Sarajewo - Übernachten wie im Krieg
Einmal erleben, wie es ist, als Zivilist in einer Kriegszone zu leben? Ein Hostel in Sarajewo bietet genau diesen Einblick. Einen entscheidenden Vorteil haben die Gäste: Sie wissen, dass sie überleben werden.
Weder Museum noch Pension
Helme als Lampenschirme, Waffen an den Wänden: Arian Kurbasic hat das "Kriegshostel" aufgebaut. Er selbst wurde 1992 in den Bosnienkrieg hineingeboren. Mit seinem Hostel stellt der Bosnier die Belagerung Sarajewos nach. Seine Gäste begrüßt er mit Helm und Splitterschutzweste bekleidet.
Ein Erlebnis, das unter die Haut geht
Zehn Euro kostet die Übernachtung im Schlafsaal, auf Schaumstoffmatratzen mit Militärdecken. Als Lektüre werden zeitgenössische Zeitungen geboten. Ununterbrochen hören die Gäste aus Lautsprechern Schüsse und Explosionen - auch nachts.
Luxus - Fehlanzeige!
Die Elektrizität für die wenigen Glühbirnen kommt aus einer Autobatterie. Nachts brennen Kerzen. Fließendes Wasser? Gibt es nicht! Und als einzige Wärmequelle dient ein kleiner Holzofen.
Authentische Einrichtung
Die Plastikverkleidung in den Fenstern ist exakt dieselbe, die die Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen während des Kriegs verteilte. Damit verschlossen die Menschen in Sarajewo ihre Fenster, wenn das Glas durch Bombenexplosionen geborsten war.
Ein Kriegskind berichtet
Arian Kurbasic will mehr als nur ein Erlebnishostel bieten. Sein Vater hat selbst im Bosnienkrieg gekämpft. Kurbasic erzählt offen aus dem Leben seiner Familie. "Sei vorsichtig" sollen seine ersten Worte als Kleinkind gewesen sein, die er nach "Mama" und "Papa" sagen konnte.
Einschusslöcher in den Wänden
Nachdem sich Slowenien und Kroatien von Jugoslawien getrennt hatten, gab es auch in Bosnien und Herzegowina Unabhängigkeitsbestrebungen. Doch es gab Streit zwischen den Bevölkerungsgruppen. Während die Bosniaken und Kroaten für die Unabhängigkeit waren, stellten sich die Serben dagegen. Die Lage eskalierte, als einige Staaten Bosnien und Herzegowina 1992 als unabhängig anerkannten.
1425 Tage in Angst
Die Belagerung der Haupstadt Sarajewo dauerte fast vier Jahre. 380.000 Bewohner waren von Nahrungsmitteln, Elektrizität, Wasser und Heizung abgeschnitten. Zur Versorgung der eingeschlossenen Menschen wurde eine Luftbrücke eingerichtet. Um sich vor Scharfschützen und Bombardierungen zu schützen, lebten viele Menschen in Kellern. 11.541 Personen starben in Sarajewo, darunter 1.600 Kinder.
Krieg durch Wissen verhindern
In einem nachgebauten Bunker unter seinem Hostel zeigt Kurbasic Dokumentationen über die damalige Zeit. "Ein Krieg lässt sich am besten stoppen, indem man ihm vorbeugt", sagt der Hostelbesitzer. Bildung sei die beste Präventionsmaßnahme. "Ein oder zwei Nächte so zu leben, verändert die Perspektive der Gäste." Genau darum gehe es ihm.