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"Sargnagel für Syrien-Gespräche"

Christoph Ricking9. Februar 2016

Mit Hilfe russischer Luftangriffe könnte das Assad-Regime schon bald die Stadt Aleppo einkesseln. Die Eroberung der größten syrischen Metropole wäre ein starker Einschnitt im Syrienkrieg, sagt Nahostexperte André Bank.

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Menschen auf der Flucht in Aleppo (Foto: APA)
Bild: picture-alliance/landov/al-Halbi

DW: Sollten die Assad-Truppen Aleppo einnehmen, welche Auswirkungen hätte das auf den Krieg in Syrien?

André Bank: Das wäre ein sehr starker Einschnitt für den syrischen Bürgerkrieg. Es wäre dann zum ersten Mal so, dass die Assad-Truppen nach 2012 ein Gebiet kontrollieren, das von der Hauptstadt Damaskus über die zentralsyrische Stadt Homs und den Nordwesten bis in die nordsyrische Metropole Aleppo reichen würde. Damit würde das Regime wieder ein sehr großes und bevölkerungsreiches Gebiet in Syrien kontrollieren. Es würde aber noch nicht das Ende des Bürgerkrieges bedeuten.

Die syrische Opposition hofft nun auf militärische Hilfe von Ländern wie Saudi-Arabien oder den Vereinigen arabischen Emiraten. Wie wahrscheinlich sind arabische Bodentruppen?

Ich halte das weiterhin für sehr unwahrscheinlich. Saudi-Arabien würde nur im Rahmen einer US-geführten Allianz agieren können. Und US-Bodentruppen, möglicherweise in Abstimmung mit europäischen Bodentruppen, sind meines Erachtens trotz der verheerenden Menschenrechtssituation und der Kriegssituation in Syrien sehr unwahrscheinlich. Gerade US-Präsident Obama wird im letzten Jahr seiner Amtszeit eine derart prekäre militärische Intervention nicht befürworten.

Welche Folgen hat Assads Offensive für die Friedensgespräche in Genf, die ja bis zum 25. Februar ausgesetzt worden sind?

André Bank (Foto: Privat)
André Bank ist Syrienexperte am GIGA-Institut für Nahoststudien in HamburgBild: GIGA

Die aktuelle Offensive und gerade die Schlacht um Aleppo sind im Grunde so etwas wie der letzte Sargnagel für Genf-III. Die kontinuierliche Offensive der Assad-Kräfte zusammen mit der russischen Luftwaffe und der Unterstützung aus dem Iran und von verschiedenen schiitischen Milizen haben diese Friedensverhandlungen schon zur Farce werden lassen. Dann kommt natürlich noch hinzu, dass die Opposition stark zerstritten ist. Insofern hatte die nächste Runde der Genfer Gespräche ohnehin schon so etwas wie einen symbolischen Triumph für das Assad-Regime dargestellt. Und jetzt unter diesen Bedingungen wird es nicht wieder zu einer ernsthaften Aufnahme der Verhandlungen kommen.

Ist die westliche Diplomatie also gescheitert?

Die US-Diplomatie, ohne Vorbedingungen in die dritte Runde der Genfer Gespräche reinzugehen und insofern der russischen Seite und der syrischen Regierungsseite stark entgegenzukommen, ist gescheitert. Eine deutliche Einschränkung der Luftangriffe seitens Assads und Russlands wäre notwendig gewesen, um auf Seiten der Opposition mehr Vertrauen in den Verhandlungsprozess zu schaffen.

Welchen Einfluss hat die Schlacht um Aleppo auf die Flüchtlingskrise?

Das hat massive Auswirkungen. Man muss sich vor Augen führen, dass Aleppo einmal die größte Metropole in Syrien war mit vier Millionen Einwohnern und dort immer noch Hunderttausende trotz der verheerenden Kämpfe gelebt, teilweise nur noch hausiert, haben. Viele von ihnen haben sich angesichts der neuen Offensive auf den Weg gemacht an die Grenze zur Türkei. Es wäre unverantwortlich, wenn man hier nicht die Grenze öffnet und schnell Hilfe leistet, so dass die Menschen einen gewissen Schutzraum, zumindest in der Türkei, erhalten können.

Die russische Luftwaffe und die syrischen Regierungstruppen gehen hauptsächlich gegen oppositionelle Kräfte vor. Inwiefern profitiert der "Islamische Staat" (IS) von dieser Offensive?

Der IS profitiert insofern davon, als dass er jetzt nicht von syrischen Regierungstruppen, Russland oder dem Iran angegriffen wird. Das wurde er aber in der Vergangenheit auch ohnehin kaum. Andererseits haben sich die Angriffe der Anti-IS-Allianz, bei der ja auch die Bundesregierung im Nachgang der Pariser Anschläge vom November beteiligt ist, massiv ausgeweitet. Sie haben dazu geführt, dass das IS-Einflussgebiet sowohl in Syrien als auch im Irak im letzten Jahr und auch gerade in den letzten Monaten geschrumpft ist.

André Bank ist Politikwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter am GIGA-Institut für Nahoststudien in Hamburg.

Das Interview führte Christoph Ricking.