Burtons Werk unter die Lupe, als der Regisseur gerade Anfang 40 war: "Tim Burton gehört zu den Filmregisseuren, deren Werk von hohem individuellem Stil und einer thematischen Geschlossenheit geprägt ist, wie man es im Hollywood-Kino selten antrifft", schrieb er damals.
"Alle Filme wirken bis ins Detail geplant, handwerklich virtuos ausgeführt, im Resultat wie aus einem Guss." Merschmann schrieb das 2000, als Burton schon so wegweisende Filme wie "Edward mit den Scherenhänden" und "Ed Wood" inszeniert und mit seinen beiden Batman-Filmen- Hollywood demonstriert hatte, dass auch aus Comicvorlagen phantastische, künstlerisch herausragende Filme entstehen können.
Wie diese "Detailplanung" vor Jahren ausgesehen haben mag, dem kann man in Tim Burtons Ausstellung nachgehen. Der Kosmos des Bilderkünstlers mit surrealistischen Wurzeln lässt viel Raum für Deutungen und Interpretationen.
Die Ausstellung "The World of Tim Burton" ist vom 16.8.2015 bis 3.1.2016 in Brühl zu sehen.