Scharfe Kritik an Vertriebenen-Ausstellung aus Polen
10. August 2006Der polnische Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski sprach von einer "sehr schlechten, sehr irritierenden und sehr traurigen Angelegenheit". Vor dem Berliner Kronprinzenpalais, wo die Ausstellung bis zum 29. Oktober gezeigt wird, fanden mehrere kleinere Protestkundgebungen statt. Einige Demonstranten trugen polnische Fahnen und Plakate mit polnischen Schriftzügen.
Kein Verstädnis für die Kritik
Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach reagierte mit Unverständnis auf die Kritik. Die CDU-Politikerin ist als Vorsitzende der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen verantwortlich für die Ausstellung. In der zweieinhalbmonatigen Präsentation von 280 Exponaten sieht sie einen wichtigen Schritt zu einem dauerhaften Dokumentationszentrum in der Hauptstadt. Die Ausstellung solle dazu beitragen, die Vertreibungsopfer der Vergessenheit zu entreißen, sagte Steinbach.
Bundestagspräsident Norbert Lammert bekräftigte bei der Eröffnungszeremonie am Donnerstagabend (10.8.) die Zusage der großen Koalition, ein "sichtbares Zeichen" gegen Vertreibungen in Berlin zu setzen. Er sicherte den Vertriebenen eine angemessene Beteiligung an der Entwicklung der Pläne zu. "Dies ist eine öffentliche Aufgabe, die durch gesellschaftliche Initiativen ergänzt, aber nicht ersetzt werden kann", sagte der CDU-Politiker. Es wäre offenkundig unsinnig, eine Erinnerungskultur entwickeln zu wollen. "Aber es wäre auch unklug, sie allein den vertriebenen als besonders Betroffenen zu überlassen."
Kaczynski greift Steinbach persönlich an
Aus Polen hatte es bereits vor Eröffnung der Ausstellung Kritik gegeben. Die Gründe der Vertreibung würden nicht klar gezeigt, hatte der stellvertretende polnische Kulturminister Krzysztof Olendzki gesagt. "Die Ausstellung schiebt außerdem die Verantwortung für die vom deutschen Staat während des Zweiten Weltkrieges begangenen Verbrechen ab."
Kaczynski griff die Vertriebenenpräsidentin jetzt auch persönlich an. "Wir wünschen uns, dass alles, was mit den Namen von Frau Steinbach in Verbindung steht, so schnell wie möglich endet, denn daraus entspringt nichts Gutes für Polen, für Deutschland, für Europa." Der polnische Ministerpräsident fügte hinzu, die Erinnerung daran, "wer der Angreifer und wer das Opfer war", müsse eindeutig bewahrt werden.
Steinbach hatte zuvor zu einer Versachlichung der Debatte aufgerufen. "Wir tun unser Bestes, fair und vernünftig umzugehen mit unseren Nachbarn", sagte sie. Das wünsche sie sich auch von der anderen Seite. Die Ausstellung sei "der einzige Ort, an dem Schulklassen sehen können, dass es polnische Vertriebene gegeben hat". Steinbach monierte, dass die Kritiker die Ausstellung noch gar nicht gesehen hätten.
"Erzwungene Wege"
Die Ausstellung widmet sich auf 600 Quadratmetern den Vertreibungen im Europa des 20. Jahrhunderts anhand zahlreicher Beispiele - von der Vertreibung der Armenier aus dem Osmanischen Reich 1915/16 bis zu den Vertreibungen in Bosnien-Herzegowina in den 90er Jahren. Ein Kapitel ist der Vertreibung der Juden Europas als "Baustein des Holocaust" gewidmet. Die Ermordung von sechs Millionen Juden ist dagegen kein Thema. Dabei handele es sich um einen "singulären Vorgang", der nicht in eine solche Ausstellung gehöre, sagte Steinbach.
Die Vertriebenenpräsidentin sprach sich dafür aus, die Ausstellung auch in anderen europäischen Städten wie Breslau oder Prag zu zeigen. "Aus meiner Sicht wäre das eine gute Sache." Sie sagte aber auch, dass sie keine Bereitschaft in den Nachbarländern dazu sehe. Am Freitag (11.8.) wird die Ausstellung für Besucher geöffnet. (je)