1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Kersten Knipp26. März 2016

Vor einem Jahr startete Saudi-Arabien seine Militärinvasion im Jemen. Sonderlich erfolgreich ist sie nicht. Nun hofft man in Riad auf neue Bündnisse und diplomatische Offensiven.

https://p.dw.com/p/1IGfV
Militärfahrzeuge während des Manövers "Nördlicher Doner", 10.03.2016 (Foto: EPA/STR)
Bild: picture-alliance/dpa/Str

"Nördlicher Donner" hieß das Manöver, das Saudi-Arabien und seine Verbündeten der "Islamischen Allianz" Mitte Februar abhielten. Ort der Übung war das Gebiet um die Ortschaft Hafar al-Batin im Norden des Landes, nahe der Grenze zum Irak, aber auch nicht allzu weit vom Persischen Golf entfernt. Beteiligt waren über 150.000 Soldaten, gestellt von den 20 Mitgliedstaaten des Bündnisses.

Die gemeinsamen politischen Zielsetzungen konzentrieren sich vor allem auf zweierlei: Erstens: den Terror dschihadistischer Gruppen wie etwa des "Islamischen Staats" (IS) und Al-Kaida zu bekämpfen. Und zweitens: Einigkeit gegenüber dem Iran zu demonstrieren. Der strebt aus ihrer Sicht immer unverhohlener einen weit über seine Grenzen hinausgehenden politischen Einfluss in der Region an.

Ringen um Einflusssphären

Im Zentrum dieser Anstrengungen stehen derzeit vor allem zwei Staaten: Syrien und der Jemen. Im Jemen führt Saudi-Arabien seit einem Jahr ebenfalls eine militärische Allianz mit dem Namen "Entscheidender Sturm" an. Entgegen ihrem Namen hat diese bislang allerdings noch nicht viel bewirkt, zumindest nicht im Hinblick auf die Ziele, die sich Saudi-Arabien gesetzt hatte.

Ein zerstörtes Viertel in der von den Huthis belagerten Stadt Taiz, 14.03.2016 (Foto: Reuters)
Zerstörtes Viertel in der von den Huthis belagerten Stadt TaizBild: Reuters/A.Mahyoub

Saudi-Arabien wollte vor allem den jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi stützen, der im Februar 2015 von den aufständischen Huthi-Rebellen aus der Hauptstadt Sanaa in die im Süden des Landes gelegene Hafenstadt Aden vertrieben worden war. Die Huthis gelten als Partner des Irans. Teheran, so die Sorge in Riad, wolle auf dem Weg über die Unruhen im Jemen seinen Einfluss auf der gesamten arabischen Halbinsel vergrößern.

Ihre politische Brisanz erhalten die Kämpfe durch den Machtkampf zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Dieser hat sich seit dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zum iranischen Atomprogramm erheblich verschärft. Die Einnahmen aus den nun wieder möglich gewordenen Exporten, so die Sorge der Saudis, könnte Iran auch dazu nutzen, seinen expansiven Kurs in der Region zu finanzieren. Das zeigt sich nach saudischer Lesart derzeit im Krieg in Syrien ebenso wie in dem im Jemen.

Zur Führungsrolle gezwungen

Da die USA zudem immer weniger Engagement in der Region zeigen, sieht sich Saudi-Arabien dazu gezwungen, selbst eine Führungsrolle zu übernehmen. "Saudi-Arabien weiß, dass es sich aufgrund seiner Stellung in der islamischen und arabischen Welt nicht mehr mit der Rolle des Zuschauers begnügen und die Konsequenzen der immer turbulenteren politischen und Sicherheitsfragen nur beobachten kann", schrieb der Kommentator Hussein Shobokshi vor wenigen Tagen in der Zeitung Al-Sharq al-Awsat.

Es scheint allerdings, dass Saudi-Arabien mit dieser Aufgabe militärisch überfordert ist. Das Königreich hat zwar eine Armee von rund 230.000 Soldaten. "Doch diese Zahl reicht nicht mehr, wenn Riad sich in mehreren militärischen Operationen im Jemen, in Bahrain und womöglich in Syrien und weiteren Ländern engagiert", schreibt das Internetmagazin Al-Monitor.

US-Präsident Obama und der sadische König Salman im weißen Haus, 04.09.215 (Foto: picture-alliance/epa)
Tarieren ihre Partnerschaft neu aus: US-Präsident Obama und der saudische König SalmanBild: picture-alliance/epa/M. Reynolds

Kaum militärische Erfolge

Tatsächlich ist Saudi-Arabiens Intervention im Jemen bislang nicht sonderlich erfolgreich. Die Huthis halten saudische Ortschaften nahe der Grenze zum Jemen seit Monaten nicht nur nahezu ungehindert mit Raketenbeschuss in Atem. Auch im Kampf gegen die Truppen Mansur Hadis und der saudischen Koalition sind sie bislang nicht entscheidend geschwächt. So kontrollieren sie weiter die Hauptstadt Sanaa und weite Teile des Nordens.

Insgesamt versuchen sich nach UNHCR-Angaben rund 2,4 Millionen Flüchtlinge innerhalb der Landesgrenzen vor den Kriegswirren in Sicherheit zu bringen. Über 8000 Menschen sind durch den Krieg bereits gestorben.

Diplomatische Offensiven

Derzeit ist Saudi-Arabien offenbar bemüht, weitere Verbündete zu gewinnen. Ende Januar empfing König Salman eine hochrangige Delegation aus der Türkei, der, angeführt von Premierminister Ahmet Davutoglu, die Minister nahezu aller bedeutenden Ressorts angehörten. Es ging um Wirtschaftsaufträge. Aber es ging auch um eine gemeinsame politische Linie. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte den neuen iranischen Kurs bereits in deutlichen Worten kritisiert, so etwa im März 2015 in einem Interview mit dem französischen Sender France 24.

Der russische Präsident W. Putin mit Außenminsiter S. Lavrov (l.) und Verteidigungsminister S. Shoigu (r.), 14.03.2016 (Foto: AFP/Getty Images))
Neuer Kurs in Syrien: Der russische Präsident Putin mit Außenminister Lavrov (l.) mit Verteidigungsminister Shoigu (r.)Bild: Getty Images/AFP/M. Klimentyev

Zugleich befindet sich Saudi-Arabien in intensivem Dialog mit Russland. Dessen militärischer Rückzug aus Syrien ist auch ein Signal an Baschar al-Assad, dass Moskau nicht gewillt ist, ihn um jeden Preis zu unterstützen. Das hat man auch in Riad verstanden. "Die russische Diplomatie hat den Diplomaten vom Golf zu verstehen gegeben, dass man in Moskau bereit ist, eine neue Seite im Syrien-Konflikt aufzuschlagen", schreibt die Analystin Raghida Dergham in der Zeitung Sharq al-Awsat. "Dafür allerdings erwarten die Russen (von den Golfstaaten, die Red.) aktive Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus und Unterstützung in dem Bemühen, fundamentalistische Gruppen daran zu hindern, ihre Macht auszubauen."

Zugleich ist der russische Rückzug auch ein Signal an den Iran. Russland, so die Botschaft, hat am Aufstieg eines schiitischen Bündnisses - bestehend aus Iran, Syrien, dem Irak und der libanesischen Hisbollah – nur bedingt Interesse. Diese Botschaft dürfte dazu beitragen, auch die saudischen Sorgen zu mindern. Den Konflikt im Jemen dürfte sie allerdings bestenfalls mittelfristig entschärfen.