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Scharfe Kritik am Protest der "Letzten Generation"

21. April 2023

Am Montag wollen die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" Berlin lahmlegen. Deren Kritiker teilen zwar die Ziele, aber nicht die Mittel des Protests.

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Deutschland | Berlin Protest Letzte Generation
Polizisten versuchen eine Protestaktion der "Letzten Generation" in Berlin aufzulösenBild: Nadja Wohlleben/REUTERS

Die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" haben ihren Protest gegen die Klimapolitik der Bundesregierung in Berlin gestartet. In den kommenden Wochen wollen sie mit Blockaden den Verkehr in Berlin immer wieder lahmlegen. Für den kommenden Montag ist gar ein "Stadtstillstand" geplant. Kritiker teilen zwar die Ziele der Aktivisten, lehnen aber die Form des Protests ab. Die Stimmen im Überblick:

"Proteste verärgern Menschen und spalten Gesellschaft"

Starke Ablehnung äußerte beispielsweise der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (Grüne), gegenüber dem Sender RTL/ntv: "Dieser Protest macht Klimaschutz nicht mehrheitsfähig, sondern verärgert Leute, spaltet die Gesellschaft und insofern ist es kein hilfreicher Beitrag zum Klimaschutz. Ich finde die Aktion falsch."

ADAC-Präsident Christian Reinicke sieht es ähnlich wie Habeck. Er bezweifle, dass die Klimaschützer die richtigen Mittel wählen, "denn sie verärgern viele Menschen mit der Form ihres Protestes", so der ADAC-Präsident zur Tageszeitung "Augsburger Allgemeine". Allerdings habe er Verständnis für die Anliegen der Aktivisten. Sie verträten Ziele, hinter denen sich jeder versammeln könne. Schließlich sei der Klimaschutz nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein im Grundgesetz verankertes Staatsziel.

Hände, die an einen Bus geklebt sind.
Aktivisten kleben ihre Hände an einen Bus am Potsdamer Platz, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren.Bild: Christian Mang/REUTERS

Kritiker bemängeln fehlende Gesprächsbereitschaft und Gefährdung von Menschenleben

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) warf der "Letzten Generation" vor einigen Tagen vor, nie mit ihm einen Dialog gesucht zu haben. Die Gruppe wies diese Darstellung zurück. "Wir haben mehrfach den Kontakt zu Verkehrsminister Wissing aufgenommen", erklärte ein Sprecher. Zuletzt hatten die Aktivisten Wissing auf Twitter zu einem Gespräch aufgefordert. Diese Einladung hat der Minister nun offenbar angenommen. Wissing erklärte dem Sender RTL/ntv, für den 2. Mai sei ein gemeinsames Treffen geplant.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mahnte unterdessen vor allem, mit Aktionen wie Straßenblockaden keine Menschenleben zu gefährden. Es sei unverantwortlich, wenn dadurch Rettungskräfte und Krankentransporte behindert würden, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Aktivisten sitzen auf der Straße. Polizisten lösen die Blockade auf und führen die Aktivisten ab.
Aktivisten blockieren eine Straße vor dem Brandenburger TorBild: Christian Mang/REUTERS

Deutschlands Richter sehen derweil keine Notwendigkeit für schärfere Gesetze gegen Klimaschutz-Aktivisten. "Die bestehenden Gesetze geben den Gerichten ausreichend Spielräume, um etwa Fälle von Nötigung, Sachbeschädigung oder Eingriffe in den Straßenverkehr jeweils tat- und schuldangemessen zu bestrafen", so der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes Sven Rebehn zur "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Es gibt auch Verständnis für die Klimaproteste

Kurz vor den großangelegten Blockaden in Berlin wird allerdings nicht nur Kritik geäußert. Der Protestforscher Simon Teune von der Freien Universität Berlin sieht in den Klimaprotesten der "Letzten Generation" einen "Aufschrei der Verzweiflung". Er halte die Proteste für geeignet, "die Gesellschaft aus dem Trott rauszubringen, in dem sie in der Auseinandersetzung mit der Klimakrise ist". Das sagte der Forscher in einem Streitgespräch der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung.

Kunstattacken - was darf ziviler Ungehorsam?

Die Klimaaktivisten fordern die Bundesregierung auf, einen Plan zum Erreichen des international angestrebten 1,5-Grad-Ziels vorzulegen, mit dem man die schlimmsten Folgen der Erderwärmung verhindern will. Das Bündnis fordert zudem einen Gesellschaftsrat mit 160 gelosten Mitgliedern, der das Ende der Nutzung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle oder Gas in Deutschland bis 2030 konkret planen soll.

Außerdem setzt sich die "Letzte Generation" für ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket ein. Die Gruppe hatte sich 2021 nach einem Hungerstreik gegründet und blockiert seit Anfang 2022 immer wieder den Verkehr. Meist kleben sich die Teilnehmer dabei fest. 

Städte zeigen sich verhandlungsbereit

Mitte März hatte die Klimagruppe in Briefen verschiedenen Städten ein Ultimatum gestellt: Wer weitere Straßenblockaden vermeiden wolle, solle sich öffentlich hinter ihre Ziele für eine radikale Klimawende stellen. Unter anderem Berlin und Köln wiesen dies empört zurück.

Andere Städte verhandelten mit den Aktivisten und erreichten einen Proteststopp. So sagte Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) in der ARD: "Wir haben hier einen gemeinsamen Nenner, und der heißt Klimaschutz." Erstmals saßen die Aktivisten damit nicht nur an Kreuzungen oder Autobahnauffahrten, sondern am Tisch politischer Entscheider. Auch in Marburg und Tübingen wollen sie nach Treffen mit der Stadtspitze nun nicht mehr protestieren. 

Die "Letzte Generation" hat sich für das Mittel des zivilen Ungehorsams entschieden, um Aufmerksamkeit auf die Dringlichkeit beim Klimaschutz zu lenken. Ihr Protest soll nach eigener Aussage stets gewaltfrei bleiben, beinhaltet aber Gesetzesverstöße wie Nötigung, Sachbeschädigung oder gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. 

nmm/djo (dpa, epd)